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01
04
2008

Das Feuer, das in der chinesischen Parteiführung brennt, ist nicht das olympische, sondern das des Nationalismus.

Olympia 2008 – Parade des Protests – Friedhard Teuffel erklärt, wie sich der olympische Fackellauf verändert. Eine Botschaft von Frieden und Freundschaft“ – Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde in Peking die olympische Fackel auf die Reise geschickt. Benedikt Voigt im Tagesspiegel

By GRR 0

Von allen olympischen Symbolen ist der Fackellauf das sportlichste. Wenn die Flamme um die Welt läuft, begleiten sie Tausende von Menschen. Den Chinesen ist das jedoch nicht genug. Sie wollen mehr mit der olympischen Fackel ausdrücken und sie hinauf schicken bis zum Mount Everest. Sie möchten damit zeigen, dass dieser höchste Punkt der Welt ihnen gehört. Doch wer soll sie dahin begleiten?

Das Feuer, das in der chinesischen Parteiführung brennt, ist nicht das olympische, sondern das des Nationalismus. Der längste und beste Fackellauf ist ihnen gerade gut genug. Die Chinesen haben sich den Fackellauf als Propaganda- Parade ausgedacht. Doch er wird eine Parade des Protests. In jeder Stadt müssen die Chinesen nun damit rechnen, dass die Flamme auch Demonstranten anzieht. Allein für den Sonntag kündigt ein Netzwerk von Exil-Tibetern an, die Flamme in London mit 20 000 Menschen kritisch zu begrüßen. Die Chinesen haben daher aufgerufen, die Flamme vor Protestaktionen zu schützen. Polizeistaaten der Welt, vereinigt Euch!

Die Flamme hat eine neue Bedeutung bekommen. Überall wo sie hinkommt, bietet sie eine Bühne für politische Äußerungen. Auch das Internationale Olympische Komitee sollte mit diesem Feuer spielen: Falls die Chinesen weiter Gewalt ausüben, gegen Tibeter und gegen ihre eigene Bevölkerung, könnte das IOC die Flamme einfach löschen, schon beim Fackellauf oder später im Pekinger Stadion. Olympische Spiele ja, aber eben dunkler als sonst.

Friedhard Teuffel, Der Tagesspiegel vom 01.04.2008

Parade des Protestes – Benedikt Voigt

Es war gestern nicht einfach, zu den handverlesenen Offiziellen, Journalisten und Zuschauern auf dem Tiananmen-Platz in Peking zu zählen. Eine ältere Chinesin erzählt, wie es ihr gelungen ist. Sie trägt wie alle anderen Zuschauer ein rosafarbenes T-Shirt, schwenkt eifrig Fähnchen und Fächer und klatscht höflich nach jeder Rede. „Ich musste mich beim Olympia-Organisationskomitee bewerben“, sagt sie, „am Vorabend erst habe ich die Zusage erhalten.“ Am Morgen musste sie dann noch 45 Minuten anstehen, um durch die Sicherheitskontrollen auf den größten öffentlichen Platz der Welt zu gelangen.

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ist gestern die olympische Flamme auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking willkommen geheißen worden. Chinas Staatspräsident Hu Jintao erklärte am Ende einer einstündigen Zeremonie den Fackellauf der Olympischen Spiele 2008 für eröffnet und reichte die erste olympische Fackel auf chinesischem Boden an den Hürdenstar Liu Xiang weiter. Die Route wird die Flamme in 130 Tagen über 137 000 Kilometer durch alle fünf Kontinente und auf den Mount Everest führen. Mit Hilfe eines umgerüsteten Flugzeugs von Air China wird es der längste Fackellauf in der Geschichte der Olympischen Spiele werden.

Am Montag halfen großräumige Absperrungen, Sicherheitskräfte auf den Dächern und geschlossene U-Bahn-Stationen, Zwischenfälle zu vermeiden. Zusätzlich wurde das Kontingent der akkreditierten Journalisten im letzten Moment noch einmal stark reduziert. Bei der Entzündung der Flamme in Olympia hatten Aktivisten der Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ die Zeremonie gestört. Menschenrechtsorganisationen und Tibetaktivisten haben weitere Protestaktionen während des Fackellaufs angekündigt. Die gestrige Zeremonie aber verlief planmäßig.

Tanz- und Akrobatikgruppen sollten Fröhlichkeit verbreiten, doch die Atmosphäre blieb angesichts der organisierten Stimmung und der Sicherheitsvorkehrungen steril. 4000 ausgewählte Gäste wirkten verloren in der Mitte des riesigen Areals, auf dem bei politischen Kundgebungen bis zu eine Million Menschen Platz finden und in dessen Seitenstraßen am 4. Juni 1989 die chinesische Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen worden ist. Die Fackel aber soll nach dem Willen des Pekinger Olympia-Organisationschefs Liu Qi eine „Reise der Harmonie“ antreten und „die Botschaft von Frieden und Freundschaft“ verbreiten.

„Der 100 Jahre alte Traum des chinesischen Volkes, die Olympischen Spiele auszurichten, wird nun Wirklichkeit“, sagte Xi Jinping, Chinas Vizepräsident und designierter Nachfolger Hu Jintaos. Lediglich Hein Verbruggen spielte in seiner Rede auf die nach den Ereignissen in Tibet entbrannte Boykottdiskussion der letzten Wochen an. Der Vorsitzende der Koordinierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees sagte: „Die Olympischen Spiele sind eine gute Gelegenheit für das chinesische Volk und die Welt, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu respektieren.“ Gestern zumindest wirkte es eher, als würden sich die chinesischen Olympia-Organisatoren vor ihrem Volk und der Welt fürchten.

Benedikt Voigt – Der Tagesspiegel vom Montag, dem 01.04.2008

author: GRR

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