Die 4x100-Meter-Staffel feiert die Goldmedaille ©Ralf Kuckuck
Paralympics Rio 2016 – Deutsche 4×100-Meter-Staffel ist Paralympics-Sieger – Irmgard Bensusan gewinnt Silber über 400 Meter
Die deutsche 4×100-Meter-Staffel der Klasse T42-47 hat Gold bei den Paralympics im brasilianischen Rio de Janeiro gewonnen. Markus Rehm, David Behre, Felix Streng und Johannes Floors sprinteten in paralympischem Rekord von 40,82 Sekunden ins Ziel und hielten dem großen Druck stand, den sie sich selbst gemacht hatten.
Silber ging in 42,04 Sekunden an Gastgeber Brasilien, Bronze an Japan in 44,16 Sekunden.
Die USA mit Jerome Singleton, Jarryd Wallace, Jaquvis Hart und Hunter Woodhall überquerten die Ziellinie als Erstes mit Weltrekord, wurden aber nachträglich wegen eines Wechselfehlers von Wallace auf Hart disqualifiziert.
Behre sagte: „Das sind heiße Wechsel, da kann sowas passieren. Wir trainieren das jeden Dienstag in Leverkusen zusammen, weil unser Trainer Karl-Heinz Düe da voll auf die deutschen Tugenden setzt, alles richtig zu machen. Er ist ein alter Fuchs, er wusste, dass wir es über die Wechsel schaffen können.“
Streng, der die zwei Tage davor noch erkältet das Bett gehütet hatte, fügte hinzu: „Die Amerikaner kamen danach trotzdem und haben uns gratuliert, das war eine große Geste. Wir haben auch großen Respekt vor ihnen und freuen uns auf die nächsten Rennen gegen sie.“
Startläufer Markus Rehm kam gut aus dem Block und übergab den Stab sauber an David Behre, der auf der Gegengerade Druck machte. 100-Meter-Bronzegewinner Felix Streng, der als einziger bei diesen Spielen bereits eine Medaille geholt hatte, kam gut durch die Kurve und lag sogar in Führung, drückte Johannes Floors den Staffelstab in die Hand und pushte ihn auf die Zielgerade. Floors sprintete hinter Woodhall über die Ziellinie, doch nach der Ehrenrunde erfuhr auch die deutsche Weltmeisterstaffel von 2015 von ihrem Paralympics-Sieg. Rehm sagte: „Ich war schon mit Silber zufrieden, weil wir Europarekord gerannt sind. Aber draußen sind alle ausgerastet – und als es dann Gold wurde, war es einfach nur krass.“
Ganz starke Geste: Weil Streng gesundheitlich schon angeschlagen war und Floors sich beim Jubeln verletzt hatte, verzichteten alle vier darauf, zur Feier des Tages ins Deutsche Haus zu gehen. Rehm sagte: „Entweder wir feiern dort als Kollektiv oder eben nur im kleinen Rahmen bei uns im Dorf.“
Behre holt Bronze, Floors mit Bestzeit über 200 Meter – Staffelgold beflügelt die deutschen Sprinter
David Behre und Johannes Floors haben exakt eine Stunde und 51 Minuten nach dem Gewinn der Goldmedaille mit der 4×100-Meter-Staffel die blaue Bahn im Olympiastadion von Rio de Janeiro (Brasilien) erneut gerockt: Behre rannte in Europarekord von 21,41 Sekunden zu Bronze, Johannes Floors in 21,81 Sekunden zu persönlicher Bestleistung.
Für Behre war es die erste Einzelmedaille bei Paralympics. „Das ist etwas ganz Besonderes – und dann auch noch direkt nach dem Staffelgold“, sagte Behre, der die Goldmedaille bei der abschließenden Siegerehrung für die 200 Meter einfach in die Hosentasche steckte. Der gebürtige Duisburger, der für den TSV Bayer 04 Leverkusen startet und am Dienstag Geburtstag feiert, sagte lachend: „Nach deutscher Zeit habe ich die Bronzemedaille ja schon mit 30 Jahren geholt.“
Paralympics-Sieger wurde Liam Malone aus Neuseeland, Zweiter Hunter Woodhall aus den USA. Behre freut sich schon auf das nächste Duell mit den beiden: „Jetzt kommt in zwei Tagen der 400er, da geht’s noch mal richtig ab. Ich glaube das wird ein ganz, ganz schnelles Rennen, die Jungs sind alle so schnell, das macht einfach nur Spaß.“
Unsicher ist, ob dann auch Johannes Floors dabei sein wird. Der 21-Jährige verletzte sich beim Goldjubel mit der Staffel am Knie, schrie plötzlich auf und musste im Rollstuhl in die Katakomben geschoben werden. Dort behandelten ihn Physiotherapeut Ulrich Niepoth und Mannschaftsarzt Rolf Kaiser. Über 200 Meter stand er dann plötzlich wieder auf der Bahn – und sprintete zu neuer persönlicher Bestleistung: „Ich als Athlet durfte selbst entscheiden, ob ich starte – und ich bin alt genug, zu wissen, ob das geht oder nicht. Ich will gar nicht darüber nachdenken, was möglich gewesen wäre ohne den Zwischenfall. Aber eigentlich bin ich einfach nur froh über Staffelgold und meine Bestzeit.“
Auf der Zielgerade preschte Floors noch an Behre heran, konnte ihn aber nicht überholen. Behre musste aber auch die Leistung des jüngeren Floors anerkennen: „Das ist schon gut, wenn man so Druck von den Jungs bekommt, wenn man national so starke Konkurrenz hat. Wenn man dann abtritt, kommen Top-Jungs nach.“
Irmgard Bensusan gewinnt Silber über 400 Meter – 25-Jährige läuft erstmals unter einer Minute
Irmgard Bensusan hat im 400-Meter-Rennen der Klasse T44 Silber gewonnen und damit ihre erste Paralympics-Medaille geholt.
Die gebürtige Südafrikanerin, die erst seit zwei Jahren für Deutschland startet und beim TSV Bayer 04 Leverkusen unter Karl-Heinz Düe trainiert, rannte nach 59,62 Sekunden ins Ziel und musste sich nur der Französin Marie-Amelie Le Fur geschlagen geben, die in 59,27 Sekunden Weltrekord lief. Besonders bemerkenswert ist diese Leistung, weil Bensusans Bestzeit zuvor bei 1:01,00 Minuten lag. „Silber ist nicht Gold, aber als ich die Zeit gesehen habe, war ich einfach nur total glücklich.“
Für die 25-Jährige, die in diesem Jahr bereits Europameisterin im italienischen Grosseto über 100 und 200 Meter geworden war, ist es der größte Erfolg der Karriere – und es soll noch nicht die letzte Medaille gewesen sein: Am Mittwochabend stehen die Vorläufe über 200 Meter an, am Donnerstag möglicherweise das Finale. Am Samstag will sie auch über die 100 Meter erfolgreich sein.
Wie schon vor dem 400-Meter-Rennen macht Bensusan um ihre Ziele aber ein Geheimnis. Nur eins ist sicher: Nach den Spielen wird sie nach einem Kurzurlaub in Südafrika wieder nach Leverkusen zurückkehren. Denn aus dem Projekt Paralympics 2016 ist mittlerweile mehr geworden, sodass sie auch weiterhin in Deutschland trainieren wird.
Schon vor den Paralympics hatte sie gesagt: „Ich bin sehr dankbar, für Deutschland starten zu dürfen. Mein Herz schlägt mittlerweile auch für Deutschland.“
Müller-Rottgardt und Tinnemeier verfehlen das Podest – Vierte und fünfte Plätze für deutsche Leichtathletik
Frank Tinnemeier hat bei den Paralympics im brasilianischen Rio de Janeiro im Kugelstoßen der Klasse F42 die angestrebte Medaille mit Rang fünf verpasst. Nach 13,44 Metern im letzten Versuch fehlten ihm 47 Zentimeter zu Bronze. Gold holte der Brite Aled Davies.
Der letzte Stoß war gleichzeitig der erste über 13 Meter – dabei hält Tinnemeier den Deutschen Rekord mit 14,33 Metern, was für Bronze gereicht hätte. „Ich habe überhaupt nicht reingefunden in den Wettkampf. Ich weiß auch nicht“, sagte er danach ratlos und sein Trainer Alexander Holstein ergänzte enttäuscht: „Er war in der Form seines Lebens.“
Für den 44-jährigen Tinnemeier, der für den TSV Hillentrup startet, geht damit das Paralympics-Dilemma weiter: Während er bei den Weltmeisterschaften 2011 (Platz fünf), 2013 (Silber) und 2015 (Bronze) starke Ergebnisse erzielte, wurde es bei den Paralympics nach Rang 13 in Peking 2008 und Platz 10 in London 2012 auch im dritten Anlauf nichts mit der Medaille. Trotzdem blickte er nach vorne: „Im Vergleich zu den letzten Paralympics war heute ja fast schon gut, aber trotzdem hatte ich mir mehr vorgenommen. Die WM in London im nächsten Jahr mache ich auf jeden Fall noch, Weltmeisterschaften scheinen mir ja zu liegen. Aber bis Tokio 2020 denke ich noch nicht.“
Nach Bronze über 100 Meter hat Katrin Müller-Rottgardt mit ihrem Guide Sebastian Fricke über die 200 Meter der Klasse T12 Rang vier belegt.
Die 34-Jährige, die für den TV Wattenscheid startet und von Simone Lüth trainiert wird, sprintete in 24,71 Sekunden ins Ziel, nachdem sie im Vorlauf auch schon mit der viertschnellsten Zeit ins Finale eingezogen war.
Über die Tatsache, dass sie zum zweiten Mal von der ungeliebten Innenbahn laufen mussten, zeigte sich Sebastian Fricke verärgert: „Bahn eins geht gar nicht klar, da bleibt Zeit liegen.“
Gold ging an die Kubanerin Omara Durand und Yuniol Kindelan in 23,05 Sekunden mit paralympischem Rekord, Silber an die Ukrainerin Oksana Boturchuk mit Volodymyr Burakov in 23,65 Sekunden, Bronze an Elena Chebanu und Hakim Ibrahimov aus Aserbaidschan in 23,80 Sekunden. Fricke konnte das neidlos anerkennen: „Wenn man sich die Zeiten anschaut, ist das nur fair, dass die die Medaillen gewonnen haben, wir waren ja fast eine Sekunde langsamer und hätten vielleicht eine 24 klein laufen können.“
Claudia Nicoleitzik hat in der Klasse T36 mit der drittschnellsten Zeit über 200 Meter das Finale morgen um 10.48 Uhr (Rio-Zeit) erreicht. Sie überquerte nach 31,18 Sekunden die Ziellinie und könnte nach ihrer Silbermedaille über 100 Meter wie in Peking und London auch jetzt wieder zwei Medaillen gewinnen.
Maike Hausberger und Isabelle Foerder verpassten über die 400 Meter der T37 den Einzug ins Finale: Hausberger wurde Neunte in 1:12,22 Minuten, Foerder Zehnte in 1:16,25 Minuten.
Dennis Rill wurde über 100 Meter der Klasse T38 ebenfalls Zehnter in 12,03 Sekunden und schaffte es nicht in den Endlauf.
Quelle:
Die Newsletter-Ausgabe "Paralympische Momente 6" aus dem Deutschen Haus in Rio de Janeiro steht unter https://www.deutsche-paralympische-mannschaft.de/de/events/rio-2016.html zur Ansicht bereit.