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06
10
2009

Es sei daran erinnert, dass der einzige Weltrekordlauf eines Deutschen im Berliner Olympiastadion 1952 erfolgt ist, durch Werner Lueg über 1.500 m, den Olympiadritten des gleichen Jahres.

Mit neuen Ideen Krebsgang stoppen – Manfred Steffny in SPIRIDON

By GRR 0

Wie macht man die Leichtathletik, insbesondere ihr Kernstück Laufen, attraktiver? Wer sich da die meisten Gedanken macht, sind die Veranstalter von Weltklasse in Zürich, dem besten Leichtathletik-Sportfest der Welt. Sie hätten es nicht nötig, denn die 26.000 Sitzplätze im neuen Letzigrund-Stadion waren auch bei der Ausgabe 2009 schnell ausverkauft und das Fernsehen überträgt live in S2 und in viele Länder.

Mit am wichtigsten sei die nationale Repräsentanz, heißt es. Und die kann in der Schweiz ja nicht so stark sein. Doch konnte man einen Landesrekord über 4×100 m gebührend feiern, auch wenn es nur der sechste Platz in 38,78 sec knapp hinter Deutschland war. Das Vorprogramm war ganz auf die Eidgenossen abgestellt mit ungewöhnlichen Nachwuchsstaffeln.

Und schließlich feierte man am Schluss mit Heinz Frei eine Institution des Behindertensports. Der 51-jährige Paralympic-Sieger absolvierte sein letztes Rennen im Rollstuhl auf der Bahn und wurde anschließend unter brausendem Applaus zum Ehrenmitglied des LC Zürich ernannt. Im Marathon wird der Schweizer, der hier über 100 Siege im Rollstuhl feiern konnte, allerdings weitermachen.

2008 wollte Zürich spannende Rennen ohne Hasen präsentieren. Das war ein Fehlschlag, denn dadurch wurde gebummelt. Noch einen Vorteil stellen im Rekordtempo angehende Hasen dar: sie ziehen die oft großen Felder auseinander und machen die Rennen übersichtlicher. Der Fehler wurde 2009 abgestellt. Schon zu Beginn gab es eine pfiffige Überraschung, als die Stars in Rikschas ins Stadion fuhren. Mittendrin quakten nicht wie in Deutschland oft unpassende laute Klänge aus Verstärkern, sondern die erste Zuschauerreihe in Zürich machte die Musik, indem sie im Rhythmus der Läufer gegen die Bande klopfte.

Auch Brüssel bot eine Woche später vor vollen Rängen und 47.000 Besuchern ein besseres Rezept: Trommler, die im Takt zu den Rundläufen wirbelten. In Zürich beendeten eine Schlusspräsentation und ein Feuerwerk den gelungenen Abend.

In Deutschland bleiben uns läuferisch oft nur Reminiszenzen, so wie beim Läufertreff anlässlich der Weltmeisterschaft in Berlin, wo die früheren Mittelstreckler Detlef Wagenknecht und Horst Milde die einstige Elite eingeladen hatten. Beim Treffpunkt in einer Villa im Grunewald sah man frühere Medaillengewinner wie Hans Grodotzki, Bodo Tümmler, Gunhild Hoffmeister und Franz Josef Kemper. Sie beklagten einhellig das Absinken in die Bedeutungslosigkeit der heutigen deutschen Läufer, die im Olympiastadion dann hinterherliefen – wenn überhaupt –, mit Ausnahme der 4×100-m-Staffel der Frauen.

Es sei daran erinnert, dass der einzige Weltrekordlauf eines Deutschen im Berliner Olympiastadion 1952 erfolgt ist, durch Werner Lueg über 1.500 m, den Olympiadritten des gleichen Jahres. 

Wenige Tage nach der WM verlor Deutschland seinen letzten Laufweltrekord: über 4×1.500 m. Es war der einzige Weltrekord, mit dem sich das Golden-League-Meeting in Brüssel schmücken konnte. Vier Kenianer liefen 14:36,23 min und damit über 2 sec schneller als die deutsche Staffel 1977 mit Thomas Wessinghage (3:38,8), Harald Hudak (3:39,1) Michael Lederer (3:44,6) und Karl Fleschen (3:36,3) und der Gesamtzeit von 14:38,8 min.

Den Rekord erzielte das Quartett William Tanui (3:38,5), Gideon Gathimba (3:41,4), Geoffrey Rono (3:39,5) und Augustine Choge (3:36,9).

Wilfried Meert, der Organisator von Brüssel, betonte, wie schwer es sei, im Alleingang eine solche Zeit zu laufen. „Die Läufer von heute sind ja nur gewohnt mit Hasen zu laufen.“ Es ist fast unmöglich, vier Runden lang ein gleichmäßiges Tempo zu halten. Umso wertvoller ist im Nachhinein dieser Rekord des DLV-Quartetts, der als ältester IAAF-Rekord galt, über 32 Jahre Bestand hatte. Drei Staffeln traten damals in der Pause des Fußballspiels 1. FC Köln-Werder Bremen an.

Und da haben wir schon die nächste wegen der vielen Stadionabrisse heutzutage größtenteils nicht nachvollziehbare Möglichkeit, den Laufsport populärer zu machen. Staffeln oder ein interessanter Laufwettbewerb werden auch vom Fußballpublikum gefeiert, enthusiastisch sogar, wenn die eigenen Vereinsfarben dabei auftauchen. Wir Läufer sind hinaus in die Städte gegangen, nun müssen wir gegebenenfalls wieder zurück in die Stadien, auch zu gemischten Sportveranstaltungen.

Horst Milde wies beim Läufertreff im Grunewald darauf hin, dass die Amerikaner inzwischen ihren Rückstand auf die Weltspitze aufgeholt haben. Er rief die alten Meister auf, Ideen für eine deutsche Zukunft zu liefern, die dem DLV fehlen. Hohe Preisgelder bei US-Meisterschaften machten es für amerikanische Spitzenläufer interessant, mal ein paar Semester für den Sport zu opfern, wozu in Deutschland nur wenige die Courage haben. Bundeswehr und Polizei sind nicht für jeden die geeignete Alternative.

Dathan Ritzenhein und Matthew Tegenkamp bei der WM, in Zürich und Brüssel waren mit ihren Leistungen über 5.000 m das Ausrufezeichen zu Mildes Worten. Ritzenhein wurde über 10.000 m mit 27:22,28 min als WM-Sechster bester Nichtafrikaner und im 5.000-m-Endlauf hatte Tegenkamp bis 150 m vor dem Ziel Kontakt mit der Spitze und wurde Achter in 13:20,83 min. In Zürich dann brach Ritzenhein mit 12:56,27 min den Uralt-Rekord von Bob Kennedy, der 1996 an gleicher Stätte mit 12:58,21 min US-Rekord gelaufen war. Der Bann war gebrochen und Tegenkamp machte es ihm in Brüssel beinahe nach, in dem er als Siebter 12:58,56 min lief.

Kennedy galt Ende der 90er Jahre mit Dieter Baumann als weißer Kenianer.
Ritzenhein schwankte lange zwischen den Strecken. Er war enttäuscht, als er in London 2009 nur Elfter im Marathon in 2:10:00 h wurde und ging dann zu Alberto Salazar, dem erfolgreichen Trainer in Oregon. Nun explodierte er förmlich auf den Bahnlangstrecken, wurde schneller, was selten ist. Normalerweise geht man den Weg von kurz nach lang und nicht umgekehrt. Eine der wenigen Ausnahmen ist die 1.500-m-Weltmeisterin Maryam Yamal, die als Halbmarathonläuferin begann.

„Teg“ und „Ritz“ trainierten vor ihren europäischen Rennen in St. Moritz in der Höhe. Tegenkamp gehört zur Gruppe der Kimba-Runner, die sich an kenianischen Vorbildern orientiert. Interessant, selbst in St. Moritz hatte Tegenkamp sein Höhenzelt mit, das die Bildung von roten Blutkörperchen auf natürliche Weise fördert. In Oregon trainiert man regelmäßig in einer Höhenkammer.

Es gibt noch ein Rezept: Elite-Mittelstrecken als Nebenwettbewerb bei längeren Straßenläufen. In Düsseldorf beim Kö-Lauf wurde dies wieder mit der Meile praktiziert. Wolfram Müller siegte und war davon sehr angetan, empfahl eine ganze Serie solcher Läufe in Deutschland. Warum nicht?

Irgendwie müssen wir das Loch, das in Deutschland im Mittel- und Langstreckenlauf entstanden ist, zustopfen. Wer 1.500 m oder die Meile auf der Straße laufen kann, wo es kein Verstecken im Feld gibt, eine rauere Luft weht, kann ggf. auch 5.000 m laufen oder wird halt tempohart auf 1.500 m.

Junge Talente bei den Nachwuchsläufen gibt es genug, die hier hineinwachsen können.    

Manfred Steffny in SPIRIDON 10/2009 

author: GRR

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