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2012 Rome Diamond League Rome, Italy May 31, 2012 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Olympia-Kommentar – Selbst Rourke ist schneller – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

26.07.2012 ·  Spintstar Usain Bolt bringt sich für Olympia in Form – verbal. Er wolle nicht weniger als „eine Legende“ werden. Eine gewagte Ansage, erwies er sich in dieser Saison schließlich als besiegbar. Er hat bewusst damit begonnen, den Einsatz zu erhöhen.

In Birmingham stehen Schaulustige vor dem Universitätsstadion und schimpfen. Wachmänner hindern sie daran, Fotos zu machen und durch die Hecke zu lugen. Denn dahinter bereiten sich die Superstars der Leichtathletik auf ihren Auftritt in London vor: die Jamaikaner. Der größte der Superstars: Usain Bolt. Er reckt sich jetzt, lange vor der Eröffnungsfeier, zur Übergröße. Wie in Peking will er drei Goldmedaillen gewinnen, über 100 Meter, über 200 Meter und mit der Sprintstaffel, so wie es ihm vor vier Jahren zur Verblüffung und, ja doch: zur Begeisterung von Milliarden Fernsehzuschauern gelang.
 
Bolt hält nicht hinterm Berg, besser: hinterm Busch. Er wolle eine Legende werden, tönte er vor Journalisten, die es hinter die Hecke geschafft hatten. Am Sonntag in einer Woche, im Finale des Sprints, werde der Moment sein, werde das Jahr gekrönt, in dem er den Unterschied zu anderen Athleten auf der Welt mache. „Viele Legenden sind vor mir gekommen, viele Leute. Aber jetzt ist meine Zeit.“

 

„Jetzt ist meine Zeit“

Dieses Mantra wiederholt er seit Jahren, doch Schlagzeilen macht er erst wieder, seit er sich als besiegbar erwiesen hat. Bei den jamaikanischen Trials verlor Bolt innerhalb von drei Tagen die beiden Rennen über 100 und 200 Meter gegen seinen jüngeren Trainingspartner Yohan Blake. Der sprang schon im vergangenen Jahr ein, als Bolt wegen Fehlstarts bei der Vergabe des WM-Titels verhindert war.

Seine europäische Tour begann Bolt in diesem Jahr mit einem Lauf von 10,04 Sekunden in Ostrava, seiner schlechtesten Zeit seit Jahren. Mit 9,76 Sekunden ist er die Nummer zwei in der Jahresbestenliste – eine Hundertstelsekunde hinter Blake. Gerüchte von Rückenproblemen und Oberschenkelschmerzen verfolgen den Meister. Von seinen sagenhaften Weltrekorden, 9,58 und 19,19 Sekunden, scheint er weit entfernt.
 

Steil nach oben: Doch der Jamaikaner muss in der aktuellen Saison auch Rückschläge einstecken

Doch wenn er die Schlagzeilen nicht selbst liefert, machen andere sie – mit seinem Namen. Hat Mickey Rourke eigentlich gerade irgendwelche Schwierigkeiten? Der Schauspieler erinnert sich jedenfalls gerade jetzt daran, wie auch er vor einiger Zeit Bolt im Sprint besiegte. Dreißig Meter seien sie beide gerannt, auf dem Bürgersteig vor dem exklusiven Wellington Club in Knightsbridge, genannt „The Welly“, um vier Uhr morgens.

Von den vier Schritten Vorsprung, die Bolt ihm gewährte, behauptet der 59 Jahre alte Rourke, habe er einige Zentimeter ins Ziel gerettet. Gefeiert wurde das nicht.

Bolt stachelt sich an

Als Rourke zurück in den Club wollte, in dem es immerhin den Rourke Room mit Bildern von Damian Hirst gibt, wurde er abgewiesen. War wohl doch ein bisschen viel Tequila gewesen, vorher. Rourke schwärmt von der Nacht; sieben Millionen andere geben sich damit zufrieden, auf Facebook als Freunde Bolts gelten zu dürfen.

Doch Bolt haut nicht auf die Pauke, um in erster Linie Schlagzeilen zu machen. Er erhöht den Einsatz, um den es im Sprintfinale gehen wird, er stachelt sich an, er macht sich hellwach. Das, seien wir ehrlich, würde bei keinem anderen Sprinter auf der Welt Aufmerksamkeit erregen.

Das würde sich aber auch kein anderer trauen.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 26. Juli 2012

author: GRR

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