
Die Potsdamer Brücke über den Landwehrkanal (Laufstrecke des BERLIN-MARATHON) ©Horst Milde
Schildbürgerstreich oder Schikane? „Läuferinduzierte Schwingungen“ bei Berliner Brücken! Horst Milde berichtet
Berlin hat durch seinen Pleitenflughafen Schönefeld eine gewisse weltweite Berühmtheit (er sollte schon am 3. Juni 2012 eröffnet werden), Millionenloch Staatsoper, ruinöse Schulen u.a.m. – alles Ausdruck des höchsten Könnens der Fachleute der Berliner Bauverwaltung (und der Politik).
Aber Phantasielosigkeit ist der Verwaltung aber nicht abzusprechen, vielleicht, um von allen Blamagen abzulenken, ist man jetzt bei Laufveranstaltern fündig geworden.
Gleichzeitig schrieben jetzt zwei Berliner Tageszeitungen am 9. Juli 2016 über eine neue Idee, wie die Bauverwaltung ihre Verantwortung für die Sicherheit von Bauwerken und ihren Bürgern auf Laufveranstalter abwälzt.
„Diesmal wiehert der Amtsschimmel in der Senatsverwaltung von Andreas Geisel“ schreibt der Tagesspiegel. „Insgesamt 17-mal fand bislang der Tegeler Halbmarathon statt. Im Laufe der Jahre rannten dabei einige tausend Sportler über die 1983 gebaute Schneckenbrücke zwischen Borsigwalde und dem Ortskern von Tegel“.
„Jetzt aber verlangt Geisels Verwaltung vom Veranstalter des 18. Halbmarathon ein Gutachten, das die Tragfähigkeit der Brücke bescheinigt. Kostenpunkt 2500 Euro für die veranstaltenden Vereine.“
Der Nachweis von Gutachten von Laufveranstaltern für zu belaufende Brücken in Berlin ist jetzt zum ersten Mal öffentlich geworden, schon vorher musste der BERLIN-MARATHON Gutachten nachweisen, daß Berliner Brücken nicht zusammenbrechen, wenn die Marathonläufer sie überqueren. Ein Leipziger Gutachter bescheinigte dem Marathonveranstalter für viel Geld, daß die Brücken nicht zu marode sind, als daß die "schwergewichtigen Läuferinnen und Läufer" sie durch ihre "läuferinduzierte Schwingungen" zum Zusammenbrechen bringen.
Das ist schon ein Skandalon besonderer Art.
Die Berliner Morgenpost schreibt die „Schneckenbrücke in Tegel wird als anfällig gegenüber läuferinduzierten Schwingungen“ eingeschätzt und der Veranstalter muss ein objektbezogenes Einzelgutachten vorlegen“!
"Der Reinickendorfer Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen (CDU) ist empört. Es sei Aufgabe der Senatsverwaltung zu prüfen, ob städtische Brücken standsicher seien. Dieser Nachweis kann nicht Sache der Vereine sein“.
Er probierte mit 41 Läufern die Brücke aus, die dabei nicht zusammen brach!
Die Senatsverwaltung „wies die Kritik zurück, es sei seit 3 Jahren übliche Praxis, daß die Schwingungssicherheit der Brücken geprüft werden muss“. Beim 27. Lauf der Sympathie von Falkensee nach Spandau wurde auch ein Gutachten verlangt über die Tragsicherheit der Carl-Schurz-Brücke in Spandau, das hätte 5000 Euro gekostet.
„Schließlich einigte man sich sich darauf, einen Brückenposten einzurichten“. Der sollte auf Schwingungen achten und “gegebenenfalls weitere Läufer daran hindern, die Brücke zu betreten“ schreibt die Berliner Morgenpost.
Das ist doch wohl ein Witz!
Der Tagesspiegel schlägt in seiner Kolumne vor:
„Vorschlag: Wie wäre es, wenn die dafür zuständige Senatsverwaltung für Bauen und Stadtentwicklung die Tragfähigkeit der Brücke selbst prüft und das durch ein entsprechendes amtliches Schild an der Brücke dauerhaft dokumentiert?“
Wenn die Entwicklung so weiter geht, werden Veranstalter bald dafür sorgen müssen, daß Straßen asphaltiert werden, es gibt inzwischen Veranstalter in Deutschland, die für ihre Teilnehmer auch Schlaglöcher selbst füllen, um ihnen ein gesundes Ankommen zu sichern.
Für Veranstalter sollte dieser Beitrag eine Vorwarnung sein, was ihnen alles „blühen“ kann, wenn Stadtverwaltungen sich ihren Pflichten gegenüber der Bevölkerung entledigen wollen.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß es beim New York City Marathon jahrelang hieß, der Veranstalter darf nicht mehr als 30.000 Teilnehmer zulassen, weil die VerrazanoNarrows Bridge am Startdann zu sehr schwingt.
Das Problem scheint wohl aber gelöst, denn seit Jahren ist der NYC-Marathon mit über 50.000 Finishern weltweit der grösste Marathon.
Horst Milde
PS: Für Zuschriften von Veranstaltern/Vereinen, die ähnliche Probleme mit ihren Verwaltungen haben, wären wir dankbar.
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