Doch der Sieg zahlt sich aus. Laut der staatstreuen Zeitung „China Daily“ hat die chinesische Sportverwaltung für jede Goldmedaille 250 000 Yuan ausgelobt, umgerechnet 25 000 Euro, das sind noch einmal 50 000 Yuan mehr als bei den Spielen in Athen
Medaillen – Sie sind die Stärksten beim Gewichtheben und die Elegantesten beim Wasserspringen. Warum gewinnen so viele Chinesen Gold? Von Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Die jüngste Goldmedaille Chinas ist mit einer Einstellung erkämpft worden, als ginge es um Leben und Tod. Yang Xilui hat sie gewonnen im Judowettbewerb der Frauen bis 78 Kilogramm. Sie ist Soldatin, genauso wie deutsche Sportler auch zu einer Sportfördergruppe der Bundeswehr gehören. Nur, dass sie eine soldatische Einstellung offenbar verinnerlicht hat. „Soldatin zu sein hilft mir, Athletin zu sein“, sagte sie nach ihrem Sieg.
„Denn als Soldatin kann ich auf dem Schlachtfeld sogar sterben, also wovor sollte ich hier Angst haben? Ich glaube, man muss sein Bestes geben, um zu überleben.“
Auch die Goldmedaille zuvor, von Zhang Juan Juan im Bogenschießen, ist offenbar in ähnlichem Geist gewonnen worden. „Ich hatte mich auf einen großen Krieg eingestellt“, sagte sie. Wer so denkt, hat offenbar gar nichts zu verlieren.
Nicht alle der chinesischen Goldmedaillen haben eine solche Geschichte. Dazu sind es auch zu viele mit zu vielen verschiedenen Hintergründen. 22 waren es bis zum gestrigen Abend. Und es ist nicht so, dass sie sich dabei besonders einseitig angestellt haben. Chinesische Athleten waren nicht nur die Stärksten beim Gewichtheben, sondern auch die Elegantesten beim Wasserspringen, die Präzisesten beim Schießen und die Athletischsten beim Turnen. Im Bogenschießen, Fechten, Judo und Schwimmen waren sie auch noch erfolgreich. 22 Goldmedaillen – dabei ist im chinesischen Nationalsport Tischtennis noch keine einzige Medaille vergeben worden.
Wenn sie so weitermachen, haben die Chinesen ihre Bilanz von Athen bald mühelos übertroffen, wo sie vor vier Jahren 32 Mal Gold mitnahmen. Der Erfolg ist allerdings schon lange geplant worden: Als die Spiele 2001 nach China vergeben worden sind, rief China das Projekt 119 ins Leben. Es sah vor, medaillenträchtige Sportarten zu fördern. 119 Medaillen sollten es in diesen Sportarten werden, inzwischen ist das Ziel auf 122 angehoben worden. Es wird geschätzt, dass jede Goldmedaille mehr als 4,5 Millionen Euro kostet. Die chinesische Sportverwaltung hat für den Erfolg bei diesen Spielen einige Trainer ins Land geholt, gerade in den Disziplinen, in denen ihnen eigene Erfahrungen fehlten.
Noch immer gilt Sport als Katapult für den sozialen Aufstieg, und gerade ärmere Familien investieren viel in die sportliche Ausbildung ihrer Kinder. Die Eltern der Wasserspringerin Wang Xin betrieben einen Stand auf einem Nachtmarkt, um die Gebühren für das Training ihrer Tochter zu bezahlen. Sie gewann Gold im Synchronspringen vom 10-Meter-Turm. Die Eltern von Lin Yao, Goldgewinner im gleichen Wettbewerb der Männer, verkauften ihr Haus, damit ihr Sohn das beste Training bekam.
Doch der Sieg zahlt sich aus. Laut der staatstreuen Zeitung „China Daily“ hat die chinesische Sportverwaltung für jede Goldmedaille 250 000 Yuan ausgelobt, umgerechnet 25 000 Euro, das sind noch einmal 50 000 Yuan mehr als bei den Spielen in Athen. Damit fängt die Belohnung jedoch erst richtig an. Es gibt eine Stiftung aus Hongkong, die jedem chinesischen Goldmedaillengewinner seit 1984 ein Kilogramm Gold und 80 000 Dollar geschenkt hat. Ein Olympiasieger in China kann mit mindestens 150 000 Euro rechnen, er muss die Prämien nicht versteuern.
In vielen Fällen werden es die Sportler als Belohnung annehmen, andere, nach Jahren disziplinierten Trainings auch als Entschädigung.
Von Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Freitag, dem 15. August 2008