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26
06
2016

Praktische Psychologie für Spitzen- und Nachwuchsläufer - Stell Dich – wenn nötig – auch mal dem Sportpsychologen ©Athletics Australia

Praktische Psychologie für Spitzen- und Nachwuchsläufer – Stell Dich – wenn nötig – auch mal dem Sportpsychologen – Lothar Pöhlitz

By GRR 0

© Lothar Pöhlitz – 2016 – Junge Talente kommen zum Training weil sie besser werden wollen, oft auch weil sie das Gefühl haben besser sein zu können wie andere in ihrem Umfeld. Dabei wissen sie noch nicht was auf sie zukommt und das sie sich eines Tages in „wichtigen Wettkämpfen, bei Meisterschaften“ beweisen, aufs Podium sollen.

Sie wissen da noch nicht das sie dafür mentale Stärke brauchen, Gedanken und Vorstellungen zu Siegen führen und die Beine tun sollen was das Gehirn befiehlt. Auch eine systematisch steigende Belastung, das soziale Umfeld, die Lauftechnik und ein kühler Kopf sind Voraussetzungen für Siege.

Das schließt die Erfahrung ein das die psychophysischen Fähigkeiten bei dem/der Einen positiv, bei dem/der anderen eher negativ ihre angestrebte Leistung beeinflussen werden und nicht jeder in der Lage ist seine beste Leistung dann abzurufen wenn es darauf ankommt. Sie haben noch nicht erlebt wenn man angespannt, nervös, mit erhöhter Herzfrequenz oder kaltem Schweiß – mit richtig Angst vorm Versagen – in der letzten Stunde vorm Wettkampf die Handbremse nicht gelöst bekommt.

Von Trainer zu Trainer – Erfahrungen nicht nur für junge coaches

Sie werden noch erfahren das – wie im richtigen Leben – Anspannung, Stress, Müdigkeit, negative Gedanken, Übelkeit, der mehrfache Gang zur Toilette und Angst Teil von Bewährungen, von Prüfungen oder Examina sind und das es so auch vor sportlichen Wettkämpfen sein wird. Bei dem Einen mehr bei der Anderen weniger.

Durch Praxiserfahrungen und ein gefühlvolles Trainerhändchen müssen sie lernen mit diesen Symptomen umzugehen und sie zu akzeptieren. Der Trainer lehrt sie im Prozess einer längerfristigen Ausbildung als „Psychologe in der Leistungssportpraxis“ das bis zu einem gewissen Grade eine gewisse Erregung zur positiven Leistung beiträgt und sie über einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihren Gegnern verfügen können wenn sie lernen solche Störungen auszublenden.

Da helfen das Üben im Training, grenzwertige Anforderungen, reizwirksames wettkampfnahes Training, ein ruhiger erfahrener Trainer vor und nach Rennen, eine Abschottung von den Gegnern und dem privatem Umfeld mit Beginn der Wettkampf-Vorbereitung, eine verbesserte Konzentration auf die Aufgabe. Auch die besprochene Taktik mit 2 maximal 3 möglichen Variationen, die Kontrolle über die Rennsituation und die Lauftechnik machen sicherer.

Am besten sie marschieren entspannt in den Innenraum und denken, dass sie die gestellte Aufgabe positiv lösen werden. Aber wenn sie eine Medaille anstreben müssen sie um Gold kämpfen wollen!

„Die Gründe für einen Leistungsabfall oder Versagen im Wettkampf können im persönlichen (Familienkonflikte), im sportlichen (mangelhaftes Training) oder im sozialen Umfeld (Erwartungsdruck) liegen.  Zwischen positivem Ansporn, Ermutigung und Druck bzw. überhöhten Erwartungen ist oft ein schmaler Grat, der durch die Persönlichkeitsentwicklung und den Charakter des Sportlers beeinflusst wird.

Mit der Leistungsentwicklung wird dem Sportler die Selbstwert stärkende Wirkung bewusst. Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, Geltungsstreben und die Suche nach den eigenen Grenzen sind für die leistungsstärksten Sportler dominierende Beweggründe ihres Handelns“ (Schnabel et al. 2011).

Wenn Trainingsleistungen in Rennen nicht abrufbar sind – Ziele müssen herausfordern, aber machbar sein

Vertrauen schafft Überzeugungen das die abgesprochenen realistischen Ziele – von denen der Athlet auch überzeugt ist sie schaffen zu können – möglich sind und er es will. Wenn der Athleten nicht an seine Möglichkeiten glaubt die ihm gestellte Aufgabe auch erfüllen zu können – und diese Überzeugung wurde in den letzten Wochen durch entsprechende Trainingsleistungen aufgebaut, ist es schwer die emotionale Kontrolle zu behalten.

Da kann vor allem ein Rückblick auf erfolgreiche Wettkämpfe oder gute Trainingsleistungen helfen. Natürlich können die aus der Psychologie bekannten Entspannungstechniken (Atementspannung, die progressive Muskelrelaxation oder das autogene Training) helfen unter Druck zu entspannen, am Wettkampfort sind sie – das zeigt die Praxis – nur eingeschränkt hilfreich. Am besten man schafft sich Rituale.

„Erfolg und Misserfolg werden entscheidend von der Überzeugung der eigenen Fähigkeiten beeinflusst. Die leistungsbedingenden Faktoren im Lauf sind die physische Vorbereitung sowie die psychische Wettkampfbereitschaft. Beides kann auf der Grundlage der ererbten Anlagen trainiert werden.

Die wichtigsten psychischen Anforderungen im Laufen sind (Aderhold und Weigelt 2012):

  • Selbstvertrauen
  • Motivation und Wille
  • das Vermögen, die Aufmerksamkeit zu steuern Situationen zu analysieren und Entscheidungen zu treffen
  • Gedankenkontrolle und kognitives Umbewerten
  • Stressresistenz und das Regulieren der Aktivierung“

Alles ist auch Teil der psychischen Wettkampfvorbereitung – Man kann nur was man will und von was man überzeugt ist

Ein leider zu oft unterschätzter Teil des Trainings ist den jungen Sportlern die Bedeutung der psychologischen Fähigkeiten und wie sie die Leistung beeinträchtigen können, zu vermitteln. Leistungsorientierte Sportler sollen die Strategien und Techniken erlernen um mit den im Training und Wettkämpfen gebrauchten Fähigkeiten unter physischen Stress umzugehen. Das erfordert Vermittlung, Simulation und Training / Überprüfung in echten Wettkampfsituationen.

Die Wettkampfvorbereitung beginnt mit dem letzten gemeinsamen Training.

In vielen Übungseinheiten wurde den Sportlern bereits, dass anzuwendende Einlaufprozedere ohne „Gegnerberührung“ vermittelt – einschließlich der Zeiten für Beginn und Ende – das er/sie schließlich auch ohne Anwesenheit und Einfluss des Trainers beherrschen. Sie geben dem Athleten Sicherheit und helfen mögliche Fehler schon im Vorfeld auszuschließen.

Bereits hier werden konkrete organisatorische Vereinbarungen getroffen und ein langfristiges Ritual für die Vor- und Nachbereitung wichtiger Wettkämpfe (Treffpunkt, Ausrüstung, Ernährung vor und am Wettkampfort, bereits bekannte Gegner, Einlaufprogramm, über das zu erwartende Wetter einschließlich möglicher Konsequenzen wenn….) erarbeitet. Dabei soll der Fokus immer auf dem Einzelnen und seiner aktuell konkreten Aufgabe liegen.

Erfolgstrainer fallen nicht vom Himmel

Auch Trainer geben in allen Fragen der Persönlichkeitsentwicklung ihrer Läufer alles, analysieren, sind engagiert, denken positiv und offensiv, verbannen Zweifel und sollten auch in komplizierten Situationen ruhig bleiben. Sie kommen gut vorbereitet und mit guter Laune und Begeisterung zum Training oder Wettkampf und verbergen es auch nicht vor ihren Athleten, schließlich wollen auch sie Erfolge. Sie sind Vorbild und arbeiten im Team.

Trotzdem sollen Ziele und aktuelle Aufgaben immer Herausforderung, aber zugleich realistisch machbar, sein. In den in der Regel zwei Trainingsstunden sollten sie deshalb ausschließlich für die Athleten und ihr Training zur Verfügung stehen und sich durch nichts ablenken lassen. Und sie haben auf alle ihre Fragen eine Antwort. Trotzdem gilt: konstruktive Kritik und Lob sind zwei sehr wichtige Trainerwaffen für den Erfolg. Die guten unterscheiden sich von den weniger guten vor allem in Zeiten von Verletzungen, Krankheiten oder in Zeiten nach unbefriedigenden Leistungen ihrer Athleten.

Trainererfolge werden in einem positiven Trainingsklima im gegenseitigem Vertrauen geboren. Motivation und Lob sind die Triebfedern für mehr. Für Spitzenleistungen setzen sie aber auch das Wollen und die Bereitschaft der Athleten voraus gemeinsam alles für die gesetzten Ziele zu tun.

Jedes Individuum ist anders – das gilt auch für Sportler

Da jeder Mensch – auch die jungen – mental oder aus Sicht der Intelligenz anders gestrickt ist sind auch die notwendigen Strategien für die Vermittlung spezifischer Aspekte auf dem Weg zu Erfolgen über die Beherrschung der Wettkampfpsychologie verschieden bzw. persönlich. Auch weil jeder in seiner Kindheit mit einer anderen Erziehung konfrontiert wurde, Einzelkind oder Großfamilie, arm oder reich, schon früh im Bewegungskindergarten mit Bewegung konfrontiert, als Fußballer oder Schwimmer das Grundlagentraining gut oder weniger unterstützend absolviert, Supertalent oder „Arbeitsathlet“ und der Trainer soll daraus etwas machen.

Oft zeigt sich erst in ersten Wettkämpfen der wahre Charakter, der/die „Verweichlichte defensive“ oder der/die „Aufbrausende, aggressive“.

Deshalb sind für Trainer vor allem Nachwettkampf-phasen wichtig wenn der Erfolg ausgeblieben ist oder das Rennen enttäuschend verlief. Am besten man geht zur „Abkühlung“ als Trainer erst einmal zwei Runden ums Stadion oder wenn es schlimmer ist verschiebt das sachlich auswertende Gespräch auf das nächste Training nach einer Nacht Schlaf!

Stell Dich – wenn nötig – auch mal dem Sportpsychologen – Schlagworte in die Rennen mitgeben

Im Wettkampf gibt es die die intuitiv alles richtig machen, Gefühl für die Situation einbringen, offensiv – ohne Angst – oft mehr wollen als der Trainer, in Bummelrennen einfach die Spitze übernehmen oder in Abhängigkeit vom Renntempo den Spurt zur rechten Zeit anziehen. Die zweite Läufer-Kategorie beherrscht die Rekord- oder Siegtaktik und versteht sie anzuwenden wenn es darauf ankommt. Denen die noch in der Ausbildung sind helfen Aufgaben, konkrete Absprachen, die aber auch machbar sein müssen.

Der Trainer gibt ihnen die ausbildungs-altersabhängigen Handlungsstrategien mit in den Kampf. Da haben sich bestimmte Schlagworte wie „jetzt vorbei“ – „Technik“ – „Spurt“ oder „Frequenz“ bewährt die sich der Sportler als Kurzbefehl in der jeweils spezifischen Wettkampfsituation selbst gibt um sofort, ohne zu zögern, zu handeln. In der Wettkampfbegleitung von außen sollten sich die Trainer besser zurückhalten und dem Athleten schon möglichst früh eine gewisse Selbständigkeit für Rennen anerziehen bei denen der Trainer nicht anwesend ist.

In der Mehrzahl der Befehle von außen ist der Sportler gar nicht in der Lage sie auszuführen, weil er nicht über die dafür notwendigen Fähigkeiten verfügt. Da hilft oftmaliges selbstständiges handeln mehr weniger Fehler zu machen. Man kann ja im nachhinein über die gemachten Fehler reden.

„Selbstvertrauen sowie Durchhaltefähigkeit und Risikobereitschaft für den Wettkampf entwickeln sich vor allem aus Aufbauwettkämpfen und dem wettkampfspezifischen Ausdauertraining, d.h. aus Trainingseinheiten, in denen im Vergleich zur geplanten Zieldisziplin, in Streckenlänge und Geschwindigkeit wettkampfnahe Anforderungen zu absolvieren sind.

Diese Belastungen können den Sportler am besten überzeugen, dass das Training sie zu den angestrebten Zielleistungen im Wettkampf führen wird. Motivation und Überzeugung in die eigenen Fähigkeiten werden am meisten durch positive Erfahrungen gesteigert. Erfolge im Training und Wettkampf verstärken Gefühle und Antriebe für mehr“ (Lothar Pöhlitz 2011)

Fotos: Kiefner – M.Schneider

author: GRR

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