Die Biathleten haben es gut, dass sie gleich mehrere Chancen auf eine Medaille haben, weil es so viele Wettbewerbe gibt.
Olympia einmal anders – Training mit dem Vorschlaghammer – Coolere Kleidung, beruhigende Landschaften, knallhartes Eis: Was erfolgreiche Sommersportler an Winterspielen fasziniert – Marlen Keß und Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Imke Duplitzer (Weltmeisterschaftszweite im Fechten): "Meine offizielle Wintersportart ist Extremausdauercouching, meine inoffizielle Skifahren. Wir sollten ja eigentlich nicht Ski fahren, wegen der hohen Verletzungsgefahr, ich mache es trotzdem. Im Fernsehen habe ich mir schon immer gerne Skispringen angeguckt, vor allem das Neujahrsspringen.
Mit den ganzen Landschaftsbildern dazu finde ich das unglaublich beruhigend. Bei mir in der Sportfördergruppe der Bundeswehr sind einige Eistänzer, mit einem bin ich auch mal aufs Eis gegangen, und ich hätte nicht gedacht, dass das Eis sich hart anfühlt, wenn man hinknallt. Bei diesen Winterspielen werde ich mir vor allem das Duell Lindsey Vonn gegen Maria Riesch anschauen. Das hat mich irgendwie angesteckt. Mal sehen, wer gewinnt – wenn sie überhaupt runterfahren."
Ronald Rauhe (Olympiasieger Kanu): "Wenn ich nicht gerade Klausuren schreiben müsste, wäre ich nach Vancouver gefahren. Einmal Olympische Spiele ohne eigenen Stress erleben. So schaue ich mir alles im Fernsehen an, wenn es nicht gerade Curling ist. Ich bin wohl auch der Einzige aus der Kanu-Nationalmannschaft, der in Deutschland geblieben ist, alle anderen trainieren irgendwo in der Sonne."
Thomas Lurz (Weltmeister Langstreckenschwimmen): "Ob Fernsehen, Zeitung oder Internet – ich versuche mich immer über die Winterspiele auf dem Laufenden zu halten, wenn ich vom Training komme. Ich schaue mir auch deshalb gerne alles an, weil die Spiele im Winter schon anders sind als die im Sommer. Es gibt weniger Teilnehmer und völlig andere Sportarten und Möglichkeiten. Ich sehe die Wettkämpfe sicherlich anders als Zuschauer, die keinen Leistungssport machen: Ob das jetzt 10 Kilometer Schwimmen oder 10 Kilometer Biathlon sind – man kann immer von anderen Athleten lernen."
André Niklaus (Hallenweltmeister im Siebenkampf): "Vom Wintersport halte ich eine Menge, ich habe auch Wintersportler in meinem Freundeskreis. Weit nach null Uhr schaue ich mir die Winterspiele allerdings nicht an, da ist das eigene Training wichtiger. Ich freue mich über alle Sportarten, auch wenn ich beim Snowboarden noch nicht weiß, ob da der olympische Gedanke so ausgeprägt ist. Bei den letzten Winterspielen in Turin habe ich eine Japanerin am Start gesehen, die erst einmal geschrien und sich dann die Kopfhörer ihres iPod reingeknallt hat.
Da kommt man sich als Athlet, der sechs Mal in der Woche trainiert, etwas komisch vor. Die Biathleten haben es gut, dass sie gleich mehrere Chancen auf eine Medaille haben, weil es so viele Wettbewerbe gibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weitspringer die 110-Meter-Hürden gewinnt, ist eher gering. Am Olympiastützpunkt Berlin bekomme ich immer wieder mit, wie die Wintersportler trainieren. Und spannend ist, was die Eishockeyspieler so an Übungen aus Amerika mitbringen. Die hauen schon mal mit dem Vorschlaghammer auf Gummireifen."
Ole Bischof (Olympiasieger Judo): "Am meisten interessieren mich bei den Winterspielen die Sportler, die ich bei Veranstaltungen persönlich kennen gelernt habe. Dazu zählen die Biathleten Kati Wilhelm und Michael Greis. Denen drücke ich dann besonders die Daumen. Begeistert bin ich vom Eishockey, weil es da richtig zur Sache geht. Was Winterspiele und Sommerspiele außer der Kälte unterscheidet? Dass es bei Winterspielen wie gerade in Vancouver mehrere olympische Dörfer gibt, wegen der Entfernungen der Austragungsorte. Da hatten wir es in Peking vor zwei Jahren besser: Wir waren bis auf die Reiter alle zusammen in einem Dorf."
Jan Frodeno (Olympiasieger Triathlon): "In Südafrika, wo ich gerade trainiere, wird über die Winterspiele in Vancouver leider mit äußerst wenig Enthusiasmus berichtet. Da musste ich schon den einen oder anderen Urschrei der Verzweiflung loslassen. Als im vergangenen Jahr der Sommerbiathlon in Völklingen stattfand, bin ich mit Kati Wilhelm und Michael Greis mal nach ihrem Wettkampf Pizza essen gegangen, weil ich in der Nähe wohne. Das sind ja genauso Trainingstiere wie wir Triathleten. Auch bei den Biathleten ist der Tag schnell mit Training voll. Eines ist bei den Winterolympioniken aber anders: Sie werden einfach cooler eingekleidet."
Aufgezeichnet von Marlen Keß und Friedhard Teuffel. Der Tagesspiegel, Dienstag, dem 16. Februar 2010