Da erübrigte sich auch die Frage, ob es denn wenigstens einen Anflug von Zufriedenheit gebe. „Alles blöde gelaufen“, knurrte er, „schade, dass sich die ganze Arbeit überhaupt nicht gelohnt hat.
Platz 4 für Robert Harting – Opfer der eigenen Gedanken Ein Kandidat für eine olympische Medaille zu sein, muss sich nicht immer gut anfühlen. Das nimmt Robert Harting aus dem olympischen Diskuswettbewerb als Erkenntnis mit. Friedhard Teuffel, Peking im Tagesspiegel
Es fühlte sich schwer an, der Berliner wollte nach seiner Silbermedaille im vergangenen Jahr unbedingt auch bei den Olympischen Spielen zu den besten drei Diskuswerfern der Welt gehören. Doch er scheiterte knapp daran – und wurde Vierter. „Angreifen als Nobody ist das Schönste auf der Welt“, sagte Harting, so war es ihm nämlich im vergangenen Jahr bei der WM ergangen, „aber den Erfolg dann zu bestätigen ist viel schwerer“.
Robert Harting ist einer der wenigen deutschen Leichtathleten, die in Peking überhaupt Chancen auf einen Platz auf dem Siegerpodest haben. Er ist Werfer, und Werfen ist die größte Stärke der deutschen Leichtathleten. Diese Chance ist nun dahin, Harting zeigte zwar keinen schlechten Wettbewerb, aber eben auch nicht seine besten Würfe. Im dritten Versuch schleuderte er den Diskus auf 67,09 Meter und lag damit auf einmal auf Platz zwei. Doch im vierten Durchgang rutschte er gleich um zwei Plätze nach hinten. Der Este Gerd Kanter ging mit 68,82 Meter in Führung, der Litauer Virgilius Alekna legte ebenfalls nach und schob sich mit 67,79 noch vor Harting.
Im Ring fehlte die Schnelligkeit
Der versuchte nun, noch einmal zurückzukommen, es gelang ihm aber nicht mehr. Dafür hatte er hinterher eine Reihe von Erklärungen. „Ich habe mich auf zu viele Sachen konzentriert. Und wenn man zu viel denkt, wird man langsam. Und wenn man langsam wird, dann kann man nicht schnell werfen.“ Im Ring habe ihm jedenfalls die Schnelligkeit gefehlt und der richtige Zeitpunkt, um die Scheibe aus der Hand zu geben. „Wenn ich drei Zentimeter woanders stehe, sieht der Wurf ganz anders aus. Dann verändert sich der ganze Bewegungsablauf und es kommt ein ganz anderer Wurf dabei heraus.“
Da erübrigte sich auch die Frage, ob es denn wenigstens einen Anflug von Zufriedenheit gebe. „Alles blöde gelaufen“, knurrte er, „schade, dass sich die ganze Arbeit überhaupt nicht gelohnt hat.“ In den vergangenen Wochen hätte seine Vorbereitung auf den Wettbewerb einfach nicht mehr funktioniert, die Leistung im Training stimmte nicht, er beobachtete technische Mängel bei sich und geriet sich mit seinem Trainer kurz in die Haare. Tröstlich war für ihn nur die Erkenntnis, dass nach einer schweren Saison wieder eine leichte kommt und nach einer Favoritenrolle wieder die des Außenseiters. Die wäre ihm lieb, denn im nächsten Jahr findet die WM in seiner Stadt Berlin statt. „Je leichter dieses Jahr gewesen wäre, desto schwerer wäre das nächste geworden“, sagte Harting.
Das Ende dieses Diskusfinales war dafür wirklich ein lustiges. Der Sieger Gerd Kanter hüllte sich erst in die estnische Fahne ein. Dann lief er durch das Rund des Stadions, bis er am 100-Meter Start angekommen war. Dort legte er dann los. Es wäre sicher ein neuer Weltrekord über 100 Meter für Diskuswerfer geworden, wenn er nicht vor dem Ziel gebremst hätte – mit Absicht allerdings. Denn er schaute sich nach seinen nicht vorhandenen Gegnern um und beendete den Lauf mit der gleichen Geste wie der Jamaikaner Usain Bolt am Samstag nach seinem Olympiasieg über 100 Meter.
Friedhard Teuffel, Peking im Tagesspiegel, Mittwoch, dem 20. August 2008