Neue Laufbücher für den Lesesommer: Gespräch über den Berlin-Marathon in einem Zug … Ein Marathon-Dialog im neuen Roman von Daniel Glattauer – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

Zugegeben – das ist kein richtiges Laufbuch, sondern ein richtiger Roman mit einer irren Geschichte. Diese Geschichte spielt sich im Zug ab; man muss das Buch aber nicht „In einem Zug“ (Titel) lesen …

Aber: In diesem Zug treffen sich zwei (un-) zufällig eine Frau und ein Mann, die (un-) zufällig ganz intensiv ins Gespräch kommen … ganze vier Stunden lang. Denn solange ist der Zug von Wien nach München unterwegs. An Gesprächsstoff scheint es beiden nicht zu mangeln, schließlich handelt es sich bei dem Mann um einen ziemlich erfolgreichen Schriftsteller.

Und bei diesem über die gesamte Zugfahrt anhaltenden Dialog zwischen den beiden geht es dann und wann auch mal um deren sportlichen Gewohnheiten und Vorlieben und Abneigungen. So kommt dann plötzlich das ausdauernde Laufen ins Spiel … zum ersten Mal ganz genau schon auf 17 Seite im Buch, als sich beide gerade erst kennenlernen und im vorsichtigen Frage-und-Antwort-Spiel mehr über die jeweils andere Person mit ihren Neigungen und Interessen zu erfahren versuchen – ob er z.B. auf den Wiener Opernball gehe, das Oktoberfest besuche … „oder beim Berlin-Marathon im vergangenen Frühjahr“ dabei war, versucht sie beiläufig fragend herauszufinden: „Den Berlin-Marathon lasse ich meistens aus“, kommt daraufhin als prompte Antwort von ihm.

Alle Berlin-Marathon kundigen Leserinnen und Leser werden sich nun angesichts dieser ahistorischen (geradezu frühlingshaften) Textpassage im Roman fragen: Hat der österreichische Erfolgsautor Daniel Glattauer (geb. 1960 in Wien) da vielleicht unzureichend recherchiert oder als Österreicher den Berlin-Marathon mit dem Wien-Marathon verwechselt oder meint er vielleicht den Berliner Halb-Marathon, der traditionell im Frühjahr stattfindet im Gegensatz zum richtigen Berlin-Marathon im Herbst eines jeden Jahres – egal: Die nächste Berlin-Marathon-Passage gibt es schon elf Seiten später. Da geht es allerdings um reine „Äußerlichkeiten“, wo der Erzähler (un-) zufällig den Berlin-Marathon als Vergleichsmaßstab heranzieht: „Sie lässt also so ein bisschen die Berlin-Marathon laufende Physiotherapeutin heraushängen“.

Nachdem es zwischendurch dann fernab um den Paris-Marathon geht, bei dem die Frau früher einmal einen gewissen Bernd kennengelernt hatte, taucht im hinteren Teil des Romans eine Passage auf, in der es augenscheinlich um die Vorzüge, aber auch um die Risiken beim Bergwandern geht – hier mit einem klaren Votum für ihn dagegen aufgrund der durch Absturz drohenden Gefahren; inzwischen sind beide sogar beim „Du“ angekommen: „Am besten, du bleibst beim Marathonlauf. Da bist du für dich allein und kannst auch nicht tief fallen, wenn du stürzt“. Eine feinsinnige Erkenntnis – genauso wie der gesamte Roman, der nach rund 200 Seiten nicht mit einem Absturz, sondern mit einem Happy-end der ganz anderen Art endet. Bitte allein in einem Zug nachlesen!

Daniel Glattauer: In einem Zug. Roman. Köln 2025: DuMont Buchverlag. 204 S.; 23,- €; ISBN 978-3-7558-0040-8

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

… war bis 2023 Leiter des Arbeitsbereichs Sport und Erziehung am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und hat im Jahre 1990 zusammen mit Horst Milde den Berliner Literatur-Marathon begründet, den er seitdem moderiert. Für German Road Races stellt er gelegentlich neue Laufbücher vor und erinnert an „Klassiker“. Zu seinen neueren (Lauf-) Publikationen gehören:

Kuhlmann, D. (Hrsg.): „… auf den letzten Metern“. Momente des Zieleinlaufs. (Mit einem Vorwort von Katrin Müller-Hohenstein). Hildesheim 2021: Arete Verlag. 200 S.; 18,- €; ISBN 978-3-96423-058-4

Kuhlmann, D., Pieper, H. & Schulze Forsthövel, U. (Hrsg.): Die sportlich heiteren und politisch gescheiterten Olympischen Spiele München ’72. Zum Gedenken an Walther Tröger. Hildesheim 2023: Arete Verlag. 210 S.; 22,- €; ISBN 978-3-06423-112-3

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