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09
05
2008

Nach dem PR-Debakel auf den internationalen Stationen, als Pro-Tibet-Demonstranten die Route immer wieder stören konnten, hatte sich die Symbolik des chinesisch-tibetischen Gipfelsturms auf den Mount Everest noch verstärkt.

Olympisches Feuer – Berg der Erwartungen – Die olympische Flamme wurde in der Nacht zu Donnerstag auf den Mount Everest gebracht. Welche Symbolik verbinden die Chinesen mit diesem Ereignis? Benedikt Voigt im Tagesspiegel

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Am Schluss gab es noch einen kurzen Fackellauf in 8840 Metern Höhe. Knapp unterhalb des Gipfels des Mount Everest nahm der Tibeter Norbu Zhamdu die olympische Flamme aus einem Spezialbehälter, der an einen Rucksack geschnallt war, und entzündete die erste Fackel. Fünf Fackelträger kämpften sich anschließend an einem Seil gesichert die letzten Meter durch den Schnee zum höchsten Berg der Welt vor.

Bei Temperaturen von minus 30 Grad und eiskaltem, stürmischen Wind kostete jeder Schritt größte Mühe. Als die Tibeterin Cering Wangmo um 9 Uhr 18 Ortszeit den Gipfel erreichte, brach dort Jubel aus. Ein olympischer Bergsteiger sagte den Slogan der Olympischen Spiele 2008 auf: „One World, one Dream“. Andere riefen: „Lang lebe Peking, lang lebe Tibet.“

Das sind die Bilder vom Fackellauf, auf die Pekings Olympiaorganisatoren immer gehofft hatten. Die Ankunft der olympischen Flamme auf dem Mount Everest sendete spektakuläre Livebilder in die chinesischen Wohnzimmer und weckte zumindest in China Erinnerungen an die Mondlandung. In den Einkaufsstraßen blieben Menschen vor Großbildschirmen stehen, im Basiscamp auf 5300 Metern Höhe fielen sich die Verantwortlichen in die Arme, jubelten und sangen mehrfach die chinesische Nationalhymne.

Nach dem PR-Debakel auf den internationalen Stationen, als Pro-Tibet-Demonstranten die Route immer wieder stören konnten, hatte sich die Symbolik des chinesisch-tibetischen Gipfelsturms auf den Mount Everest noch verstärkt.

„Es steckt eine große Werbewirkung in der Zusammenarbeit von Han-Chinesen und Tibetern beim Erklimmen des Mount Everest, es ist ein Zeichen von Solidarität, Kooperation, Freundschaft und so weiter“, sagte Joseph Cheng, Professor für politische Wissenschaften an der City University in Hongkong. „Natürlich symbolisiert es auch Chinas Kontrolle über Tibet, und dass Tibet ein Teil Chinas ist.“ Exiltibetische Gruppen kritisierten den Aufstieg. „Es ist ein instinktloser Versuch Chinas, den grundlosen Anspruch der Herrschaft über Tibet zu legitimieren“, hieß es dort.

Gestern gehörten 22 Tibeter der Gruppe an, die sich an den Aufstieg gemacht hatte, hinzu kamen acht Han-Chinesen und ein Angehöriger der Tujia-Minderheit. Auf dem letzten Abschnitt des Fackellaufs hatten die Bergsteiger bunte tibetische Gebetsfahnen in den Schnee gesteckt. „Peking heißt dich willkommen“, riefen sie auf dem Gipfel in die Kamera. Und auf Tibetisch: Tashi delek – Möge alles gut werden.

Die chinesischen Behörden hatten strengste Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Seit Anfang März herrschte in Tibet und Nepal Aufstiegsverbot für den Mount Everest. Ende April wies Nepal einen amerikanischen Bergsteiger aus und belegte ihn mit einem Einreiseverbot für zwei Jahre, weil er eine tibetische Flagge im Rucksack trug. Bis zuletzt herrschte strikte Geheimhaltung über den Zeitpunkt des finalen Aufstiegs, erst einige Stunden vor dem Aufbruch um 1 Uhr 30 wurde er angekündigt.

Der Chef des Basiscamps, Li Zhixin, entschuldigte sich bei einer Gruppe von Journalisten, die seit über einer Woche auf 5300 Meter Höhe ausgeharrt hatten – und trotzdem nur wenige Informationen erhalten hatten. „Wir hatten wegen der Störungen von außen keine andere Wahl“, sagte er, „es sind immer noch Leute da draußen, die diesen Event behindern wollen, unsere Bergsteiger haben ihre Spuren und ihre Lichter gesehen“.

Am Ende hatte China seinen Erfolg. „Wir haben ein Versprechen gegenüber der Welt eingelöst und China einen Traum erfüllt“, sagte Li Zhixin. Aber auch Chinakritiker könnten Symbolik im gestrigen Aufstieg finden. Als die Bergsteiger auf dem Gipfel die Flaggen Chinas, der Olympischen Spiele und der Spiele von Peking in die Kamera hielten, waren sie nur unscharf zu erkennen. Eine dichte Wolke umhüllte alles, der Wind blies ins Gesicht.

Benedikt Voigt im Tagesspiegel vom Freitagdem 09.05.2008

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