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2009

„Phelps ist ein Beispiel dafür, dass man Menschen, die gezielt in Grenzbereiche der eigenen Leistungsfähigkeit gehen, dies nicht mit veraltetem Wissen tun lassen darf und dafür hochkompetente Teams erforderlich sind“.

Nicht die dunkle Hautfarbe, das Training entscheidet über Spitzenleistungen in den Ausdauerdisziplinen – Lothar Pöhlitz berichtet

By GRR 0

In einem bemerkenswerten Interview in FAZ.NET vom 26.8.2009 äußerte Sportwissenschaftler Joachim Mester zur Dominanz dunkelhäutiger Jamaikaner, Amerikaner, Kenianer und Äthiopier in den Laufdisziplinen seine Überzeugung, dass Spitzenleistungen im Sport ohne Doping möglich, aber auch nur zu etwa fünfzig Prozent Leistungen durch genetische Voraussetzungen erklärbar sind und führte am Beispiel vom Schwimmer Michael Phelps aus:

„Phelps ist ein Beispiel dafür, dass man Menschen, die gezielt in Grenzbereiche der eigenen Leistungsfähigkeit gehen, dies nicht mit veraltetem Wissen tun lassen darf und dafür hochkompetente Teams erforderlich sind“.

Das es auch für unsere deutschen Athleten um Medaillen gehen sollte beschreibt Alfred Draxler in einer BILD.de – Nachbetrachtung zur WM am 26.8.2009 so: „Werden sie „nur“ Vierter oder Fünfter (was natürlich auch ein großer Erfolg ist), klatschen wir kurz und aus Höflichkeit – und vergessen sie gleich wieder“.

Auf die Frage:   Was müsste passieren, um solche Weltklasseleistungen heute zu erreichen ? -antwortete Mester:

„Das ist so einfach, dass ich mich kaum traue, es zu sagen. Es gibt zehn Gründe plus einen weiteren für Spitzenleistungen, und keiner ist unbekannt: Talent, hohe und höchste Leistungsmotivation, Unterstützung durch Eltern, Schule und Umfeld, eine frühzeitige, nicht nur eine koordinative, sondern auch konditionelle Vorbereitung im Kindes- und Jugendalter, langfristige und gesunde Steigerung der Belastung, permanente Kontrolle des Belastungszustandes und der Belastbarkeit, hochkompetente Trainer, optimale wissenschaftliche Unterstützung für Mensch und Material, finanzielle Absicherung während des Leistungssports mit Vorbereitung der beruflichen Karriere danach und schließlich Zeit für Leistungssport. Der elfte Grund ist Doping. Die ersten zehn Gründe reichen aus, wenn wir sie besser organisieren“.

„Dem Doping kann man nur ein „besseres“ Training entgegensetzen“ 

Zehn gute Gründe die für Talente in den Ausdauerdisziplinen ins Weltniveau, auch in die Finals bei der WM in Berlin hätten führen können, das kann man aus Sicht der Trainingspraxis bestätigen. Wer bis dahin nicht kommt sollte sich sein Alibi nicht holen, in dem er über Doping der anderen redet. Doping sollte in der Tat für alle erst der elfte Grund sein, wenn man sich für nur mittelmäßige Leistungen entschuldigen will.

In einem Beitrag der Leichtathletik-Coaching-Academy vom 19.2.2008 formulierte Lothar Pöhlitz aus Sicht der Trainingspraxis die Voraussetzungen für unsere deutschen Ausdauerathleten, wenn sie auch gegen die „Dunkelhäutigen“ aus aller Welt konkurrenzfähig sein wollten. Er schrieb:

Besseres Training setzt aber für unsere deutschen Athleten mehr Trainingszeit, professionelle Bedingungen, ein Hochleistungstraining im Team, Spitzentrainer und für Läufer und Geher Höhentrainingsketten voraus.
Es muss die Wirkung z.B. der Steroide ersetzt werden, die es zulassen, dass die Trainingsbelastung um bis zu 30 % im Vergleich zum „Normalen“ überhöht realisiert werden kann und sich dazu auch noch die Regenerationszeiten wesentlich verkürzen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die immer wieder zu beobachtenden großen Leistungssprünge z.B. im Schnellkraftbereich.

Aus dieser Aufgabenstellung leiten sich für die deutschen Athleten die Herausforderungen für demnächst ab, weil innerhalb der gegenwärtigen Organisationsstrukturen die Trainer mit ihren Athleten nur in Ausnahmefällen gegen solche Konkurrenten eine Chance haben, was das Erreichen der Weltspitze betrifft.

Dies wurde in allen Laufdisziplinen in Berlin deutlich. Nur wer sich Bedingungen für ein grenzwertiges Training schafft, hat auch, ohne verbotene unterstützende Mittel, die Möglichkeit bei sportlichen Höhepunkten konkurrenzfähig zu sein.

Qualitätstraining unter den Bedingungen des afrikanischen Hochlandes

In einem Blick über den Zaun, einem kurzen zusammenfassenden Auszug aus dem Buch „Laufen mit Haile Gebrselassie“ soll mit der Trainingsphilosophie des Dr. W. Kostre, dem Chef hinter den äthiopischen Lauferfolgen, auf die Qualität eines modernen Langstreckentrainings unter den Bedingungen des Höhentrainings zwischen 2400 – 3000 m Höhe die vorgenannten Ausführungen unterstrichen und damit gleichzeitig auf weitere trainingspraktische Konsequenzen aufmerksam gemacht werden.

Trainingsphilosophie Langstrecken von Dr. Kostre (Äthiopien)

•        Im Mittelpunkt des Marathontrainings stehen der leichte lange Lauf und ein hoher Gesamtumfang

•        Je mehr Sauerstoff zur Energiegewinnung zur Verfügung steht, umso höher ist die Leistungsfähigkeit.   Deshalb ist die Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) wichtig.

•    Marathontraining ist so aufzubauen, dass man an manchen Tagen richtig gefordert wird. Dazu sind Tempodauerläufe knapp unter der Schwelle sehr geeignet.

Für die Langstrecken laufen sie solange einzelne Streckenabschnitte im Renntempo bis sich ihre aerobe Schwelle und die VO2max mit diesem Training nicht mehr weiterentwickelt.

•    Dann müssen sie im Training die aerob-anaerobe Schwelle überschreiten. Durch kurze maximale Läufe mit kurzen Pausen oder auch Bergantraining ist dieser Trainingseffekt zu erreichen. Sie müssen in den anaeroben Bereich, laufen sie zu langsam geht es nicht voran.

    Trainingsbeispiele :

1.    Langer Lauf : bis zu 3 Stunden in 4.75 m/s (3:30 min/km)

2.    Berganläufe : 15 – 20 x 400 m, Tp + 20 Minuten Dehnübungen

3.    Bahntraining : 3 x 1200 m oder 3 x 4000 m oder 8 x 2000 m
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                Zur Bahnvorbereitung (Beispielprogramme Haile Gebrselassie):

4.    4 x 400 m (56“) + 14 x 400 m (53“) Tp: 30“

5.    5 x 2000 m (5:23 min entspricht ~ 98 % RT-Ziel 10000 m)

6.    8 – 10 x 1000 m (2:28 min / Tp: 3´ = etwa 99 % RT-Ziel 5000 m)

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Die 2.TE des Tages bestand in der Regel in 60 Minuten joggen.
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Dr. Kostre:    „Wir trainieren oft im Grenzbereich der individuellen Leistungsfähigkeit,
                    dass sind bis 115 % und mehr, bei Gebrselassie z.B. der durchschnittlichen
                    400 m Zeit von seiner WR – Leistung über 5000 m (siehe Beispielprogramme)
                    Nur so ist das Maximum zu erreichen. Stärken und Schwächen
                    bestimmen die Zahl der extrem schnellen Wiederholungen.    

Die Anteile von aeroben und anaeroben Training variieren je nach Laufstrecke. Ziel ist immer, die bisherige Leistungsfähigkeit um 5 – 10 % – besser mehr – in einzelnen TE zu überbieten.“

Lothar Pöhlitz

 

Kenianer auf allen Laufstrecken in der Weltspitze – Ein Blick über den Zaun – Teil I – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

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author: GRR

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