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Nahrungsergänzung für Ausdauersportler – Teil 3 – Forschungsergebnisse – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Forschungsergebnisse
Die Nahrungsergänzung erfolgt in der Erwartung, die Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, Regeneration und Immunfunktion günstig zu beeinflussen. Trotz dieser Erwartungen ist der wirkliche Nutzen einer zusätzlichen Einnahme insbesondere von Antioxidanzien nicht belegt.
Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre sind ernüchternd. Bisher konnte bei einer zusätzlichen Einnahme antioxidativer Vitamine kein leistungssteigernder Effekt nachgewiesen werden.
liegen keine überzeugenden Daten vor, dass die zusätzliche Zufuhr von Antioxidanzien den belastungsinduzierten Muskelschaden reduziert oder die muskuläre Ermüdung verzögert. Die gegenwärtige Datenlage rechtfertigt auch nicht die Supplementierung der immer wieder beworbenen Substanzen Ubichinon (Q10 – außer bei einer Statintherapie), Glutathion, Alpha-Liponsäure, Inosin, Taurin, Cholin, Pyruvat, Vanadylsulfat, HMC (Hydroxymethylbutyrat), HCA (Hydroxycitrat), Orot- säure und Ginseng. Kontraproduktive oder sogar schädigende Effekte können nicht ausgeschlossen werden.
Die aktivitätsbedingte Hochregulierung der antioxidativen Mechanismen bietet eine Erklärung, wieso trotz der belastungsinduzierten gesteigerten Bildung freier Radikale beim Sport nur geringe oxidative Schäden nachweisbar sind und beim Trainierten sich teilweise sogar ein geringerer oxidativer Stress nachweisen lässt. Ob beim Sportler ein erhöhter Bedarf an Antioxidanzien besteht, ist nicht eindeutig geklärt. Man geht derzeit davon aus, dass die Deckung des Bedarfs an Makronährstoffen mit Hilfe einer ausgewogenen obst- und gemüsereichen Kost auch zu einer ausreichenden Versorgung mit den notwendigen antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen führt.
Risikogruppen für eine unzureichende Antioxidanzien-Zufuhr können Sportler mit einer unzureichenden Kalorienzufuhr, extrem fettarmer Ernährung oder hohem Konsum rasch resorbierbarer Energieträger sein. Vegetarier zählen nicht zur Risikogruppe.
Die Auswahl von NEM muss also individuell erfolgen. Die längerfristige ungezielte Einnahme höherer Dosen von Vitaminen und Mikronährstoffen wird nach gegenwärtiger Datenlage nicht empfohlen, da kontraproduktive Effekte und gesundheitliche Risiken nicht ausgeschlossen werden können. Für die o.g. Bevölkerungsgruppen kann die Versorgung mit sämtlichen Vita- minen und Mineralstoffen ausschließlich über eine vollwertige Ernährung aufgrund des erhöhten Bedarfs kritisch werden, sodass die Einnahme von Ergänzungspräparaten eine Absicherung darstellt. Bezüglich der Supplementierung sollten Sie sich aber von Experten beraten lassen, da die willkürliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zu Wechselwirkungen unter den einzelnen Inhaltsstoffen oder mit Me- dikamenten führen kann.
Eine gesundheitliche Wirkung oder Steigerung der Leistung ist dabei aber nur zu erwarten, wenn vorher ein Mangel vorgelegen hat, der durch eine Blutspiegelbestimmung nachgewiesen wurde. Eine Routinebestimmung von Vitaminen und Spurenelementen ist weder sinnvoll noch notwendig. Die über die Untersuchung der üblichen Blutparameter hinausgehende Be- stimmung von essentiellen Stoffen kann kostenintensiv ausfallen, weil diese in der Regel keine Versicherungsleistung darstellt. Es handelt sich dann um Eigenleistungen, die der Einzelne im Rahmen der Prävention durch Eigenverantwortung selber tragen muss.
Ein Nährstoffmangel zeigt häufig keine eindeutigen Symptome, sodass nur durch eine Blutanalyse ein Mangel nachgewiesen werden und dann eine gezielte Substitution erfolgen kann. Allerdings haben Vitamin- und Spurenelementanalysen grundsätzlich einen niedrigen predictive value (tatsächliche Aussagefähigkeit), da je nach vorheriger Nahrungszusammensetzung unterschiedliche Messergebnisse zu erwarten sind. Wenn man die gesamte Bandbreite der Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente testet, finden sich fast immer Abwei- chungen von der Norm, was nicht mit „krank“ gleichzusetzen ist. Singuläre Bestimmungen rechtfertigen nicht die Postulierung von Mikronährstoffdefiziten. „Zufuhrempfehlungen“ oder „Tagesbedarfe“ erwecken oft den Eindruck, diese Nährstoffmengen müssten jeden Tag mindestens erreicht werden, um keine Unterversorgung zu riskieren. Tatsächlich handelt es sich aber um langfristige Durchschnittswerte zur Orientierung. Es ist deshalb kein Problem, diese Werte auch tagelang nicht zu erreichen.
Postulierungen wie „therapeutische Konstellationen“ oder „für Leistungssportler“ entbehren einer tatsächlichen evidenzbasierten medizinischen Grundlage, zumal die hierzu herangezogenen „Referenzwerte“ durch Labore häufig eigenmächtig festgelegt werden. Schon Galileo Galilei (italienischer Universalgelehrter, 1564–1642) sagte: „Messe, was gemessen werden kann, und mache messbar, was nicht gemessen werden kann“.
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Inkl. Trainingspläne von 10 bis 100 km. München: Elsevier 2018.
Insgesamt gibt es 91 Vitalstoffe von denen 47 als lebensnotwendig (essentiell) gelten. Dabei handelt es sich um 13 Vitamine (Vitamin A, B1, B2, B3, B5, B6, B9, B12, C, D, E, H und K), sechs Mineralien (Ca, Fe, K, Mg, Na und Cu), 14 Spurenelemente (Cr, J, Mn, Mo, Se, Zn, Ni, Li, Co, F, Si, Rb, V, P), zwei Fettsäure-Gruppen (Omega 3 und Omega 6) sowie 12 Aminosäuren (Arginin, Isoleucin, Leucin, Valin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Histidin, Cystein und Prolin).
Schlussfolgerungen
In der Regel wird ein Mehrbedarf der o.g. Gruppen an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen durch eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung abgedeckt. Häufig jedoch kann man eine man- gelhafte Zufuhr beobachten, sodass sich die Notwendigkeit einer Ergänzung ergeben kann.
Kritische Nährstoffe in Deutschland sind:
- Vitamine C, E, D, K2, B3, B5, B6, B12 und Folsäure,
- Jod, Eisen, Selen, Zink, Kalzium, Magnesium,
- Omega-3-Fettsäuren.
Dabei sollten Omega-3-Fettsäuren mit einbezogen werden, da sie nicht nur eine anti- entzündliche Wirkung haben, sondern auch einen guten Gefäß- und Immunschutz darstellen und den Muskelaufbau fördern.
Bei regelmäßig Sporttreibenden (mehr als vier bis fünf Stunden in der Woche) muss von einem erhöhten Nährstoffbedarf ausgegangen werden. In der Regel wird dieser durch eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung abgedeckt. Häufig jedoch kann man eine mangelhafte Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen in Sportarten beobachten, bei denen ein niedriges Körpergewicht eine wichtige Rolle spielt, dazu zählt auch der Langstreckenlauf.
Bei Athleten, die mehr als 4.000 kcal pro Woche für die sportliche Betätigung aufwenden, kann sich die Notwendigkeit einer Ergänzung in Form von Multivitamin-Mineralstoff-Präparaten ergeben. Diese Empfehlung gilt für viele Marathonläufer und 100-km-Läufer sowie Triathleten.
Grundsätzlich ist die Zusammensetzung der Nahrung wichtiger als jede Supplementierung. In der Vergangenheit hat oft die Einnahme von mit anabol-androgenen Steroiden verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln zu positiven Dopingbefunden geführt. Der Athlet selbst trägt im Falle einer positiven Dopingprobe die Verantwortung für die gekauften und aufgenommenen Ergänzungsmittel.
Eine Studie des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln (Prof. Dr. Wilhelm Schänzer) hat 201 verschiedene Präparate der deutschen Roten Liste® untersucht, die dieselben Inhaltsstoffe enthalten wie Nahrungsergänzungsmittel, jedoch als Arzneimittel einer strengeren Qualitätsprüfung unterliegen. In keinem der untersuchten Produkte konnte eine Verunreinigung mit anabol-androgenen Steroiden nachgewiesen werden. Man kann daraus schließen, dass aufgrund der höheren Qualitätsanforderungen Präparate der Roten Liste eine risikoarme Alternative zu sonstigen Nahrungsergänzungsmitteln darstellen. Eine gute Möglichkeit, das Risiko von Verunreinigungen auszuschließen, stellt auch die „Kölner Liste®“ dar (www.koelnerliste.com). Sie ist eine Zusammenstellung von Nahrungsergänzungsmitteln mit liminiertem Dopingrisiko.
Eine Dosierung von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen über das bedarfsgerechte Maß hinaus hat keinen leistungssteigernden oder regenerationsfördernden Effekt. Wundermittel gibt es eben nicht. Auf der anderen Seite haben die meisten Nährstoffe eine große therapeutische Breite, können also ohne Schaden über den Bedarf hinaus aufgenommen werden (Ausnahmen: Vitamine A, D und K). Zumindest sind keine gegenteiligen Effekte bekannt. Bei der Anwendung von NEM wird zwischen Substitution und Supplementierung unterschieden. Die Substitution ersetzt verloren gegangene Substanzen.
Die Ziele der Supplementierung hingegen sind:
- eine Stabilisierung des Immunsystems,
- eine Kompensation unausgewogener Ernährung,
- ein antioxidativer Zellschutz und
- eine schnelle Regeneration und höhere Belastungsverträglichkeit.
Dabei muss Folgendes beachtet werden:
- Eine Supplementierung muss individuell gehandhabt werden, deshalb werden von mir auch keine Mengenangaben für NEM gemacht.
- Entscheidend sind der gesundheitliche Zustand und die Ernährung.
- Untersuchungen zum Vitaminstatus sind im Rahmen einer Routinediagnostik nicht indiziert.
- Bei Veganern kann die Versorgung mit Vitamin A, D, B12, B2, Folsäure, Fe, Ca, J, Se, Zn, Omega-3-Fettsäuren, Lysin und L-Carnitin kritisch sein.
- Sinnvolle Kombinationen sind wegen der Wechselbeziehungen z.B. Multivitaminpräpate, Vitamin C plus Fe, Vitamin-B-Komplex, Vitamin E plus Omega-3-Fettsäuren, Vitamin d und K2 sowie Multimineralpräparate.
- Verwenden Sie organische Verbindungen (Citrat, Orotat, Glukonat) und nehmen Sie Kupfer, Mangan und Zink nicht gleichzeitig ein.
- Besprechen Sie die Einnahme von NEM mit Ihrem behandelnden Arzt, um Wechselwirkungen mit einer Therapie zu vermeiden.
- NEM sollten hypoallergen sein und keine Konservierungsstoffe, künstliche Farbstoffe, Aromastoffe, Zucker, Salz, Stärke, Hefe und Gluten enthalten.
- Vor Hormonpräparaten wie DHEA und Wachstumshormonen (HGH) muss ausdrücklich gewarnt werden.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Inkl. Trainingspläne von 10 bis 100 km. München: Elsevier 2018.
Aderhold L. Klartext Gesundheit! Ernährung – Bewegung – Entspannung -Denken. Die besten Strategien für mehr Gesundheit, Energie und Wohlbefinden. Jena: Vopelius 2024.
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Burke L et al. International Association of Athletics Federation Consensus Statement 2019: Untritionfor Athletics. Int J Sport Nutr Exerc Metab 2019; 29: 73-84.
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Raschka C, Ruf S. Sport und Ernährung. Wissenschaftlich basierte Empfehlungen, Tipps und Ernährungspläne für die Praxis. Stuttgart: Thieme 2022.
Nahrungs ergänzung für Ausdauersportler – Teil 1 Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
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