Talentsichtung und eine lückenlose Förderung der Nachwuchsathleten mit Perspektive sollen im Mittelpunkt stehen.
Nachwuchsleistungszentren oder Talent–Akademien – LVN & WFLV & DLV – suchen die anderen LV auch Hochbegabte? 3 – 8 echte Talente alle 2 Jahre wären ein Beitrag der LV zur Lauf-Gesundung – Lothar Pöhlitz kommentiert
Diese Meldung bei leichtathletik.de ist es Wert sich noch einmal der Talentproblematik – vor allem für den Mittel- und Langstreckenlauf – zu widmen:
Nordrhein-Westfalen will die Nummer eins im deutschen Leistungssport werden. Mit einem neuen Gesamtkonzept für die Leistungssportförderung starten der Leichtathletik-Verband Nordrhein (LVN) und der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) gemeinsam mit dem anspruchsvollen Ziel in Zukunft mehr internationale Medaillen zu erringen.
Die Eckpfeiler des Konzepts beinhalten den Aufbau der Spitzensportförderung in Abstimmung mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Es wurde bekannt, dass die zentrale fachliche Steuerung durch zwei hauptberufliche Führungskräfte, einen Leistungssportmanager Spitzensport und einen Leistungssportmanager Nachwuchs erfolgen soll.
Talentsichtung und eine lückenlose Förderung der Nachwuchsathleten mit Perspektive sollen im Mittelpunkt stehen. Für diese anspruchsvolle Aufgabe wurden die Bundes- und Landesleistungsstützpunkte Leverkusen und Wattenscheid ausgewählt und erhalten für die Nachwuchsarbeit je zwei hauptamtliche Trainer. Ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Dazu möchte man sich wünschen, dass auch die Eliteschulen des Sports vor Ort diesem Ausbildungsanspruch künftig entsprechen. Eine komplexe Talentausbildung junger Läufer erfordert neben einem täglichen Training 3 – 4 zusätzliche Trainingseinheiten am Morgen/Vormittag.
Man hat das Gefühl dass die Fenster jetzt weit offen sind.
Seit der DLV Mitte September mit seinen wichtigsten Trainern und den Landesverbands-Lehrwarten zur Bestandsaufnahme, Problemdiskussion, Planung und Schwachstellenbeseitigung in Kienbaum tagte, bewegt sich scheinbar Einiges. Die Fenster sind aufgerissen und frischer Wind fegt durch´s Haus, Aufbruchstimmung?
Aus der Sicht der Leichtathletik-Zukunft ist die Meldung aus NRW wohl das Wichtigste was in den letzten Jahren für den Nachwuchsleistungssport passiert ist. Da kann man sich nur wünschen, dass diesem Beispiel bald weitere LV folgen. Auch das „Trainerkarussell" – zwar mehr im Sprint, als bisher noch im Sorgenkind Lauf – ist in Bewegung gekommen, die ersten Schritte zur Vorbereitung der Saison 2011 mit den Weltmeisterschaften in Daegu, den zentralen Planungen der Lehrgangs- und Trainingslagermaßnahmen, der Nominierung der Bundeskader des Top-Teams Olympia 2012, des Junior-Elite-Teams sind dokumentiert, neue Teamleiter im Lauf und Wurf in Aussicht gestellt.
Ob der von Sportdirektor Thomas Kurschilgen erwartete konstruktive und fruchtbare Dialog in Gang gekommen ist, der für alle 47 Disziplinen in einem Teamwork Motivation, Synergien und Know-How freisetzen soll, wurde bisher noch nicht berichtet. Mit einigen ergänzenden Gedanken und Erfahrungen sollen vor allem die angesprochen werden, die in den nächsten 2 Jahren nicht vordergründig mit der Olympiavorbereitung zu tun haben.
In Nachwuchsleistungszentren Hochbegabte mit höchstem Anspruch fördern und fordern
Die Beschlussfassung aus NRW sollte nun möglichst schnell zur Bewegung auch der anderen Landesverbände und zur organisatorischen, aber auch inhaltlichen Aufrüstung des Nachwuchsleistungssports führen. Das erfahrungsgemäß sehr geringe Angebot an Hochbegabten für Sprint – Lauf – Sprung und Wurf sollte durchaus Kooperationen oder sogar Disziplinbereichs-Spezialisierungen bei der Schaffung von Nachwuchsleistungs-zentren – Talent-Akademien oder LV-Ausbildungsvereinen zulassen. Es sollten nicht alle alles machen wollen.
Langjährige Erfahrungen in der Talentausbildung lassen die Empfehlung zu bei der Talentsuche nie müde zu werden und nach dem Wahlspruch zu handeln „wenn Du einen guten Athleten gefunden hast gehe sofort los um nach einen noch besseren zu suchen". Talente mit komplexen Voraussetzungen für internationale Medaillen sind sehr, sehr selten, ihre Ausbildung dauert zwischen 6 – 10 Jahre. Deshalb sollte man sehr sorgfältig auswählen, den Qualitätsanspruch und nicht die Kaderanzahl in den Mittelpunkt stellen, auch um keine falsche Hoffnungen bei allen zu wecken.
Hochbegabte zu finden, zu fördern und zu fordern setzen die dafür notwendigen Bedingungen, eine optimale Verbindung von Schule/Beruf und Training und kompetente Trainer voraus. Internationale Medaillen erfordern professionelle Bedingungen, vor allem die notwendige Trainingszeit und professionelles Training.
Echte Talente werden nicht nur für den Lauf gebraucht – Aufgaben in Nachwuchsleistungszentren oder Ausbildungsvereinen
Deutschland hatte sich nach dem 2. Weltkrieg mit großem Engagement in Ost und West auch zu einem führenden Leichtathletikland hochgearbeitet. Vielfach hat man das Gefühl, dass nach der deutschen Einheit eine gewisse Stagnation vor allem verwaltet wurde. Wer bremst den Kahn?
Für eine führende Rolle des DLV in der Welt werden für 47 Disziplinen außergewöhnlich begabte, leistungsbereite, belastbare, mental starke Talente gesucht, die von kompetenten Trainern ins Weltniveau geführt werden.
Talente werden erfahrungsgemäß schon seit Jahren nur noch in Ausnahmefällen von Schulsportlehrern vorausgewählt zum Training geschickt. Deshalb ist ein sich selbst tragendes, wirksames System der Talentsuche und Ausbildung überfällig.
Wenn in jedem der 20 Landesverbände nur alle 2 Jahre allein für die 12 Laufdisziplinen der Männer und Frauen insgesamt nur 3 – 8 wirklich hochbegabte Mädchen und Jungen durch Scouts gefunden und ausgebildet würden, würden regelmäßig 60 – 160 (!)Talente in den Nachwuchskader des DLV drängen. Damit ist es aber noch nicht getan, schließlich sollen sie ja letztendlich Deutschland bei den Aktiven erfolgreich vertreten.
Dabei heißt erfolgreich für Fans, NRW und die Medien Medaillen bei den Aktiven. Dazu wären neben der „allgemeinen Leichtathletik", vielleicht 10 – 20 % der Beschäftigten erforderlich, die ausschließlich diese Aufgabe lösen. Es würden unter den derzeit gegebenen materiellen Bedingungen ohne eine Konzentration der vorhandenen Kräfte, ohne beispielsweise die schon genannten Nachwuchsleistungszentren (NLZ) für bestimmte ausgewählte Disziplinbereiche oder durch den LV und DLV ausgewählte etwas breiter aufgestellte Ausbildungsvereine (ABV), ohne Eliteschulen auch für die Leichtathletik, Jahrzehnte vergehen, bis Erfolge auf breiter Front sichtbar würden.
Ohne Aufbruch in allen LV und Überzeugungsarbeit wird es aber nicht gehen.
Nachwuchsleistungszentren werden ihrer Aufgabe nur gerecht, wenn die ausgewählten Talente dort auch regelmäßig leistungsorientiert trainieren.
Im Fußball wurden „ohne großes Geschrei" vorbildhaft im letzten Jahrzehnt an allen Bundesligastandorten solche Nachwuchsleistungszentren geschaffen. Sogar Mainz 05 berichtete kürzlich voller Stolz dass sie ihren Aufstieg einer guten Arbeit an ihrem Nachwuchsleistungszentrum mit den Talenten aus der Region zu verdanken haben. Auch für diesen Aufgabenbereich sind die von Sportdirektor Thomas Kurschilgen innerhalb eines Teamworks geforderte Motivation, Synergien und das einzubringende Know-How freizusetzen.
Im Nachwuchstraining Lauf müssen auch die Inhalte auf den Prüfstand.
Die bisherige Berichterstattung lässt aber noch keine Aussagen zu, ob es neben den Organisationsfragen auch schon um die Inhalte im Nachwuchsleistungstraining ging, wo doch in den letzten Jahren die internationalen Anforderungen an die U18 – U19 – U20 bis U 23-Talente bis hin zu den Olympischen Spielen der Jugend ein Schwerpunkt im Vergleich zu den Ausbildungsinhalten von „früher" hätte sein können.
Die gegenwärtige Leistungsdarstellung beispielsweise in den 12 Laufdisziplinen der Männer und Frauen ist schließlich eine Widerspiegelung der Nachwuchsarbeit im letzten Jahrzehnt. Bereits in 2 Jahren ist entschieden, ob sich für den Olympiazyklus 2012-2016 Läufer aus den o.g. Bereich gut vorbereitet für das Anschlusstraining anbieten. Da ist schon verwunderlich, dass immer noch nicht der seit 1992 (18 Jahre!) gültige Rahmentrainingsplan (RTP) für den Laufnachwuchs des Leistungsbereichs überarbeitet am Markt ist, der sicher Konsequenzen in Richtung der in den letzten Jahren auffälligen Verjüngung bei gleichzeitiger Fortentwicklung der Leistungsdichte in der Weltspitze und den neuen Anforderungen im Nachwuchsleistungssport, beinhaltet.
Während in Spielsportarten 17/18-jährige Talente wie selbstverständlich in Bundesliga-Spitzenmannschaften erfolgreich integriert werden und auch mit den Großen trainieren, wird im immer noch gültigen RTP Lauf gemahnt, nicht so oft und nicht zu schnell zu trainieren.
Ein Stagnationsjahr der Schembera und Keiner unterstreichen das Talentproblem
Für die 47 Disziplinen der olympischen Leichtathletik kann man sich nie beruhigt zurücklehnen, weil derzeit die erforderlichen echten Talente, Hochbegabte nicht vor den Stadiontoren stehen und darauf brennen mit den Trainern üben zu dürfen. Der leistungsorientierte Nachwuchs ist knapp geworden und man findet sie immer seltener, die Talente die eines Tages die sportliche Zukunft des einstigen Sportlandes Deutschland repräsentieren sollen.
Keine Leute und immer seltener Talente, die sich wie im Mittel- und Langstreckenlauf gegen die derzeit weit enteilte Weltspitze behaupten könnten. Und da sich auch die Regierungen in den 16 Bundesländern nicht sehr um den Sport in den Schulen sorgen, man immer mehr vermeidet, Bildung und Sport für unsere Kinder zusammen auszusprechen, in der Vereinsarbeit vor allem kompetente Trainer (also nicht Väter oder Mütter die sich um mehr Bewegung zuerst für ihre eigenen Kinder sorgen) fehlen, müsste man ernsthaft darüber beraten, wie zukünftig die Leichtathletik mit ihrem vielseitigen Angebot, zu Talenten für alle Disziplinbereiche kommt.
Auch um das hegen und pflegen, entwickeln, ausbilden und die Vorbereitung auf die Aufgaben der inzwischen enorm gestiegen Leistungsbreite in der Weltspitze der Läufe müsste man sich Sorgen. Am Beispiel der einige Jahre schon sehr hoch gehandelten Robin Schembera und Sebastian Keiner, die sich 2010 schnell einmal ein Stagnationsjahr genommen haben, zeigt sich wie schnell es um Talente ruhig werden kann, sie nicht mehr im Mittelpunkt stehen, weil …, ja warum eigentlich?
Ihre Trainer werden jetzt merken, dass sie fast allein sind, um aus den vielen schwer zu beantwortenden Fragen die richtigen Konsequenzen abzuleiten.
Ob der neue Chef Track dem Bereich Lauf/Gehen das Lächeln zurückbringt?
Sicher ging es im September in Kienbaum nicht nur um die Abstimmung der Bundeskader für das Junioren-Elite-Team. Es ist bestimmt auch um die zukünftige Arbeit im Bereich des Anschlusstrainings und die Förderung mit konkreten Forderungen an das Führungspersonal in Bezug auf erneuerungswürdige Ausbildungsinhalte gegangen. Durch die Arbeitsergebnisse der letzten Jahre wird doch deutlich, dass auch die Nachwuchstrainingsmethodik für Talente dringend einer Ideen – Erneuerung bedarf.
In diesem Zusammenhang kann man noch einmal an das kürzlich bei germanroadraces.de gefallene schöne Wort „Problemlösungskompetenz" erinnern und für den Laufbereich nach den letzten Jahren anmahnen, alles noch einmal unter dem Gesichtspunkt zu überdenken, ob in den Kadern wirkliche Talente sind und wenn ja, richtig gefördert und gefordert werden.
Der Beschluß in NRW konfrontiert die derzeitigen Bundestrainer plötzlich auch mit der Aufgabe schnell für alle zu fixieren, welche Leistungs- und Persönlichkeitskriterien an hochbegabte Talente in ihren Disziplinen zu stellen sind.
Jetzt hoffen alle auf den neuen Chef Track und den vom Sportdirektor avisierten Teamleiter Lauf. Die gerade veröffentlichten Elite-Teams sind für alle Mitarbeiter des Bereichs Arbeitsergebnis und Bestandsaufnahme zugleich: Für die Olympiavorbereitung 2012 wurden aus dem Bereich Sprint/Hürden mit Staffeln 29, aus dem Laufbereich 5 Sportler nominiert und veröffentlicht, die es aus DLV -Sicht wert sind besonders gefördert zu werden; für das Junioren – Top – Team 2012- 2016 (!) ist das vergleichbare Verhältnis 10 : 3.
Hoffnung zum Thema macht der Hinweis von Vize Günther Lohre in der Süddeutschen Zeitung, dass es in Kienbaum auch um „eine Reihe von Maßnahmen ging um vor allem den schwächelnden Laufbereich des DLV international wieder konkurrenzfähig zu machen."
Lothar Pöhlitz
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Schülertraining für Lauf-Talente (Teil 2) – Von Lothar Pöhlitz in SPIRIDON
Schülertraining für Lauf-Talente (Teil I) – Lothar Pöhlitz in SPIRIDON