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Olympia-Bewerbung – Eine Geschichte aus zwei Städten – Michael Reinsch, Berlin, und Frank Heike, Hamburg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die Strahlkraft der Metropole und die tiefe Verwurzelung des Sports in Stadt und Land sollen die Pole einer Berliner Olympiabewerbung für 2024 oder 2028 werden. Als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Montag auf einer Pressekonferenz die Antworten auf 13 Fragen des Deutschen Olympischen Sportbundes unter dem Slogan „Die ganze Welt in unserer Stadt“ vorstellte, fasste er sie so zusammen: „Berlin kann Olympia.“
Mit der Nutzung des modernisierten Olympiastadions von 1936 und dem Olympiapark drum herum, mit einer Vielzahl von Anlagen wie dem Sportforum, das einst der Sportclub Dynamo Ost-Berlin gründete und das heute den Olympiastützpunkt Berlin beherbergt, plant die Stadt nachhaltige, auf die Innenstadt konzentrierte Spiele.
Das Votum der Bürger entscheidet
Das Athletendorf, mindestens 5000 Wohnungen groß, soll auf dem Geländes des Flughafens Tegel entstehen und privatisiert werden. „Wir wollen keine Spirale von gigantischen Spielen und gigantischen Kosten“, sagte Wowereit. „Olympische Spiele müssen zur Stadt passen.“
Da die Verkehrsinfrastruktur existiere, sei mit geringeren Olympiakosten als in der jüngsten Vergangenheit zu rechnen; Berlin kommt auf 2 Milliarden Euro plus Bewerbungskosten von etwa fünfzig Millionen; Kosten für Sicherheit und für den Betrieb der Spiele gehen extra.
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Nur mit einem klaren Votum der Bürger werde Berlin sich bewerben, versprach Wowereit. Zwar will er im Dezember zurücktreten, doch eine Bürgerbefragung 2015 werde kommen. „Olympische Spiele auszurichten, ist eine Anstrengung“, sagte er. „Aber das ist zu verantworten, es ist zu stemmen, und es wäre gut investiertes Geld.“
Plan: Olympischer Campus auf dem Tempelhofer Feld
Berlin wolle für eine Rückbesinnung auf die Olympischen Werte stehen, für Völkerverständigung, den Wettkampf der Athleten, Transparenz und Beteiligung, Inklusion und Klimaschutz. Den Olympischen Spielen sollen ein internationales Jugendsportfest vorausgehen und nach Vorstellung von Innensenator Frank Henkel auch die Paralympischen Spiele, die üblicherweise folgen.
Das Tempelhofer Feld könnte zu einem Olympischen Campus werden, auf dem Übertragungen der Wettbewerbe zu sehen sind und Sport für alle getrieben wird. Schulen sollen für die Modernisierung ihrer Sportanlagen Patenschaften übernehmen, Tausende Besucher sollen in Gastfamilien untergebracht werden.
Wowereit hält sich für den richtigen Mann
Wowereit warnte vor der Vorstellung, dass Berlin den Reformprozess des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit einem innovativen Konzept beschleunigen könnte. „Wir können Vorschläge machen und Impulse geben“, sagte er. „Das IOC muss selbst die Kraft haben, für Reformen zu sorgen und für ein gewisses Maß an Transparenz.“ Gleichwohl versteht er die Demokratisierung Olympias auch als Bringschuld.
Wenn man nicht wolle, dass Olympische Spiele immer in autoritären Staaten stattfinden, sagte er, müsse man sich bewerben. Die durch Berlin geisternde Vorstellung, er strebe die Führung der Bewerbung an, beförderte Wowereit mit dem Hinweis auf seine Erfahrung – seine erste Rede im Abgeordnetenhaus hielt er 1995 über die Kosten der gescheiterten Olympiabewerbung 2000 – und mit der Forderung, die Bewerbung müsse sehr, sehr klug vorbereitet und positioniert werden.
Wowereit hält sich für den richtigen Mann. Auf den Vorhalt des gescheiterten Baus des Flughafens BER, bei dem er dem Aufsichtsrat vorsitzt, erwiderte Wowereit, dass Olympia in Berlin kein Bauvorhaben sei.
Kurze Wege in der Hansestadt
Papier ist bekanntlich geduldig, aber das, was die Wände des großen Saales im Hamburger Rathaus zierte, lieferte einen Vorgeschmack auf Olympische Spiele und Paralympics in der Hansestadt: Kurze Wege für Sportler und Zuschauer, nah am Wasser, fußläufig zum Hauptbahnhof und zur Innenstadt, Binnenalster, Michel, Reeperbahn um die Ecke – Hamburg will Olympische Spiele im Herzen der Stadt ausrichten. Dabei sind die vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Montag vorgestellten Lagepläne keine Neuheiten, denn Hamburgs abermalige Bewerbung fußt auf der erfolglosen Kür von 2003.
Dort, wo damals das Olympische Dorf und das Olympiastadion stehen sollten, befindet sich inzwischen das fast fertige Stadtviertel „Hafen City“. Hamburgs Olympiaplaner sind einfach einen Stadtteil südwärts gerückt und wollen die Elbinsel „Kleiner Grasbrook“ zur Heimat der Spiele 2024 oder 2028 werden lassen. Alle Wettkämpfe außer Handball, Fußball, Reiten und Segeln sollen in einem Ring von zehn Kilometern um die Hamburger Innenstadt ausgetragen werden.
Ein Sprung über die Elbe
Scholz sagte: „Es ist möglich, kompakte Spiele ohne Gigantismus mit sehr kurzen Entfernungen in der Stadt zu veranstalten.“ Dabei soll auf bereits bestehende Hallen, Stadien und Arenen wie Tennisstadion Rotherbaum, Reitstadion Groß Flottbek, Ruderstrecke Dove Elbe zurückgegriffen werden; lediglich fünf der 35 benötigten Stätten sind neu zu bauen.
Hierunter befindet sich allerdings teure Großbauten wie Olympiastadion, Olympiahalle (Turnen) und Schwimmstadion. Sie alle sollen auf dem Kleinen Grasbrook stehen. Der gesamte Sportstättenbau soll 2,17 Milliarden Euro kosten. Das Olympiastadion soll später von 70.000 auf 20.000 Plätze zurückgebaut werden und als Leichtathletikstadion dienen.
Vorgesehen ist in der „Olympic City“ am Grasbrook eine Nachnutzung als Wohnraum, für Hotels und Konzerte oder als Kreuzfahrtterminal. „Wir erhoffen uns von den Olympischen Spielen auch eine beschleunigte Stadtentwicklung“, sagte Scholz. Der „Sprung über die Elbe“, also die bessere Anbindung der benachteiligten Stadtteile im Süden wie Wihelmsburg und Veddel, könnte endlich gelingen.
Hamburger Referendum 2015
Die Hamburger sollen in einem Referendum im April 2015 darüber abstimmen, ob sie Spiele in ihrer Stadt wollen. „Ich glaube, dass es ein deutliches Votum für Olympia geben wird“, sagte Scholz. Hinter den Hamburger Plänen steht eine Arbeitsgruppe um den sportbegeisterten Innensenator Michael Neumann (SPD).
Er hatte schon vor drei Jahren mit seiner Dekadenstrategie „Hamburg macht Sport“ eine verlässliche, überparteiliche Orientierung geliefert, wie sich Hamburg als Breiten- und Spitzensportmetropole aufstellen kann.
Der Deutsche Olympische Sportbund will den Herbst nutzen, um die beiden Bewerber und ihre Bedingungen zu prüfen. Anfang kommenden Jahres dürfte feststehen, wer ins Rennen um Olympia geht – und ob es eine Bewerbung für 2024 oder 2028 geben soll.
Michael Reinsch, Berlin, und Frank Heike, Hamburg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 1. September 2014
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