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27
11
2007

Eine besonders kritische Situation ergibt sich direkt nach dem Lauftraining, wenn Sie in Ihrer nassgeschwitzten Trainingsbekleidung noch den aus dem Sommer gewöhnten Plausch vor dem Umkleideraum oder auf dem Lauftreff-Parkplatz abhalten.

Rotznasenalarm – Gegen den in dieser Jahreszeit gefürchteten grippalen Infekt kann man sich als Läufer schützen – zum Beispiel durch die richtige Trainingsdosis. Martin Grüning in RUNNERS WORLD und Dr. Kai Röcker

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Jeder von uns hat sie schon einmal gehabt, eine Erkältung. Und oft kam sie genau dann, wenn man sie nicht gebrauchen konnte: In einer wichtigen Trainingsphase oder sogar direkt vor einem Wettkampf, auf den man sich wochenlang vorbereitet hatte.
Was ist eine „Erkältung“? Wie könnte man darum herumkommen bzw. was kann man tun, um dieser scheinbar unvermeidlichen Erkrankung Paroli zu bieten?

Grippe oder grippaler infekt?

Für die klassische Erkältung gibt es auch den wissenschaftlicheren Begriff „grippaler Infekt“ oder der Arzt sagt „akuter Infekt der oberen Atemwege“. Ein grippaler Infekt ist wiederum nicht zu verwechseln mit der „Grippe“. Der Begriff „grippaler Infekt“ bezeichnet grippeähnliche Erkrankungen, die im allgemeinen mit Krankheitssymptomen der oberen Atemwege beginnen.
Hierzu gesellen sich häufig Fieber und Gliederschmerzen. Ein grippaler Infekt kann durch eine Vielzahl von verschiedenen Viren oder Bakterien hervorgerufen werden. Wie eine echte Grippe wird auch ein grippaler Infekt durch Tröpfcheninfektion übertragen. Herumfliegende Tröpfchen, die von bereits Infizierten durch Husten oder Niesen zerstäubt werden. Im Gegensatz zur echten Grippe klingen die Beschwerden beim grippalen Infekt nach wenigen Tagen von selbst wieder ab.

Die echte Grippe beginnt dagegen meist mit Allgemeinsymptomen wie starkem Krankheitsgefühl, höherem Fieber, Schüttelfrost oder Muskelschmerzen. Die echte Grippe dauert in der Regel auch wesentlich länger als ein grippaler Infekt und führt zu stärkeren Beschwerden.
Sie wird durch den sogenannten Influenza-Virus Typ A, B oder C übertragen. Die beiden Virusarten mit der Bezeichnung A oder B haben im übrigen die extrem unangenehme Eigenschaft, ihre Oberfläche immer wieder zu verändern. Diese Veränderung tritt etwa einmal in ein bis zwei Jahren auf. Im Gegensatz zu anderen Viruserkrankungen verbleibt eine Immunität, nachdem man die Krankheit hinter sich gebracht hat nur für den Zeitraum, bis sich das Virus wieder einmal verändert.
Aus demselben Grund ist auch eine Impfung nur solange wirksam, solange sich die Virusoberfläche nicht verändert hat.

Hohe Belastungen können schuld sein

Die „echte Grippe“ ist eine Erkrankung, die gehäuft nur in der kalten Jahreszeit auftritt. Das Grippevirus kann außerhalb des Körpers nur bei niedrigen Temperaturen überleben. Die Schlussfolgerung liegt daher nahe, dass man durch entsprechendes Verhalten die Wahrscheinlichkeit deutlich vermindern kann, an einer Grippe zu erkranken. Zu den wichtigsten Verhaltensregeln zur Vorbeugung gehört natürlich angemessene Kleidung, die nicht zu kalt, aber auch nicht zu leicht sein sollte.
Eine besonders kritische Situation ergibt sich direkt nach dem Lauftraining, wenn Sie in Ihrer nassgeschwitzten Trainingsbekleidung noch den aus dem Sommer gewöhnten Plausch vor dem Umkleideraum oder auf dem Lauftreff-Parkplatz abhalten. Einerseits ist Ihr Immunsystem durch das vorangegangene Lauftraining möglicherweise kurzfristig verletzlich und lückenhaft, andererseits kühlt Ihr Körper schnell aus. Die von Ihren Gesprächspartnern unbewusst verteilten Krankheitskeime haben in dieser Situation dann leichtes Spiel mit Ihrem Organismus.

Dass eine harte Laufbelastung besonders anfällig für grippale Infekte macht, zeigte zum Beispiel eine Untersuchung, die der amerikanische Wissenschaftler David Nieman mit Teilnehmern des Los-Angeles-Marathons durchführte. Dabei stellte sich heraus, dass 13 Prozent in der Woche nach dem Marathon an einer Entzündung im Bereich der oberen Atemwege litt. Bei einer Kontrollgruppe, die den Marathon nicht bestritten hatte, waren es gerade zwei Prozent. Der Stresshormonlevel (zum Beispiel Cortisol) im Körper ist nach einer Belastung wie einem Marathon mehrere Stunden lang sehr hoch, was bestimmte Zellen des Immunsystems blockiert. Vergleichbar mit einem offenen Fenster ist der Weg frei für Viren und andere Krankheitserreger.
Dies trifft übrigens auch für Sportler zu, die sich im Zustand des Übertrainings befinden.

Laufpause bei Erkältung?

Und dann stellt sich natürlich jedem Läufer die Frage: darf ich mit einer Erkältung laufen oder nicht?
Kommt darauf an – sagen wir: Wer an einem Marathonlauf teilnehmen will, sollte völlig gesund sein.

Die Gefahren der Ausbreitung einer kleinen Infektion durch körperliche Anstrengung sind wohlbekannt. Durch eine starke Kreislaufaktivität werden die Krankheitserreger im Körper verstreut. Einer der häufigsten Zielpunkte einer solchen Infektverschleppung ist der Herzmuskel. Gefährliche Herzrhythmusstörungen können die Folge einer solchen Herzmuskelentzündung sein. Um jedes Risiko zu vermeiden, müsste man als gewissenhafter Arzt eigentlich von jeder körperlichen Belastung bei den kleinsten Zeichen einer Infektion abraten.

Die zahlenmäßige Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einem einfachen Schnupfen oder Klimaanlagen-Halsweh eine Verderben bringende Herzmuskelentzündung entwickelt, ist aber recht gering, wenn auch nicht null. Diese Wahrscheinlichkeit steigt ganz wesentlich, wenn Fieber oder Gliederschmerzen hinzukommen. Diese Symptome zeigen eine Verbreitung der Infektion im Körper an. Wenn dann noch Zeichen wie Eiterherde im Rachen oder gelblicher Auswurf beim Husten sichtbar werden, wächst das Risiko auf den Höchstwert. Es muss also eine sorgfältige Abwägung des Risikos unternommen werden.

Tückischerweise ist eine solche Abwägung jedoch allein durch eine Bewertung von Symptomen nur sehr schwer möglich. Sehr häufig werden die allgemeinen Krankheitssymptome vor einem Wettkampfstart durch Nervosität entweder abgeschwächt oder jedoch überhaupt erst provoziert. Dies gestaltet vor allem die Eigenbeurteilung vor einem Wettkampfstart recht problematisch. Selbst eine objektive Blutuntersuchung beim Hausarzt ist in dieser Hinsicht nicht immer hilfreich, da die typischen Entzündungszeichen – auch bei gefährlichen lokalen Infektionen – manchmal einfach fehlen.
Und dennoch: Wenn Sie kein Fieber und/oder keine Gliederschmerzen haben, keine Eiterherde vorhanden sind, wenn Sie sich trotz Schnupfen oder Halsweh frisch fühlen und eventuelle Krankheitssymptome auch nicht mit einer Tablette überdeckt haben, dann dürfen Sie laufen.

Ohne Schnupfen durch den Winter

Martin Grüning
RUNNERS WORLD
November 2007

F: Kann man Erkältungen ausschwitzen?
Frau P. O., Laim

A: Man hat zwar keine Schweißdrüsen direkt in der Nase, und über den Schweiß werden auch keine Schnupfenviren ausgeschieden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann bei Schnupfen ein „Schwitzlauf“ dennoch eine günstige Wirkung haben.

Die Viren, welche einen Schnupfen verursachen, lieben Kälte und ausgetrocknete Schleimhäute. Wenn sich diese Erreger ausschließlich auf der Nasenschleimhaut eingenistet haben, wirkt ein Dauerlauf zum „Rausschwitzen“ in der Tat günstig. Während eines Lauftrainings verbessert sich die Durchblutung der Nase. Die Temperatur der Nase steigt in einen Bereich, in dem die Lebensdauer der Schnupfenviren verkürzt ist und der Schnupfen in kürzerer Zeit vorübergeht.
Einen vergleichbaren Effekt erzielt man durch Dampfinhalation. Man kann auch feststellen, daß durch körperliche Betätigung die Schleimhäute abschwellen und durch einen gewissen Spüleffekt die Schnupfenbeschwerden stark verringert werden.
Es ist allerdings eine Ermessensfrage, ob sich ein Lauftraining bei Schnupfen noch günstig auswirkt, oder ob man es sicherheitshalber eher sein läßt. Die Entscheidung ist oft nicht einfach.

Vorsicht ist geboten bei einer Infektion, die sich im Körper ausgebreitet hat. Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen, erhöhte Temperatur, Halsschmerzen oder Lymphknotenschwellungen sind Gründe, nicht zu laufen. Die Gefahr besteht darin, die Infektion zu verschleppen und in andere Organe wie das Herz zu übertragen. Auch sind langdauernde Erschöpfungszustände nach verschleppten Infektionen bekannt geworden.
Der Hausarzt wird sich aus diesem Grunde eher auf die sichere Seite stellen und von Lauftraining bei Infektionen generell abraten.

Dr. med. Kai Röcker
RUNNERS WORLD 2007

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