Oliver Mintzlaff, hier bei einem Crossrennen mit Sabrina Mockenhaupt, ist der langjährige Manager der Läuferin. ©privat
Oliver Mintzlaff: „Wir brauchen ein gutes Scouting-System“ – Interview-Serie zur Situation der deutschen Marathonläufer / Teil 2
Es ist bald 25 Jahre her, dass ein deutscher Marathonläufer zuletzt eine Zeit unter 2:10 Stunden erreichte. Beim Berlin-Marathon 1990 war Jörg Peter Dritter in 2:09:23 und Stephan Freigang folgte auf Platz vier mit 2:09:45. Was muss passieren, damit deutsche Läufer eine Chance haben, zumindest wieder die europäische Spitze zu erreichen?
Im folgenden Interview nimmt Oliver Mintzlaff, der langjährige Manager von Sabrina Mockenhaupt, dazu Stellung. Als Langstreckler erreichte er Ende der 90er Jahre eine Halbmarathon-Bestzeit von 64:35 Minuten. Seit Jahresbeginn ist Mintzlaff für Red Bull als Head of Global Soccer tätig. Trotzdem ist er seiner Management-Agentur Ferber Marketing nach wie vor verbunden, die auch weiterhin Sabrina Mockenhaupt betreut.
Gibt es in Deutschland genügend Talente?
Oliver Mintzlaff: Wir haben bestimmt genügend Talente, aber sie müssen auch entdeckt und dann konsequent gefördert werden. Das Problem beginnt in den Schulen. Dort müssen Sportlehrer in der Lage sein, Talente zu erkennen, so dass hier dann schon eine Förderung beginnen kann. Von der Schule aus sollten Talente an Vereine herangeführt werden, die über entsprechende Trainer verfügen. Wenn hier aber keiner die Initiative ergreift, passiert gar nichts und die Talente gehen der Leichtathletik verloren. Denn es gibt natürlich heutzutage ein enormes Freizeitangebot und auch viele verschiedene Sportarten, die die Jugendlichen reizen. Wir brauchen daher ein gutes und funktionierendes Scouting-System. Wenn Athleten zurzeit den Durchbruch schaffen, sind das entweder Zufallsprodukte oder es wird an einem Standort durch einen Trainer sehr gute Arbeit geleistet. Aber das sind keine Erfolge die auf einer langfristigen, übergeordneten Planung basieren.
Fehlt es an Motivation und Förderung bei Nachwuchsathleten, und werden Topathleten im Marathonbereich entsprechend gefördert?
Oliver Mintzlaff: Optimal gefördert werden die Topathleten nicht. Aber das ist ein schmaler Grat, und es geht dabei gar nicht nur um finanzielle Unterstützung. Ich erkenne, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband unter Sportdirektor Thomas Kurschilgen deutlich bemühter ist als das noch früher der Fall war. Aber wichtig ist, dass Talenten neben der sportlichen Förderung auch eine Perspektive geboten wird für ihr späteres Berufsleben. Es kann nicht sein, dass Athleten auf den Leistungssport setzen und dadurch Sorge haben müssen bezüglich ihrer Berufsausbildung. Wer das Laufen als Hochleistungssport betreibt, dem bleibt aufgrund des umfangreichen Trainings und der Regeneration kaum noch Zeit für anderes. Diese Athleten dürfen nach ihrer Karriere nicht auf der Straße stehen.
Hat der deutsche Langstreckenlauf ein Trainerproblem?
Oliver Mintzlaff: Ich glaube, wir haben ein großes Trainerproblem im Laufsport. Wir haben genügend Talente, aber diese werden zum Teil falsch trainiert. Ich verstehe nicht, warum wir uns in Deutschland nicht stärker international orientieren und auch Trainer aus dem Ausland einbinden.
Wäre es sinnvoll, wenn deutsche Läufer stärker in Gruppen arbeiten würden und sich dabei auch internationalen Trainingsgruppen anschließen würden?
Oliver Mintzlaff: Ganz bestimmt. In einer Gruppe zieht man sich gegenseitig hoch. Die schwächeren Läufer profitieren von den stärkeren und können sich an ihnen orientieren. Es entsteht im Training ein Teamgedanke: Gemeinsam wird man stärker.
Wann läuft wieder ein deutscher Marathonläufer eine Zeit unter 2:10?
Oliver Mintzlaff: Vielleicht Arne Gabius, wenn er den Schritt zum Marathon schafft. Mit seiner starken Zeit beim Halbmarathon in New York hat er sicherlich das Potenzial. Er ist aber auch der einzige, dem ich eine Zeit um oder unter 2:10 Stunden zutrauen würde.
race-news-service.com
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