Starkes Comeback von Paula Radcliffe - Tod von Ryan Shay überschattet Marathon in New York
Nach neun Kilometern zusammengebrochen – Der Läufer Ryan Shay stirbt bei den Marathon-Trials – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
BERLIN. Das Leben von Ryan Shay bestand aus Laufen. Seine Eltern sind Lauftrainer, seine sieben Geschwister Läufer. Vor drei Jahren lief er beim Marathon von New York seine Bestzeit von 2:14:08 Stunden. Seine Frau lernte er beim New York Marathon vor zwei Jahren kennen. Am Samstag starb der 28 Jahre alte Athlet, fünf Mal amerikanischer Meister im Straßenlauf und Marathonmeister von 2003, ein Musterbild von Sportlichkeit und Gesundheit, als er sich für die Olympischen Spiele in Peking qualifizieren wollte.
Bei den Trials des amerikanischen Verbandes, einen Tag vor dem New York Marathon im Central Park der Stadt auf einem Rundkurs ausgetragen, brach er am Samstag nach neun Kilometern zusammen. Während seine Frau Alicia einige Kilometer weiter an der Strecke wartete, versuchten Zuschauer vergeblich, den Läufer zu reanimieren. Als die Ambulanz Shay über die Strecke zum Krankenhaus fuhr, lief einige hundert Meter lang Ryan Hall hinter dem Fahrzeug, der spätere Sieger und ein enger Freund von Shay. Gemeinsam waren sie am Freitag noch im Central Park einige Kilometer gejoggt.
Um 8:46 Uhr Ortszeit wurde am Samstag im Lenox-Hill-Hospital in Manhattan der Tod des Läufers festgestellt.
In der amerikanischen Laufszene herrscht Bestürzung und Fassungslosigkeit. Der 25 Jahre alte Ryan Hall, der in 2:09:02 Stunden siegte, sprach nach dem Rennen davon, dass sich ein Traum erfüllt habe für ihn – dass er aber nur an die Familie von Ryan Shay denken könne. Seine Frau war Trauzeugin, als Ryan und Alicia Shay, ebenfalls Leistungssportlerin, im Juli heirateten.
Todesfälle bei Langläufen sind nicht selten; allein in diesem Jahr haben europäische Medien mehr als ein halbes Dutzend gemeldet. In dem meisten Fällen werden sie mit der Überforderung von Hobbysportlern oder unerkannten Krankheiten erklärt. Der Todesfall, der vor vier Wochen für den Abbruch des Chicago-Marathons sorgte, ist auf eine Herzerkrankung des Verstorbenen zurückzuführen. Der Mann war von seinem Arzt gewarnt worden vor Ausdauerbelastungen wie einem Marathonlauf.
Ryan Shay aus dem Ort East Jordan in Michigan dagegen war seit frühester Jugend Leistungssportler. Er startete für das College Team von Notre Dame, für das er 2001 Hochschulmeister über 10 000 Meter wurde. Sein damaliger Trainer, Joe Piany, beschreibt ihn als den besten Läufer, den er in 33 Jahren betreute. "Er hatte eine unglaubliche Fähigkeit, sich selbst anzutreiben", sagte seine Trauzeugin Sara Hall der Zeitung USA Today. "Ich habe gesehen, wie er bei Ergometertests zusammengebrochen ist. Er konnte bis an die Grenze gehen." Amerikanische Journalisten beschreiben ihn als Athleten, dessen Willen noch stärker gewesen sei als seine Beine. Eine Autopsie soll nun die Gründe seines Todes klären.
"Sein Tod fährt wie ein Messer in unser Herz", sagte die Renndirektorin des New-York-Marathons, Mary Wittenberg. Sie weinte dabei.
Starkes Comeback von Paula Radcliffe – Tod von Ryan Shay überschattet Marathon in New York
Der Tod des Marathonläufers Ryan Shay und das beeindruckende Comeback von Paula Radcliffe haben das Marathon-Wochenende von New York geprägt. Der 28 Jahre alte Shay, amerikanischer Marathonmeister von 2003, brach am Samstag bei der Olympiaausscheidung auf einem Rundkurs im Central Park bei Kilometer neun zusammen. Im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Vermutlich wird eine Autopsie angeordnet werden.
Am Tag darauf machten beim New York Marathon die Engländerin Paula Radcliffe und die Äthiopierin Gete Wami die Straßen der Stadt zu ihrer Bühne. Rund eine halbe Stunde vor den Männern gestartet, attackierten sie ohne Umstände und ließen keinen Zweifel daran, dass sie den Sieg unter sich ausmachen würden. Nach vier Antritten auf den letzten Kilometern konnte die 33 Jahre alte Paula Radcliffe, Weltmeisterin von Helsinki 2005, mit 2:15:25 Stunden schnellste Marathonläuferin der Welt und seit Januar Mutter einer Tochter, die ein Jahr jüngere Gete Wami schließlich abschütteln.
Sie siegte in 2:23:09 Stunden. Gete Wami sicherte sich 23 Sekunden zurück mit Platz zwei den Jackpot der erfolgreichsten Marathonläuferin der vergangenen zwei Jahre, den die World Marathon Majors mit einer halben Million Dollar dotieren. Vor fünf Wochen erst gewann die Äthiopierin wie im Vorjahr den Berlin-Marathon; in London war sie Anfang des Jahres wie in New York Zweite. Dritte wurde Titelverteidigerin Jelena Prokopcuka (Lettland/2:26:13) und scheiterte damit bei dem Versuch, zum dritten Mal nacheinander in New York und damit ihrerseits den Jackpot zu gewinnen.
Im Rennen der Männer siegte der Kenianer Martin Lel in 2:09:05 Stunden, zwölf Sekunden vor dem Marokkaner Abderrahim Goumri. Den Jackpot hatte sein Landsmann Robert Cheruiyot mit zwei Siegen in Boston und einem in Chikago (2006) schon vorher sicher.
Die amerikanische Laufszene ist nach dem Tod des 25 Jahre alten Ryan bestürzt. Während die meisten Todesfälle bei Langläufen auf die Überforderung von Hobbyläufern oder nicht erkannte Erkrankungen zurückzuführen sind, dürfte Ryan, seit seiner Jugend Leistungssportler, ständig unter ärztlicher Kontrolle gestanden haben. Muskulös und kraftstrotzend wirkte er wie ein Muster an Gesundheit. Seine Eltern sind Lauftrainer, seine Geschwister und seine Frau Alicia, die er vor vier Monaten geheiratet hatte, sind Sportler. Um von seinem Trainer Joe Virgil intensiver betreut werden zu können, war Shay in diesem Jahr ins Höhentrainingszentrum Flagstaff in Arizona gezogen. Sein Läufer habe vor dem Rennen am Samstag keinerlei gesundheitliche Probleme gehabt, sagte Virgil.
"Die Olympia-Qualifikation ist immer ein Feiertag. Aber heute sind wir untröstlich", kommentierte der Präsident des amerikanischen Leichtathletik-Verbandes, Craig Masback.
Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Montag, dem 5. November 2007