Dr. Dr. med. Lutz Aderhold- Regenerative Maßnahmen - „Was ohne Ruhepausen geschieht, ist nicht von Dauer" (Ovid). ©privat
Regenerative Maßnahmen – „Was ohne Ruhepausen geschieht, ist nicht von Dauer“ (Ovid). – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Kein Mensch ist in der Lage ständig Höchstleistungen zu bringen. Es gibt keinen linearen Zusammenhang zwischen mehr Training und verbesserter Wettkampfleistung (Aderhold und Weigelt 2012).
In Abständen braucht jeder Erholungsphasen, denn Regenerationszeiten und Regenerationsmaßnahmen sind unverzichtbarer Teil eines effektiven Trainings-, Gesundheits- und Wettkampprogramms (Friedrich 2011). Kilometerfresser schwächen ihr Immunsystem, erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Überlastungsschäden und werden ihr mögliches Leistungspotential nicht ausschöpfen.
Ein Prinzip des regelmäßigen Trainings ist, dass die erneute Belastung bei noch unvollständiger Erholung erfolgt. Der Trainingsreiz zwingt den Organismus zur Anpassung. Dabei haben intensive Laufbelastungen deutlich längere Regenerationszeiten als extensive Einheiten.
Gerade im Langstreckenlauf sieht man immer wieder eine Häufung von Wettkämpfen in relativ kurzen Abständen. Solange kein bestimmtes Leistungsziel verfolgt wird, ist das kein Problem. Im Grunde genommen kann man bei entsprechender Tempogestaltung jedes Wochenende auch einen Marathon oder Ultra laufen. Im Leistungsbereich sollte aber zwischen zwei langen Wettkämpfen ein Abstand von wenigstens 2 Monaten eingehalten werden. Eine Wiederherstellung aller Strukturen und Systeme sowie seriöse Vorbereitung ist sonst nicht gegeben. Der Pfad zwischen Leistungsgewinn und Übertraining ist im Leistungssport schmal.
Für den Langstreckenläufer sind üblicherweise die Monate November und Juli in den Übergangsperioden die längeren Phasen der Regeneration. Insbesondere nach den Saisonhöhepunkten sollte man sich etwas Ruhe gönnen. Das gilt besonders für Läufer, deren Form zum Ende der Saison weggekippt ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass nach Marathon- und Ultraläufen die Wiederherstellung der muskulären „Schädigungen" bis zu 10 Wochen andauern kann.
Auch Unlustgefühle nach zu vielen Trainingskilometern oder Wettkämpfen sind ein untrügliches Zeichen für die Notwendigkeit einer Regenerationszeit.
Nichtstun ist allerdings nicht angesagt, das ist nur nötig, wenn man eine ernsthafte Verletzung hat. Eine vollkommene Trainingspause hat eine ganze Reihe von Nachteilen, insbesondere kommt es zum stärkeren Formverlust und der Wiederbeginn im Winter führt zu höherer Verletzungsgefahr. Kompensatorisches Training mit unspezifischen Trainingsmitteln nach der Dauermethode ist jetzt angesagt.
Maximal eine Stunde bei niedriger Intensität reicht aus. „Nichts macht so müde, wie Nichtstun" (Volksweisheit).
Das Trainingsrezept ist einfach, der Umfang wird um bis zu 50% reduziert, Tempo- und lange Einheiten sind gestrichen. Um nicht ganz abzuschlaffen, werden in die Dauerläufe einige Steigerungen eingebaut. Zur Regeneration sind trainingsfreie Tage wichtig, auch alternatives Training entlastet den Bewegungsapparat und die Psyche.
Wer sonst über 100 km in der Woche trainiert, kann in der Regenerationszeit durchaus zwei trainingsfreie Tage einlegen. Als alternatives Training (aktive Regenerationsmaßnahmen) bieten sich jetzt Wandern, Radfahren, Schwimmen, Aqua-Jogging, Ballspiele, Zirkeltraining in der Halle oder auch der Gang ins Fitness-Studio an. Die Wahl der Sportart kann entsprechend der persönlichen Neigung erfolgen.
Auch passive Regenerationsmaßnahmen wie Thermo- und Hydrotherapie (Warmwasserbäder, Kneippsche Güsse, Fußbäder), Solarium, Elektrotherapie (elektrische Muskelstimulation, Magnetfeldtherapie), Massage, Einreibungen und Sauna sollten Sie nun verstärkt nutzen. Funktionsgymnastik und Stretching verbessert die Beweglichkeit und Geschmeidigkeit der Muskeln, Sehnen und des Bindegewebes. In die Dauerläufe können Formen des Lauf-ABC (z.B. Sprung- und Hopserläufe) eingebaut werden.
Nach 4 Wochen regenerativem Training kann das Training wieder langsam auf das normale Pensum erhöht werden, denn nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Das nächste Ziel im Winter ist dann meist eine Winterlaufserie oder der Silvesterlauf, bei dem man schon wieder ganz gut drauf ist aber noch nicht „in Form" sein sollte.
„Erholung besteht weder in Untätigkeit noch in bloßem Sinnesgenuss, sondern im Wechselgebrauch unserer Körper- und Geisteskräfte" (Karl Julius Weber).
Aber auch während längerer, zusammenhängender Trainingsabschnitte empfiehlt es sich, Erholungsphasen einzubauen. Nach drei Wochen mit steigender Trainingsbelastung sollte eine Woche mit deutlich verminderter Intensität und Umfang folgen. Trainingsreize und Regeneration sind gleichwertig im Gesamtplan einzustufen.
Das richtige Verhältnis zwischen Belastung und Erholung sind der Schlüssel zum Erfolg. Besonders Senioren müssen den physiologischen Veränderungen des Organismus Rechnung tragen und die Regenerationszeiten verlängern. Der Trainingsplan kann einfach nicht mehr so aussehen wie vor 10 Jahren. Leistungsabfall, Infektanfälligkeit und psychisches Unwohlsein können Folgen fehlender Regeneration sein.
Als Faustregel gilt: Je älter und je untrainierter der Sportler, umso länger dauert auch die Regeneration. Krankheiten wie Infekte und Entzündungen aber auch psychosozialer Stress beeinflussen die Regeneration negativ. Gerade die Belastung durch Beruf und Familie kann recht unterschiedlich sein und eine individuell unterschiedliche Regenerationszeit bedingen.
Jede Form des körperlichen Trainings verbraucht Energie und führt bei entsprechender Dauer und Intensität zur muskulären Ermüdung durch Energieverarmung (Glykogenmangel), Anhäufung von Stoffwechselprodukten, feinstrukturellen Schädigungen kontraktiler Elemente und Hemmung der Impulsübertragung Nerv/Muskelfaser.
Hinzu kommt eine zentrale Ermüdung durch Überforderung des Energiestoffwechsels und Anhäufung von Ammoniak im Gehirn. Die beanspruchten Funktionssysteme benötigen eine unterschiedlich lange Regenerationszeit, die in erster Linie von Belastungsdauer, Belastungsintensität und der individuellen Leistungsfähigkeit abhängt. Weitere Faktoren, die eine Rolle spielen sind das Alter, Alltagsstress, Gesundheit, Ernährung, Schlaf und die Trainingsjahre. Leider gibt es bisher kein zuverlässiges Verfahren, um den Regenerationsstatus zu messen (Meyer 2010).
Innerhalb der ersten 30 Minuten nach der Belastung kommt es zur Wiederauffüllung der muskulären Kreatinphosphat-Speicher, Rückkehr der Atem- und Herzschlagfrequenz sowie Blutdruck zum Ausgangswert und Ausgleich der Unterzuckerung nach Kohlenhydrataufnahme. Die Laktatkonzentration fällt unter 3 mmol/l und es wird wieder ein Gleichgewicht im Säure/Basenhaushalt erreicht. Nach 1 Tag ist das Leberglykogen weitgehend wieder aufgefüllt, der Ausgleich im Flüssigkeitshaushalt ist erfolgt und die ermüdeten Funktionen der Muskulatur sind überwiegend wieder hergestellt.
Die Auffüllung des Muskelgykogens und der muskulären Fettspeicher kann bis zu 7 Tage dauern. Auch die Regeneration von teilzerstörten Muskelfasereiweißen und funktionsgestörten Mitochondrien kann bis 14 Tage in Anspruch nehmen. Die Regeneration von der gesamtorganischen (auch Hormon- und Immunsystem) und psychischen Belastung nach einem Langzeitausdauerwettkampf (Marathon, 100 km Lauf) bis zur Wiederabrufbarkeit der gesamten Leistungsfähigkeit kann bis zu 10 Wochen betragen (Neumann et al. 2007).
Das subjektive Gefühl vollständiger Regeneration und des Leistungsvermögens kann stark täuschen.
Der eigentliche Fortschritt erfolgt nicht beim Training, sondern erst in der Erholungsphase hinterher.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Friedrich W. Optimale Regeneration im Sport. Der Schlüssel zum Erfolg für Freizeit- und Leistungssportler. Balingen: Spitta 2011.
Meyer T. Regeneration im Leistungssport. Dtsch Z Sportmed 2010; 61: 127-8.
Neumann G, Pfützner A, Berbalk A. Optimiertes Ausdauertraining. Aachen: Meyer & Meyer 2007.
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Das Buch von Aderhold/Weigelt:
Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag