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20
07
2008

In Peking startet am Sonntag die olympische Zeitrechnung. Vom 20. Juli bis zum 20. September tritt in der Olympiastadt ein rigoroses Fahrverbot in Kraft. Autos, deren Nummernschilder mit einer geraden Nummer enden, dürfen an geraden Tagen fahren – und umgekehrt.

Olympische Spiele – Es liegt was in der Luft – Peking ist eine der am meisten verschmutzten Städte der Welt. In drei Wochen beginnen dort die Olympischen Spiele. Wegen der schlechten Luft stehen manche Wettbewerbe auf der Kippe. Wie erträglich werden die Spiele sein? – Benedikt Voigt, Peking. im Tagesspiegel

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Die Olympischen Spiele beginnen für David Duan schon am Dienstag. „Ich werde mich ab acht Uhr auf die Straße stellen und warten“, sagt der IT-Manager, „wahrscheinlich eine ganze Weile“. Normalerweise fährt er mit seinem Auto in 20 Minuten zur Arbeit in den Central Business District von Peking. Ab Dienstag aber wird er wohl an jedem zweiten Tag deutlich länger brauchen.

Dann muss David Duan mit zehntausenden anderen Menschen um eines von 66 000 Taxis kämpfen.

In Peking startet am Sonntag die olympische Zeitrechnung. Vom 20. Juli bis zum 20. September tritt in der Olympiastadt ein rigoroses Fahrverbot in Kraft. Autos, deren Nummernschilder mit einer geraden Nummer enden, dürfen an geraden Tagen fahren – und umgekehrt. Das betrifft jeden Tag rund eine Million der insgesamt 3,29 Millionen registrierten Fahrzeuge. Wer es sich leisten kann, hat sich zwei Autos zugelegt, mit je einer geraden und ungeraden Nummer. In vielen Firmen haben sich Fahrgemeinschaften gebildet. Die Pekinger U-Bahnbehörde erwartet bis zu vier Millionen neue Passagiere. „Es wird sehr voll werden“, sagt David Duan, „aber für die Olympischen Spiele müssen wir das in Kauf nehmen“.

Die Fahrverbote sind das vorletzte Mittel der Behörden, um bei den Olympischen Spiele (8. bis 24. August) die notorisch schlechte Luft in Peking zu verbessern und die täglichen Verkehrsstaus aufzulösen. Das letzte Mittel bei anhaltend schlechter Luft während der Spiele wären akute Maßnahmen wie weitere Fabrikschließungen und Produktionsdrosselungen. Du Shaozhong, der Vizepräsident der Pekinger Umweltschutzbehörde, glaubt aber, dass es nicht dazu kommen wird.„Die aktuellen Maßnahmen helfen, 63 Prozent der von Autos verursachten Schadstoffe zu reduzieren“, sagt er.

Tatsächlich hat sich die Luftqualität im Juli verbessert. An den ersten 15 Tagen maß die Umweltschutzbehörde einen durchschnittlichen Luftverschmutzungsindex (API) von 73. Er liegt damit deutlich unter dem kritischen Wert von 100 API. Fraglich ist jedoch, ob die Verbesserung tatsächlich auf die zahlreichen Schließungen, Produktionsdrosselungen oder Umrüstungen von umweltverschmutzenden Fabriken in Peking und den angrenzenden Provinzen zurückzuführen ist – oder nicht doch auch auf Regen und Wind, die die chinesische Hauptstadt seit Juni in ungewöhnlicher Stärke heimgesucht haben.

Das Vorgehen der Pekinger Umweltschutzbehörde ist ohnehin umstritten. Sie soll im Dezember vier Messstationen aus dem verkehrsreichen Innenbereich in ruhigere Außenbezirke verlegt haben. Reporter der „BBC“ und „The Times“ nahmen inzwischen eigene Messungen vor, mit deutlich höheren Ergebnissen. Und auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird unter der Führung von Arnd Ljungqvist, dem Leiter der Medizinischen Kommission, ein eigenes Expertengremium einsetzen. Was schon jetzt einen möglichen Streitpunkt zwischen dem IOC und der Pekinger Organisationskomitee Bocog aufscheinen lässt: Wer entscheidet aufgrund welcher Werte, ob ein Ausdauerwettbewerb bei den Spielen wegen Gesundheitsgefährdung der Athleten verlegt werden muss?

Das IOC hat erklärt, eventuell Wettbewerbe, die über eine Stunde in der freien Luft ausgeübt werden, bei schlechten Luftbedingungen zu verlegen. Es könnte Straßenradsportler, Marathonläufer, Geher, Mountainbiker oder Langstreckenschwimmer betreffen. „Es ändert sich nichts daran, dass wir feststellen werden, ob ein Ausdauerwettbewerb verschoben werden muss“, sagte Giselle Davis, IOC-Sprecherin, der „South China Morning Post“. Andere IOC-Mitglieder betonen, dass es eine gemeinsame Entscheidung geben werde. Bocog wird wohl viel daransetzen, eine Verschiebung zu verhindern, denn diese wäre ein herber Gesichtsverlust. Die chinesische Regierung gab in den vergangenen sieben Jahren zahlreiche Millionen Euro für Luftverbesserungsmaßnahmen aus.

Dann es besser gar nicht erst so weit kommen lassen. Die Regierung trägt einen Teil zur Luftverbesserung bei und nimmt 70 Prozent ihrer Fahrzeuge von der Straße. Olympische Fahrzeuge hingegen, die ab Sonntag eine eigene Spur benutzen dürfen, sowie Polizei, Taxis und Transportfahrzeuge für Lebensmittel erhalten Ausnahmegenehmigungen.

Damit die Bevölkerung auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen kann, hat die Stadt das U-Bahnnetz für 2,23 Milliarden Euro um 58 Kilometer auf 200 Kilometer erweitert. Allerdings konnte oder wollte der stellvertretende Direktor der Pekinger Kommunikationsbehörde nicht exakt sagen, an welchem Tag die drei neuen U-Bahnlinien eröffnet werden. „Glauben Sie mir, die Frage ist nicht nur für die Reporter interessant, sondern auch für uns“, sagte Zhou Zengyu, „es kann an jedem der nächsten Tage passieren“. Bis Sonntag aber, so versicherte er, sollen die neue Flughafenlinie, die Linie Nummer 10 und die Linie zu den Olympischen Stätten eröffnet worden sein. Die vier Stationen der Olympialinie werden während der Spiele allein den Besuchern mit Tickets, Athleten, Journalisten oder Offiziellen mit Akkreditierungen vorbehalten bleiben. „Es wird Sicherheitschecks am Eingang geben“, sagte Zhou Zhengyu.

Zuletzt hat die Stadtregierung sogar die staatseigenen Unternehmen aufgefordert, ab dem 20. Juli erst ab neun Uhr die Arbeit aufzunehmen, eine Stunde später als sonst. Das solle Staus verhindern.

Oder, falls möglich, solle gleich von zu Hause aus gearbeitet werden.

Benedikt Voigt, Peking. im Tagesspiegel, Sonnabend, dem 19. Juli 2008

 

 

 

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