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30
11
2021

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Patellaspitzensyndrom („jumpers knee“) – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Beim Patellaspitzensyndrom (Kniescheibenspitzensyndrom – „jumpers knee“) handelt es sich um eine lokale Entzündungsreaktion am Ursprung der Patellasehne.

Ursache dafür ist die starke Beanspruchung durch den Streckmechanismus (Ferretti 1986; Lian et al. 2005; van der Worp et al. 2011), wobei degenerative Veränderungen die Verletzungswahrscheinlichkeit vergrößern.

Es handelt sich also um eine Sehnenansatzreizung (Tendinose) durch Überlastung. Auch das Einklemmen der Sehne bei der Beugung wird als Ursache diskutiert.

Durch spezielle Ultraschalluntersuchungen wurden sogenannte Neogefäße in der schmerzhaften Sehne entdeckt, die von feinen schmerzvermittelnden Nerven begleitet werden. Es treten belastungsabhängig zunehmende Schmerzen mit einer Druckempfindlichkeit über dem unteren Patellapol im Ansatzbereich der Patellasehne auf. Mitunter ist der Druckschmerz ausgeprägter, wenn bei vollständig gestrecktem Knie auf den oberen Patellapol gedrückt wird. Die Patellasehne kann verdickt sein. Es können entzündliche Schwellungen auftreten. Die Oberschenkelmuskulatur ist oft gleichzeitig verspannt.

Hinter dieser Symptomatik kann auch eine Teilruptur der Sehne stecken, was mit einer Sonografie bzw. Magnetresonanztomografie (MRT) bestätigt oder ausgeschlossen wird. Differenzialdiagnostisch müssen eine Schleimbeutelentzündung, die Chondropathia patellae und bei Jugendlichen der Morbus Osgood-Schlatter abgegrenzt werden.

Therapie

Therapeutisch geht man konservativ vor. In der akuten entzündlichen Phase bieten sich physikalische Maßnahmen wie Kühlung (Eis), Elektrotherapie, Ultraschall und Magnetfeldtherapie an, unterstützt durch antiphlogistische Medikamente.

Tipp

Ein exzentrisches Krafttraining leistet wertvolle Hilfe. Sie sollten das Training mit dreimal 15 Wiederholungen und zweimal pro Tag für mindestens 12 Wochen täglich durchführen (Larsson et al. 2012).

Diese lange Zeit ist erforderlich, weil die Zellerneuerung in Sehnen sehr langsam abläuft. Beim exzentrischen Krafttraining (schmerzhaft!) erfolgt eine tiefe Kniebeuge in Schrittstellung. Dadurch verschwinden die pathologischen Neogefäße samt schmerzleitender Nerven. Die Kombination aus Stoßwellentherapie mit exzentrischem Krafttraining hat eine bessere Wirkung als die jeweilige Therapieform allein (Malliaras et al. 2013; Engelhardt et al. 2018).

Auf die Haut aufgebrachtes Nitroglycerin (Herzmedikament) in Form von Spray (2 × 2 Hübe pro Tag) soll den Kollagenstoffwechsel günstig beeinflussen. Auch die Stoßwellentherapie soll ähnlich wie das exzentrische Krafttraining zu einer Reduktion der Neogefäße führen. Ebenfalls in therapeutischer Anwendung ist die gezielte Sklerosierung dieser Gefäße mit einem Verödungsmittel (Polidocanol). Diese Methode ist jedoch noch kein Standardverfahren.

Physiotherapeutische Maßnahmen wie Querfriktion, Training auf dem Wackelbrett, Trampolinspringen und Kreisel bzw. der Einsatz von Thera-Band®, Zugapparat und Flossing sind angezeigt. Die neuraltherapeutische Behandlung durch lokale Infiltrationen (Lokalanästhetika) erfolgt strikt paratendinös. Eine lokale Infiltration mit Glukokortikoiden in und um das Sehnengewebe führt zu einer Störung des Tenozytenstoffwechsels mit erhöhter Rupturgefahr und ist daher abzulehnen (Wong et al. 2005; Coombes et al. 2010). Spezielle Schienen und auch Tape-Techniken helfen, die mechanische Beanspruchung zu vermindern.

Die Einnahme von Kieselsäurepräparaten unterstützt die Regeneration des Sehnengewebes. Nach Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmaßnahmen muss eine Operation (Sehnendebridement) in Erwägung gezogen werden.

Tipp

Der Sportler sollte schmerzhafte Situationen vermeiden und sein Training anpassen bzw. unterbrechen. Als Alternativtraining bieten sich Radfahren und Aqua-Jogging an.

Weitere Hinweise und das Literaturverzeichnis finden Sie in: Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

author: GRR