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„NOlympia“ – ideologische Aktivisten ohne tragfähige Argumente – sport-nachgedacht.de – Prof. Dr. Helmut Digel
„NOlympia“ -ideologische Aktivisten ohne tragfähige Argumente
Es war wohl kaum anders zu erwarten. Nachdem eine an Inkompetenz wohl kaum noch zu übertreffende Führung des deutschen Sports sich endlich durchgerungen hat, ein umständliches Entscheidungsverfahren für eine Bewerbung Deutschlands für zukünftige Olympische Spiele zu vereinbaren, war es nur noch eine Frage der Zeit, dass sich eine Opposition lautstark zu Wort meldet, um ihre Gegnerschaft eines solchen Vorhabens zu begründen.
Die in Deutschland übliche massenmediale Resonanz war ihr dabei sicher. Die Demokratie, in der wir in Deutschland leben, zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass es in ihr, Rede und Gegenrede geben muss und dass man dabei auch Klugheit und Dummheit, die immer auf beiden Seiten zu beobachten ist, zu ertragen hat. Dabei bietet es sich an, dass man sich am Ende eines Diskussionsprozesses eine eigene Meinung bildet, um sich an einem für eine Demokratie notwendigen Entscheidungsprozess zu beteiligen.
Um die bislang von den Befürwortern[1] und Gegnern einer deutschen Bewerbung für Olympische Spiele vorgetragenen Argumente auf den Prüfstand zu stellen, habe ich das von mir mittlerweile sehr geschätzte KI-Programm „Perplexity“ gefragt. In ihm werden die Quellen[2] des verwendeten Wissens offengelegt und es berücksichtigt u.a. wissenschaftliche Abhandlungen, Berichte in Tageszeitungen und zugängliche weitere schriftlichen Äußerungen, die zum angefragten Thema in jüngster Zeit publiziert wurden.
Meine Fragen und die entsprechenden Antworten der KI sollen hier im Wortlaut wiedergegeben werden. Den Argumenten der Gegner einer deutschen Olympia Bewerbung erlaube ich mir, mit eigenen Argumenten entgegenzutreten und mit Fakten zu widerlegen.
Mit welchen Argumenten wird eine deutsche Bewerbung für Olympische Spiele von den Befürwortern begründet?
„Die Befürworter einer deutschen Bewerbung für Olympische Spiele führen mehrere zentrale Argumente an:
Internationales Ansehen und Imagegewinn: Die Ausrichtung der Spiele würde das Ansehen Deutschlands auf der globalen Bühne stärken und das Land als weltoffen, sportbegeistert sowie als modernen und innovativen Standort präsentieren.
Wirtschaftliche Impulse: Olympische Spiele können kurzfristige und langfristige wirtschaftliche Vorteile wie Tourismus, Investitionen, Arbeitsplatzschaffung und Infrastrukturprojekte bringen, von denen die Bevölkerung auch nach den Spielen profitiert.
Nachhaltigkeit und Innovation: Deutschland könnte zeigen, wie Großveranstaltungen ökologisch und sozial verantwortungsvoll organisiert werden können. Vorgeschlagen werden etwa die Nutzung bestehender Sportstätten und ein überzeugendes Nachhaltigkeitskonzept.
Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts: Olympia wird als Zukunftsprojekt gesehen, das das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken soll. Dies wird besonders hervorgehoben, da die Spiele als „völkerverbindendes Fest“ wahrgenommen werden.
Sportförderung und Begeisterung: Die Ausrichtung würde die Sportbegeisterung in der Bevölkerung wecken, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Es wird erwartet, dass dies sowohl den Breiten- als auch Leistungssport voranbringt.
Symbolische Bedeutung und Demokratie: Gerade für eine mögliche Bewerbung 2036 betonen Befürworter die Chance, 100 Jahre nach den NS-Spielen ein positives, demokratisches und friedliches Signal für Deutschland und die Welt zu setzen.
Starke Organisation und Gastgeberqualitäten: Deutschland gilt als zuverlässiger Organisator und herzlicher Gastgeber, der die Spiele effizient und gastfreundlich ausrichten könne.
Regionale Entwicklung: Der Ausbau von Infrastruktur und die Steigerung der Lebensqualität in den ausrichtenden Regionen zählen ebenfalls zu den positiven Effekten.
Diese Argumente werden ergänzt durch die Forderung, die Bewerbung auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen und Nachhaltigkeit sowie wirtschaftliche Vernunft in den Mittelpunkt zu rücken. Ein erfolgreiches Beispiel könne laut Befürwortern die Fußball-WM 2006 in Deutschland sein, die als „Sommermärchen“ das Land positiv präsentierte“.
Mit welchen Argumenten begründet die NOlympia Bewegung ihre Gegnerschaft zu Gunsten von Olympischen Spielen in Deutschland?
Die NOlympia-Bewegung begründet ihre Gegnerschaft zu Olympischen Spielen in Deutschland mit einer Reihe von ökologischen, finanziellen, sozialen und demokratiepolitischen Argumenten. Hier sind die wichtigsten Argumente, die regelmäßig von Initiativen wie „NOlympia“, Umweltverbänden und anderen Gegnergruppen genannt werden:
- Hohe Kosten und finanzielle Risiken: Olympia verursacht immense Ausgaben (zum Teil im zweistelligen Milliardenbereich), die meist von Kommunen und dem Staat – also von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern – getragen werden. Häufig übersteigen die tatsächlichen Kosten die ursprünglichen Schätzungen, während Gewinne größtenteils an das IOC fließen. Die notwendigen Investitionen führen oft zu Kürzungen in anderen Bereichen wie Sozialem, Kultur, Sportförderung oder Klimaschutz.
Gegenrede:
Es ist richtig, dass die Durchführung Olympischer Spiele in Deutschland hohe Kosten erzeugt. Dies ist allerdings kein Argument, das gegen eine Durchführung spricht, denn jedes neue gesellschaftliche Projekt ist mit finanziellen Kosten verbunden. Die Frage, die sich deshalb stellt, ist jene, ob die Kosten berechtigt und tragbar sind. Olympische Spiele in Deutschland weisen keine besonderen finanziellen Risiken auf. Bei einer kompetenten und verantwortungsvoll geführten Haushaltspolitik besteht vielmehr die Chance, dass bei einer Gewinn- und Verlustrechnung eine Win-Win-Situation für die deutsche Gesellschaft und die dringend erwünschte aktive Sport-, Spiel- und Bewegungskultur des Landes und vor allem auch für den Schulsport entsteht.
Dass die tatsächlichen Kosten die Schätzungen übersteigen werden, ist bei einem Projekt, das erst in der Zukunft realisiert werden wird, in vieler Hinsicht sehr wahrscheinlich. Doch dies gilt für alle gesellschaftlichen Projekte in Deutschland und für alle öffentlichen Investitionen, bei denen die Infrastruktur erneuert oder ergänzt wird.
Die Angst vor Kürzungen im Bereich aktiver Spiel- und Bewegungskultur, ist eine „herbeigeredete Angst“ sie muss ohnehin durch eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung verhindert werden. Hinzuzufügen ist, dass es solche Kürzungen in der Vergangenheit auch ohne eine deutsche Bewerbung für Olympische Spiele gegeben hat und zu einer beklagenswerten gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen geführt hat, die zukünftig mit allen verfügbaren Mitteln verhindert werden muss.
- Umweltzerstörung und Flächenversiegelung: Bauprojekte für Olympia führen zu zusätzlicher Flächenversiegelung, zu Eingriffen in Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie zu erhöhtem Ressourcenverbrauch (z.B. für Infrastruktur, Stadien, Verkehrswege). Dies geschieht zu Lasten von Klima- und Umweltschutz.
Gegenrede:
Die Argumente der „NOlympia Bewegung“ sind mit wenigen Ausnahmen ideologischer Natur. Es wird pauschal argumentiert, ohne die einzelnen Argumente auf den Prüfstand zu stellen. Besonders auffallend ist dabei, dass die für die Durchführung zukünftiger Olympischer Spiele vereinbarten neuen Regeln des IOC auf der Grundlage der „Agenda 2020“ und „2020 +5“ nicht berücksichtigt werden und vermutlich nicht einmal bekannt sind. So ist es möglich, populistische Vorurteile zu tradieren, die vor 20 Jahren möglicherweise noch berechtigt gewesen sind, die aber mittlerweile ihre Berechtigung völlig verloren haben. Längst hat das IOC unter der Führung des deutschen IOC Präsidenten Dr. Thomas Bach einen ökologischen Reformprozess eingeleitet, durch den Umweltzerstörung und Flächenversiegelung durch zukünftige Spiele nahezu völlig verhindert werden. Die Tatsache, dass olympische Spiele auch auf der Grundlage bestehender Infrastrukturen ausgetragen werden können und dass temporäre Sportstätten an Stelle von „weißen Elefanten“ erwünscht sind, wird von den Kritikern nicht zur Kenntnis genommen.
- Soziale Verdrängung und Mietsteigerungen: Olympische Spiele beschleunigen in den Austragungsstädten häufig die Gentrifizierung, lassen Mieten sowie Bodenpreise steigen und können bestehende soziale Ungleichheiten verschärfen. Es wird befürchtet, dass Wohnungsknappheit und Verdrängung für weniger Begüterte zunehmen.
Gegenrede:
Es ist eine bloße Behauptung, bzw. ohne jeglichen empirischen Beleg, dass olympische Spiele in den Austragungsstädten ursächlich an Mieterhöhungen, an Gentrifizierung und an der Steigerung von Bodenpreisen beteiligt sind. Keines dieser angeblichen Argumente trifft für London 2012, für Paris 2024 und selbst für die fragwürdigen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu. Hinzukommt dass in Städten wie München, Berlin, Hamburg all die genannten Bedenken auch ohne Spiele bereits seit Jahren bestehen und es möglicherweise gerade durch Olympische Spiele zu ernsthaften Gegenmaßnahmen kommen könnte. Ein „Athletendorf“ für etwas mehr als 10.000 Athleten bedeutet vielmehr für jede potentielle Bewerberstadt ein Wohnbauprojekt, das unter sozialpolitischen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht wünschenswert wäre.
- Undemokratische Strukturen und Mitbestimmung: Die Bewerbung und Vorbereitung für Olympia werden von den Gegnern oft als undurchsichtig und wenig demokratisch empfunden. Kritisiert werden die “Knebelverträge” des IOC, mangelnde Transparenz im Bewerbungsverfahren und Versuche, bürgerschaftliche Mitsprache zu umgehen.
Gegenrede:
Dem IOC wird in deutschen Medien schon seit Jahrzehnten vorgeworfen, in undurchsichtiger und undemokratischer Weise seine Entscheidungen zu treffen und bürgerschaftliche Mitsprache zu verhindern. Dieser Vorwurf zeichnet sich gleichermaßen durch Arroganz und Ignoranz aus. Teilweise könnte es auch Dummheit sein, warum von den Kritikern nicht zur Kenntnis genommen wird, dass das IOC seit 2012 die wohl am meisten sich durch finanzielle Transparenz auszeichnende Weltorganisation geworden ist, nachdem sie zuvor durch Korruption und undemokratische Strukturen in eine Überlebenskrise geraten war. Die heute gültigen „Compliance“- und „Good Governance“- Verfahren des IOC sind vorbildlich. Die Zusammenarbeit mit den Menschenrechtsorganisationen war noch nie besser als heute. Die Kooperation mit den Vereinten Nationen und mit UNICEF wird von den Partnern als vorbildlich bezeichnet. Die Verteilung der vom IOC erzielten Einnahmen und die Ausgaben des IOC sind für jedermann nachvollziehbar und einsehbar. Die IOC- Strukturen sind mittlerweile transparenter als die der meisten nationalen Sportorganisationen. Die Mitbestimmung durch die Athletinnen und Athleten wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten wesentlich verbessert. Dabei muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass die Repräsentanten des deutschen Sports, die mit Sitz und Stimme in den Führungsgremien der internationalen Verbände und im IOC vertreten sind, jederzeit die Möglichkeit haben, im Sinne einer bürgerschaftlichen Mitbestimmung deutsche Interessen in die internationalen Sportgremien hineinzutragen. Wenn dies allerdings – wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war – nicht geschieht, so ist dies ein Problem der deutschen Sportverbände und des DOSB und nicht des IOC oder der Weltsportorganisationen.
- Fehlender nachhaltiger Nutzen: Die Versprechen von Nachhaltigkeit, ökologischen Nachnutzungen und positiven Impulsen für die Städte erwiesen sich laut Olympia-Gegnern oft als Marketing ohne Substanz. Viele frühere Olympiastädte leiden unter verfallenden Sportstätten und erheblichen finanziellen Belastungen.
Gegenrede:
Für die Argumentationsweise der „Nolympia Bewegung“ ist es typisch, dass sie von einzelnen berechtigt infrage gestellten Ereignissen und Verfehlungen auf die Gesamtheit der Olympischen Bewegung schließen. Die Spiele in Athen 2004 haben in der Tat unter Missachtung des Gebots der Nachhaltigkeit in einer Katastrophe geendet. Teilweise gilt dies auch für die Spiele in Rio, wo erst in jüngster Zeit eine nachhaltige Nutzung mit erneuten hohen Investitionen erreicht werden konnte. Die Spiele in Peking 2008 haben jedoch das Sportsystem Chinas auf ein ganz neues Niveau gehoben und sind auch unterm Aspekt der Nachhaltigkeit zumindest für 1,4 Milliarden Chinesen ein Vorbild. London 2012 gilt als Modell für die Erschließung industriell verseuchter städtischer Regionen durch Olympische Spiele unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Nachhaltige Spiele für Deutschland zu fordern, ist mehr als berechtigt. Doch genau dies ist heute möglich und hängt vor allem von einer verantwortungsvollen Politik ab, die von den Entscheidern im Bund, den Ländern und Kommunen geleistet werden muss.
- Negative Erfahrungen aus anderen Städten: Es wird auf die Erfahrungen früherer Gastgeber verwiesen, bei denen die Olympischen Spiele zu nachhaltigen Problemen geführt haben — etwa bei Umwelt, städtischer Entwicklung oder öffentlicher Verschuldung.
Gegenrede:
Zur Politik und Ideologie der „NOlympia Bewegung“ gehört es, dass man jene Studien zur Kenntnis nimmt, die einem in das „Konstrukt“ der eigenen Argumentation passen. Hingegen werden alle anderen empirischen Befunde ausgeklammert, in denen möglicherweise Wissenschaftler zu gegenteiligen Schlussfolgerungen gelangen. So wird beispielsweise die Frage der ökonomischen und ökologischen Bilanz der Spiele von London 2012 und von Paris 2024 von ökonomischen Experten völlig unterschiedlich beantwortet. Werden die ohnehin notwendigen strukturellen Reformen, die in jeder modernen Gesellschaft dringend erforderlich sind, nicht in die Kosten der Olympischen Spiele mit einbezogen, so kann heute davon ausgegangen werden, dass bei einer vernünftigen Gestaltung der Spiele und bei einer entsprechenden finanziellen Unterstützung durch die Massenmedien und durch die Sponsoren die Gastgeber zukünftiger Spiele in der Lage sein werden, olympische Spiele kostendeckend auszutragen. Es ist sogar möglich, dabei Gewinne zu erzielen, wie dies bei früheren Spielen nicht möglich war. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst der „Agenda 2020“ und eine Folge einer verantwortungsvollen Ausschüttung von 90% der Einnahmen des IOC an die Stakeholder der Olympischen Bewegung, die das IOC durch die Vermarktung der Spiele erzielen kann. Der wichtigste Stakeholder ist dabei immer der Ausrichter der nächsten Olympischen Spiele, an dessen Kosten sich das IOC mit einem Großteil seiner Einnahmen beteiligt.
Keine Stärkung der Demokratie: Jüngste Studien und Kritiker weisen darauf hin, dass Olympia nicht – wie oft behauptet – zur Stärkung demokratischer Netzwerke beiträgt oder gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert.
Zusammengefasst sieht die Nolympia-Bewegung die Austragung der Olympischen Spiele in Deutschland als ein riskantes und letztlich schädliches Projekt, das öffentliche Mittel bindet, Umwelt und soziales Gefüge belastet und oft die Interessen weniger Akteure (z.B. IOC, Bauwirtschaft) über das Allgemeinwohl stellt.
Gegenrede:
Verantwortungsvolle Repräsentanten des IOC haben zu keiner Zeit behauptet, dass durch die Austragung von Olympischen Spielen aus Diktaturen Demokratien werden und dass das olympische Konzept eines „Friedens auf Zeit“ einen Weltfrieden hervorrufen wird. Doch wer – wie ich – China vor den Spielen im Jahr 2008, während der Spiele und in den Jahren bis zur Machtübernahme durch Xi Jinping mehrfach besuchen konnte und dabei einen gesellschaftlichen Wandel erlebte, wie er noch vor Deng Xiaoping in diesem Land nicht denkbar gewesen ist, der wird zwar den Beitrag des Sports nicht überschätzen, den dieser allein durch die über ihn ermöglichte Kommunikation aufzuweisen hat. Doch er wird zumindest etwas kritischer gegenüber wissenschaftlichen Befunden sein, die notwendigerweise mit fragwürdigen Methoden erzeugt wurden. Es mag berechtigte Zweifel geben, dass die in China stattfindenden internationalen Sportereignisse in China selbst einen positiven Beitrag zur Stärkung demokratischer Netzwerke leisten. Immer vorausgesetzt, man weiß, was unter demokratischen Netzwerken zu verstehen ist. Die Frage, ob der demokratische und gesellschaftliche Zusammenhalt durch Sportereignisse gefördert wird, darf berechtigt auf den Prüfstand gestellt werden. Dies gilt allerdings auch dann, wenn die Ereignisse in westlichen Demokratien stattfinden. Und vermutlich müsste jegliches Sporttreiben, diesbezüglich in seiner Wirkung überprüft werden. Doch bei all solchen wissenschaftlichen Studien sollte immer auch beachtet werden, das dann, wenn Olympische Spiele über einen Zeitraum von drei Wochen in Ländern stattfinden, die Diktaturen sind und totalitäre Strukturen aufweisen, zumindest allein schon in diesem Zeitraum eine Öffnung der jeweiligen Diktatur notwendigerweise stattfinden muss. Berücksichtigt man ferner noch die langen Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiträume von Olympischen Spielen, die mit einem ständigen kommunikativen Austausch der Verantwortlichen aus der internationalen Olympischen Bewegung mit den jeweiligen Gastgebern einhergeht, so ist das oft sehr einseitige Ergebnis mancher vorgelegten wissenschaftlichen Studie zumindest zu relativieren. Immerhin hat sich am Beispiel von China 2008 gezeigt, welch umfassenden Beitrag olympische Spiele für den Erwerb von Fremdsprachen in China leisten konnte
Was bei einer Betrachtung der Diskussion auffällt
Die Befürworter und Gegner argumentieren in einer sehr ähnlichen Weise auf der Grundlage von Behauptungen, die seit Jahrzehnten redundant immer wieder von neuem wiederholt werden, die jedoch einer empirischen Überprüfung kaum standhalten können. Der „pro und contra“ Argumentation mangelt es gleichermaßen an Innovation und Kreativität. Es wird vielmehr das „nachgeplappert“ was andere „vorgeklappert“ haben. Weder Befürworter noch Gegner wissen dabei nicht einmal von welchen zukünftigen Olympischen Spielen in Deutschland dabei die Rede ist. Sollen es die Spiele im Jahr 2036, 2040, 2044 oder gar 2048 sein? Sind nicht die Pro- und Contra Argumente in Abhängigkeit zum jeweiligen Veranstaltungsjahr ganz neu auf den Prüfstand zu stellen? Müssen die Argumente „pro“ und „contra“ nicht möglicherweise immer wieder von neuem durch andere ergänzt und ersetzt werden, wenn das Ereignis möglicherweise erst in 20 Jahren stattfindet? Wenn wir zurückblicken, was in den vergangenen zehn Jahren geschehen ist und wie wir uns dabei selbst verändert haben, muss doch angenommen werden, dass ein ähnlicher Wandel auch in der Zukunft stattfindet und bei jeder der bevorstehenden Vergabeentscheidung des IOC sich sehr unterschiedliche Konstellationen ergeben können, die heute nicht absehbar sind.
Es fällt ferner auf, dass in der „Pro- und Contra“- Diskussion das gewählte Verfahren des DOSB[3], sich für olympische Spiele zu bewerben, weder diskutiert noch auf den Prüfstand gestellt wird. Dabei ist es vermutlich bereits das Verfahren, das eine deutsche Bewerbung für zukünftige olympische Spiele nahezu unmöglich macht. Entgegen allen negativen Bewerbungserfahrungen aus vergangenen Jahrzehnten, in denen mehrere deutsche Bewerberstädte in einen kostenintensiven Wettbewerb eingetreten sind, bei dem lediglich Frustration bei den Verlierern zurückblieb und der keineswegs geeignet war, die qualitativ beste und erfolgsversprechende Bewerberstadt auszuwählen, wiederholt der DOSB ein Auswahlverfahren, das schon in den Anfängen als verantwortungslos und für die Steuerzahler als viel zu teuer zu bezeichnen ist. Es sind nunmehr vier Städte beziehungsweise Regionen, die die Verantwortlichen des deutschen Sports „aufeinander losrennen lassen“, um dann mit einer ausgewählten Stadt in einen ersten Dialog mit dem IOC einzutreten. Bei diesem Dialog wird durch internationale Experten die deutsche Bewerbung auf ihre Eignung überprüft. Erst nach einer positiven Bewertung des Antrags durch dieses Gremium, so schreiben es die klaren Regeln des IOC vor, ist man ein offizieller Bewerber, um am nächsten Entscheidungs- und Auswahlprozess über zukünftige Spiele beteiligt zu sein. Wobei das NOK für Deutschland selbst zu entscheiden hat, für welche möglichen zukünftigen Austragungs-Jahre der Olympischen Spiele die Bewerbung gelten soll. Unsinnigerweise wurde vom DOSB dann auch noch das Kriterium einer Volksbefragung als „Prüfstand“ für eine deutsche Bewerbung festgelegt, was es für eine „NOlympia Organisation“ gerade zu leicht macht, eine schlagkräftige Opposition gegen Olympische Spiele in Deutschland zu formieren.
Wer weiß, wie die Meinung einer Bevölkerung kommunikativ beeinflussbar ist, wer weiß, wie die öffentliche Meinungsbildung von der Tagespolitik abhängig sein kann und wer weiß, wie Gunst und Missgunst Meinungen beeinflussen, der müsste eigentlich sehr schnell begreifen, dass bei einem demokratischen Staatsgebilde wie der Bundesrepublik Deutschland mit mehr als 80 Millionen Einwohnern es gute Gründe gibt, dass man eine Entscheidung über zukünftige Olympische Spiele dem gewählten Parlament unserer Demokratie überlässt und diese Entscheidung nicht zum Spielball von Meinungs-Kampagnen macht. Weder Paris, noch Los Angeles haben diesen Weg bei ihren Bewerbungen um die Olympischen Sommerspiele eingeschlagen. Ganz gleich, wie die nun geplanten Volksabstimmungen ausgehen, muss ja ohnehin davon ausgegangen werden, dass eine deutsche Bewerbung nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Bundestag geschlossen diese deutsche Bewerbung unterstützt, die Bundesregierung ohne oppositionelle Gegnerschaft die geplante Bewerbung nach innen und nach außen vertritt und die notwendigen finanziellen Garantien bereitstellt. Auf diese Weise muss dem Nationalen Olympischen Komitee der Rücken gestärkt werden, dass dieses sich mit einer deutschen Bewerbung erfolgreich in der bevorstehenden Auseinandersetzung mit anderen NOKs, die sich ebenfalls für Spiele bewerben wollen, bewähren und durchsetzen kann.
Für all dies ist allerdings erforderlich, dass das Nationale Olympische Komitee Deutschlands transparent offenlegt, warum es sich für olympische Spiele bewerben möchte, was es mit den Spielen erreichen möchte, welchen Eigenbeitrag es dabei leisten wird und welche finanzielle Unterstützung man sich von dem Steuerzahler erhofft. All diese Fragen sind bis heute nur unzureichend, teilweise noch gar nicht beantwortet worden. Es bedarf deshalb völlig neuer Initiativen, um doch noch rechtzeitig eine deutsche Bewerbung auf den Weg zu bringen.
Was ist zu tun und was ist erforderlich?
Ich habe in all meinen Schriften und Reden nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich mir auf der Grundlage der Ideen der gelungenen Olympischen Sommerspiele 1972 in Deutschland erneut Olympische Spiele in meinem Heimatland wünsche. Ich bin davon überzeugt, dass die Welt zu Recht erwarten kann, dass Deutschland angesichts des erreichten Wohlstands sich dringend für die Ausrichtung dieser Spiele zu bewerben hat, auch dann, wenn (noch) nicht alle Voraussetzungen für gelingende Spiele aktuell in Deutschland vorhanden sind. Deshalb war ich in mehreren Essays bemüht, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten was zu tun wäre, um eine deutsche Bewerbung möglichst erfolgreich in einen internationalen Bewerber-Wettstreit einzubringen. Sie können in meinem Magazin „sport-nachgedacht.de“ nachgelesen werden.
Während meiner Jahrzehnte langen Tätigkeit in internationalen Sportorganisationen und während meiner Beratertätigkeiten bei international Olympischen Fachverbänden musste ich allerdings sehr schnell lernen, das aus der Sicht jener, die über zukünftige olympische Spiele entscheiden und aus der Sicht von mehr als 200 Nationen, die mit ihren NOKs im IOC und in der in der Olympischen Bewegung vertreten sind, Deutschland keinen Sonderstatus haben kann. Ebenso wenig kann sich Deutschland in diesem Zusammenhang noch auf Leistungen in der Vergangenheit berufen, die es über viele Jahrzehnte in der Entwicklungszusammenarbeit auf dem Gebiet des Sports in vielen Ländern dieser Welt erbracht hat. Deutschland ist mittlerweile in der Welt des Sports ein Land unter vielen, das leider auch nicht mehr nur als ein sympathischer Partner wahrgenommen wird, sondern im Zuge einer sich immer deutlicher abzeichnenden neuen politischen Weltordnung von der einen Hälfte dieser Welt als Freund und von der anderen eher als Feind wahrgenommen wird.
Ganz gleich für welches Austragungsjahr der Spiele man sich bewirbt, man muss sich immer gegen mehrere kompetente Bewerber durchzusetzen, die ebenfalls zu Recht einen Anspruch auf die Austragung von Spielen erheben. Dies gilt für Indien (Neu-Delhi) und Indonesien (Nusantara) gleichermaßen wie für die arabische Welt (Doha). Es gilt für Afrika und die Türkei (Istanbul) ebenso wie für lateinamerikanische Staaten (Santiago di Chile). Auch mehrere europäische Staaten sind an einer erneuten Austragung der Spiele in ihrer Heimat interessiert.
Vor diesem Hintergrund erlaube ich mir zumindest in Bezug auf die bevorstehende Auswahl eines deutschen Bewerbers zwei Anmerkungen:
Nach wie vor haben Bewerber, die ein klares Zentrum für die Durchführung der Spiele aufweisen, bessere Chancen als jene Bewerber, die die Wettbewerbe auf mehrere Städte aufteilen. Ein olympisches Dorf, in dem alle teilnehmenden Athletinnen und Athleten wohnen, hat bei zukünftigen Entscheidungen eine noch sehr viel größere Bedeutung, als dies in der Vergangenheit bereits der Fall war. Das „Athleten-Dorf“ gehört zu den Alleinstellungsmerkmalen Olympischer Spiele und das IOC muss zukünftig alles dafür tun, dass seine Alleinstellungsmerkmale erhalten bleiben.
Denken wir zweitens an die internationale Reputation, die eine olympische Bewerberstadt im Vorfeld einer Bewerbung auszeichnen sollte, so haben die zur Diskussion stehenden Bewerberstädte Berlin, Hamburg und München eine Priorität. Wird der Sympathiewert dieser Städte beachtet, den sie bei internationalen Befragungen erreicht haben, so weist vermutlich München einen Vorsprung auf. Gleiches gilt vermutlich auch für den wichtigen Sicherheitsfaktor, der bei der Durchführung der Spiele in den deutschen Städten beachtet werden muss.
Doch ganz gleich, für welche Stadt sich die Mitgliederversammlung des DOSB demnächst entscheiden wird, es muss nun bereits vorbeugend alles verhindert werden, dass nach dieser Entscheidung, drei Städte oder zwei Städte und eine Region zurückbleiben, die mit Missgunst als Verlierer auf den Sieger schauen und die sich deshalb der dringend notwendigen nationalen Unterstützung einer deutschen Bewerbung verweigern.
Noch wichtiger wird es jedoch sein, dass sich der DOSB sofort und hoffentlich äußerst argumentationsstark und sehr entschieden gegen die sich abzeichnende „NOlympia Bewegung“ positioniert und dabei den Beweis erbringt, dass er die besseren Argumente hat.
Als Befürworter einer deutschen Bewerbung habe ich bereits oben den Versuch unternommen, die von „Perplexity“ gesammelten Argumente der „NOlympia Bewegung“ auf den Prüfstand und dort, wo sie falsch sind, entsprechend richtig zu stellen und zu korrigieren. Meine Erwiderungen können als Hilfe für die Befürworter einer deutschen Bewerbung betrachtet werden. Es wäre nun wünschenswert, wenn meinen Argumenten noch weitere hinzugefügt würden, um deutlich zu machen, wie dringend notwendig und hilfreich Olympische Sommerspiele für die Gesellschaft Deutschlands sind.
Schlussbemerkungen
Der Schutz der Natur, Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, Stärkung eines ökologischen Denkens und Handelns in allen Teilen unserer Bevölkerung sind dingende Erfordernisse und müssen in unsere Gesellschaft und in der staatlichen Politik mit höchster Priorität vorangetrieben werden. Das ökologische Prinzip der Nachhaltigkeit muss auch von den Organisationen des Sports vertreten und gelebt werden. Von den Organisationen, die sich in Deutschland für den Naturschutz einsetzen, die sich für eine Energiewende stark gemacht haben, die den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland mit vorangetrieben haben, muss erwartet werden, dass – wo immer sie sich in gesellschaftspolitischen Projekten engagieren und sich zu Gunsten einer besseren ökologischen Welt einsetzen – sie sich auf nachprüfbare wissenschaftliche Befunde beziehen, die für ihre Argumentation tragfähig sind.
In der Auseinandersetzung um zukünftige Olympische Spiele in Deutschland war und ist dies weder bei den Kritikern, die dem Bund deutscher Naturschutz angehören, noch bei den Politikern aus der Partei „die Linke“ und den „Grünen“ leider nicht der Fall.
Es wäre zu wünschen, dass die Gegner von Olympischen Spielen in Deutschland sich zumindest einmal mit den IOC-Dokumenten auseinandersetzen, auf deren Grundlage zukünftig eine olympische Bewerbung stattzufinden hat. Es wäre aber auch zu wünschen, dass der DOSB sich auf Diskussionen mit seinen Kritikern einlässt, um mit besseren Argumenten zu ganz neuen Partnerschaften zu Gunsten einer deutschen Bewerbung um Olympische Spiele zu kommen. Im Dialog kann manches Vorurteil ausgeräumt werden, und es können dabei auch neue Ideen entstehen, die ohnehin für eine erfolgreiche deutsche Olympia Bewerbung zwingend erforderlich sein werden.
Letzte Bearbeitung: 16. August 2025
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird gelegentlich auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.
[2] Die verwendeten Quellen können nachgefragt werden.
[3] Mit der Fusion des NOK für Deutschland mit dem DSB am 20. Mai 2006 hat der „neue“ DOSB auch die „Funktion“ des bisherigen NOK für Deutschland übernommen.
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