
Sabine Milde ©privat
Ohne SABINE wäre nichts gelaufen – Sie hat zwei Race-Direktoren des Berlin-Marathon in der Familie – Dr. Susanne Mahlstedt in LAUFZEIT
Milde und Marathon – da denkt jeder sofort an Horst und Mark Milde. An die beiden Männer, die Vater und Sohn sind und die einander 2004 als Race-Direktoren des Berlin-Marathons abgelöst haben. Eine sportliche Familie, diese Mildes. Aber halt mal! Da muss es doch mindestens noch eine Frau und Mutter geben, die die Truppe zusammenhält, oder?
LAUFZEIT hat mit ihr gesprochen, mit der Frau des einen und der Mutter des anderen Berliner Marathon-Chefs. Sabine Milde ist eine sportliche Frau Anfang siebzig, kurzes graues Haar, Brille. Berlinerin. Ihr Mann, heute Sprecher der German Road Races, gilt als Begründer des Berlin-Marathons und hat aus einem kleinen Lauf im Grunewald eine Sportveranstaltung in der Metropole Berlin von internationalem Rang gemacht.
Horst und Sabine Milde in den Anfangsjahren des Berliner Marathons – wie sieht Frau Milde ihren eigenen Anteil? Quantifizieren könne sie das nicht, sagt sie: „Wir haben alles gemeinsam geschultert." Von Beginn an hat sie mitgearbeitet, hinter den Kulissen, wie sie sagt. „Ab 1998 im Souvenirstand auf Messen und im Shop des Berlin-Marathon im Mommsenstadion."
Ihre praktische Arbeit in den ersten Jahren des Berlin-Marathon beschreibt Sabine Milde so: „In den Anfangsjahren war meine Mitarbeit logischerweise eher gering – wir haben drei Kinder und hatten ein Geschäft zu führen, das war hauptsächlich mein Job – nur so konnte mein Mann seinem ‚Hobby' frönen."
Klartext: Die Frau hat ihrem Mann ein gutes Stück den Rücken freigehalten und den Laden, eine Familienbäckerei, weitgehend selber geschmissen.
Klar wird im Gespräch auch rasch, dass beileibe nicht alles, was Stück für Stück zum Erfolg der Berliner Großveranstaltung beigetragen hat, ganz allein von Horst Milde stammt. Da hat die ganze Familie mitgeredet, da sind die Dinge gewachsen und gereift – der Berlin-Marathon war bei Mildes immer Familienangelegenheit: „Ideen zur Organisation und deren Ausgestaltung wurden im Familienkreis besprochen. Wer für welche Idee verantwortlich war, kann ich nicht mehr rekonstruieren." Familienleben und Jahresablauf waren bei Mildes immer dem Laufen und dem Veranstaltungsplan untergeordnet. Zuletzt waren es etwa zwölf Eventtermine, die die Familienaktivitäten übers Jahr bestimmten.
Laufbegeisterung war Sabine Milde nicht von Kindesbeinen an in die Wiege gelegt, die Freude am Laufen verdankt sie ihrem Mann. „Ich habe Sport studiert und war immer von vielen Sportdisziplinen begeistert – allerdings nicht vom Laufen", sagt Frau Milde: „Das ergab sich aber dann in einer Familie, in der es so viele Berührungspunkte mit dem Laufen gab – da wurde ich vom Laufvirus angesteckt." Lauftraining hat sie als Ausgleich zum Beruf gemacht, aber sie hat auch an Läufen teilgenommen. 2003 startete Sabine Milde beim New-York-City-Marathon, und weiter zählt sie auf: „Hawaii 1998, Halbmarathon in Göteborg, Stockholm, 25 km von Berlin und Frauenläufe jährlich seit der Einführung."
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr unter den vielen Berliner Marathons, die sie miterlebt hat, der von 1987, denn da ist sie ein einziges Mal selber mitgelaufen.
Wie hat Sabine Milde diesen Tag sonst erlebt? Da gab es eine ziemlich feste Routine:
„Morgens um 6 Uhr gemeinsames Familienfrühstück, dabei lief im Sender Freies Berlin schon die Marathonwelle. Dann mit meinem Mann zur Strecke, um den Startbereich zu inspizieren, wobei wir oft noch einige Halteverbotsschilder in der Straße des 17. Juni verrückt haben. In den Anfangsjahren Teilnahme am Frühstück für die Prominenten, z.B. im Reichstag, dann die Läufer anspornen und im Ziel abklatschen und belobigen. Am Ende der Veranstaltung ein Rundgang mit meinem Mann zu den Helfern und Mitstreitern im Zielbereich. Das ging dann bis abends mit Läufern, Veranstaltern und den engagierten Mitarbeitern und Helfern im Athletenhotel."
Auf die Frage der LAUFZEIT, ob sie in der Rückschau das Gefühl hat, etwas für das Engagement Ihres Mannes geopfert oder auf etwas verzichtet zu haben, antwortet Sabine Milde:
„Nein im Gegenteil, ich bin durch den Umgang mit sehr vielen Menschen verschiedener Nationalitäten belohnt worden." Herausragend sei 1990 die Reise zum Kawaguchi Marathon nach Japan gewesen, wo sie einen neuen, bisher ganz unbekannten Kulturkreis und ein neues Land entdeckt habe. Reizvoll sei außerdem der Umgang mit den neuen Freunden dort gewesen.
Welche Begegnung war unter den Treffen mit vielen spannenden Persönlichkeiten besonders eindrucksvoll?
„Es war eine Läuferin, die mich am meisten fasziniert hat, weder ein Politiker, noch andere Repräsentanten." Sabine Milde erzählt von einer großen kenianische Sportlerin, für die der Sieg in Berlin 1999 in der Weltrekordzeit von 2:20:43 zum Höhepunkt ihrer Karriere geworden ist: „Es war Tegla Loroupe, die ich als Siegerin des Berlin-Marathon mehrfach treffen konnte. Ihr bescheidenes Wesen, aber auch ihre Kraft und ihr Durchsetzungsvermögen haben mich schwer beeindruckt."
Wie sieht Frau Milde mit ihren langjährigen Erfahrungen als Beobachterin der Laufszene das weibliche Element im Laufsport?
„Der Anteil ist immer noch zu gering — das muss noch wachsen und muss noch weiter gefördert werden." In Deutschland ist der Laufsport aus ihrer Sicht auf jeden Fall noch immer zu sehr männerdominiert. Tun denn Männer genug für ihre laufenden Frauen? Da sagt Sabine Milde: „Am liebsten erzähle ich immer eine Beobachtung vom Chicago-Marathon – dort standen fast nur Männer mit Kinderwagen am Straßenrand, während die Frauen liefen."
Und wie war das mit ihrer eigenen Mutterrolle? Wann hat Sabine Milde gespürt, dass ihr Sohn vom Laufvirus infiziert war?
„Durch den ständigen Umgang mit dem Laufsport ergab sich die Hinwendung und Freude zum Laufsport automatisch", sagt sie. Hat sie ihren Sohn in seiner Entwicklung zum Marathon-Manager unterstützt? Mutter Milde: „Nein, das Ziel für uns war, den Kindern eine umfassende Ausbildung zu ermöglichen: Schüleraustausch ins Ausland, Abitur, Lehre und Studium. Alles andere hat sich ergeben." Und sie merkt an, dass die Entscheidung für den Diplom-Kaufmann Mark Milde, sich beim Berlin-Marathon zu engagieren, nicht leicht gewesen ist.
Kein Zweifel, die Mildes sind eine Marathon-Familie, und diese Familie spielt in der deutschen Laufszene eine wichtige Rolle. Ohne die Frau und Mutter ist der Erfolg der beiden Männer und ihres Marathons kaum vorstellbar. Das Gespräch mit Sabine Milde zeigt: Es sind oft ganze Familien und besonders die Frauen, die bei der Organisation großer und kleiner Laufveranstaltung Einsatz und intensives ehrenamtliches Engagement beweisen.
Auch das Leben in einer solchen Familie kennt Sorgen und Probleme. Können Sie sich überhaupt ein Familienleben ohne Laufen vorstellen?
Sabine Milde: „Das habe ich inzwischen gelernt. Heute kann ich nach einer Krebserkrankung 2010 nicht mehr ausdauernd laufen, sondern mache Nordic Walking und muss konstatieren, dass der Sport mich wieder aufgebaut hat nach einer hoch dosierten Chemotherapie." Ausdrücklich empfiehlt die Sportwissenschaftlerin Nordic Walking zum Aufbau des körperlichen Fitness – „richtig ausgeführt" müsse es allerdings werden.
Den Bäcker und Konditor Horst Milde, der immer früh raus musste, der dann zum „Mr. Berlin-Marathon" wurde und der heute Ehren-Race-Director ist, den würde Sabine Milde wieder heiraten.
„Ich bereue meine Entscheidung nicht." Ihr Mann, meint sie, könne sich freuen, dass sie sein Engagement für den Laufsport bis heute begleitet. Wir und alle Aktiven und Freunde des Laufens freuen uns darüber ebenso.
Danke, Sabine Milde!
Dr. Susanne Mahlstedt in LAUFZEIT – 3/2014
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