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11
2007

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention hat hierzu eine „Leitlinie Vorsorgeuntersuchung im Sport“ herausgegeben. Der untersuchende Arzt sollte ausdrücklich die Sporttauglichkeit für Marathon bescheinigen.

Menschen kann man nicht vor sich selbst schützen, oder wenn die Unvernunft trotz besseren Wissens siegt, helfen auch Appelle nicht – Dr. Dr. Lutz Aderhold – Die Reihe der Medizin- und Sportmedizin-Informationen von German Road Races (GRR)

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Eine Häufung von Todesfällen bei Laufveranstaltungen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums hat den Ausdauersport Laufen in die Diskussion gebracht. Wer Marathon läuft, sollte rundum gesund sein und sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention hat hierzu eine „Leitlinie Vorsorgeuntersuchung im Sport“ herausgegeben. Der untersuchende Arzt sollte ausdrücklich die Sporttauglichkeit für Marathon bescheinigen. Die Todesfälle in diesem Jahr haben auch die Veranstalter der German Road Races beunruhigt. Seither häufen sich die sportmedizinischen Beiträge hierzu auf deren Webseiten (www.germanroadraces.de). Auch von mir wurde hier ein Artikel zu diesem Thema veröffentlicht („Durch Aufklärung und Vorsorge den Läufertod verhindern“). Plötzliche Todesfälle bei Laufveranstaltungen treffen meist Läufer im mittleren Alter und es sind nicht nur die weniger trainierten. Aktuell ist bei den US-Trials im Marathonlauf am Vortag des New York Marathons der 28-jährige mehrfache US-Meister im Langstreckenlauf Ryan Shay gestorben. Es findet sich kein Muster für die Gefährdung, jedoch sind Risikofaktoren (Plötzliche Todesfälle und Schlaganfälle in der Familie, Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Nikotinkonsum, Übergewicht) bekannt.

Der gesunde Sportler hat kein bekannt erhöhtes Risiko beim Marathonlauf.
Es geht eben darum, die Menschen herauszufiltern, die eine gefährdende Erkrankung haben. Es ist deshalb das Bestreben der Veranstalter, jeden Läufer darauf hinzuweisen, dass er mit seinem Gut Gesundheit vernünftig umgeht und Warnzeichen nicht ignoriert. Der Frankfurt Marathon hat auf seiner Webseite (www.frankfurt-marathon.com) umfangreiche Hinweise für Läufer zu medizinischen Belangen bereitgestellt. Dort wird auf die Gefahren hingewiesen, die falscher Ehrgeiz, unzureichende Trainingsvorbereitung und fehlende ärztliche Kontrolle mit sich bringen.

Ganz bewusst soll mit den Hinweisen das Risikobewusstsein der Teilnehmer geschärft werden.
Wer sich mit ärztlichem Attest verletzt oder krank abmeldet, erhält im nächsten Jahr einen Freistart. Damit wurde ein Instrumentarium geschaffen, das auch den letzten Unvernünftigen zur Absage im Krankheits- oder Verletzungsfall bewegen soll. Wenn der Läufer allerdings so wenig sensibilisiert ist, dass er trotzdem startet, dann ist er wohl beratungsresistent. Untersuchungen insbesondere in den USA haben ergeben, dass das Todesfallrisiko bei Straßenläufen über kürzere Distanzen wesentlich geringer ist als bei Marathonläufen. Denn die langen Strecken verlangen dem Körper alles ab. Ambitionierte Freizeit-Marathonläufer haben ein mehr als doppelt so hohes Risiko am plötzlichen Herztod zu sterben wie Altersgenossen, die ihren Körper nicht derart belasten. Das individuelle Risiko, beim Marathon zu sterben, kann deutlich verringert werden, wenn zuvor eine gezielte medizinische Untersuchung erfolgt. Da eine Überprüfung aller Sportler aufgrund des hohen zeitlichen und apparativen Aufwandes kaum möglich und auch finanzierbar sein wird, ist es um so wichtiger, verdächtigen Symptomen nachzugehen.

Grundsätzlich sollte aber der jährliche Gesundheitscheck für den Läufer selbstverständlich sein.
Nicht jeder, der an einer Laufveranstaltung teilnehmen möchte, ist gesund. Gute Leistungsfähigkeit und Beschwerdefreiheit sind nicht gleichbedeutend mit Gesundheit. Die Veranstalter können den Teilnehmern ihre Eigenverantwortung nicht abnehmen. Der Appell an die Vernunft der Läufer ist eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen, die der Veranstalter leisten kann. Jeder Läufer hat aber Verantwortung für sich selbst und auch für die Veranstaltung an der er teilnimmt. Willi Heepe, der langjährige Rennarzt des Berlin Marathons zu der Thematik Bluthochdruck und Sport: „Man könnte erwarten, dass ein vorsorgebewusster Sportler besser informiert ist und diese Krankheit ernster nimmt. Leider sprechen unsere Erfahrungen hier eine andere Sprache. Er vergisst, dass der Hochdruck für ihn genauso schädlich, ja wenn ein hoher Belastungsdruck besteht, sogar noch schädlicher als für Normalbürger ist“. Marathonlaufen hat primär nichts mit präventivem Ausdauersport oder Lauftherapie zu tun, es ist eine starke Belastung für das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat. Jeden zweiten Tag sich ausdauerorientiert zu bewegen wirkt in vielerlei Hinsicht präventiv und bedarf keines Marathonlaufs. Sportliche Extremvarianten können mit erheblichen Blutdruckanstiegen verbunden sein und sind keineswegs für Hochdruckpatienten geeignet. Dies wird auch in einer neuen Übersichtsarbeit von Predel, HG (Bluthochdruck und Sport, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 58, 328 – 333, 2007) deutlich gemacht.

Alle Appelle nutzen aber nichts, wenn Läufer wie zwanghaft trotz besseren Wissens am Marathon teilnehmen.
Marathonläufe werden heute nicht selten nach dem Motto „das schaffe ich auch“ aus einer Bierlaune oder Wette heraus schlecht vorbereitet angegangen. Die meisten Teilnehmer an Ultramarathon-Wettkämpfen sind dem gegenüber in den meisten Fällen gut trainiert und physisch wie psychisch gut vorbereitet. Es gibt nur wenige, die auf „gut Glück“ teilnehmen, dafür ist die Strecke einfach zu abschreckend. Trotzdem ist es auch beim diesjährigen Comrades-Marathon, dem bekannten Ultralauf in Südafrika über 89 km, zu einem Todesfall gekommen. Nachdenklich müssen einen aber Fälle machen, wie der eines Mediziners, der am Frankfurt Marathon teilgenommen hat. Über viele Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben wegen schlecht einstellbarem Bluthochdruck und noch anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, nimmt er trotzdem am Marathon teil und erreicht das Ziel nach über 5 Stunden. Bei einem Mediziner und erfahrenen Läufer muss man von einem entsprechenden Wissensstand (s.o.) ausgehen.

Außerdem sollten gerade Ärzte in dieser Hinsicht eine Vorbildfunktion einnehmen.
Es ist wohl kaum vorstellbar, dass der behandelnde Facharzt nach dieser langen Krankschrift ausdrücklich die Starterlaubnis erteilt hat. Arbeitsunfähigkeit bzw. stark eingeschränkte Arbeitsfähigkeit passen nicht mit einer Erklärung „Ich bin gesund“ und der Teilnahme am Marathon zusammen. Eine solches Verhalten ist genau das, was die Veranstalter der „German Road Races“ vermeiden wollen. Die neuen Teilnehmerrichtlinien mit einem Gesundheitsfragebogen, die ab 2008 gelten, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Alle diese Maßnahmen können aber die Unvernünftigen nicht vor sich selbst schützen.

Dr. Dr. Lutz Aderhold 11/2007

Verein zur Förderung des Ultramarathonlaufs in Deutschland
Ultramarathonlauf in Deutschland

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