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29
09
2010

Das wollte ich so nicht hinnehmen, und so entwickelte ich einen Notfallplan für Thomas. Der war zwar knallhart, aber dafür gab er Thomas und mir die Garantie, dass er nach vier Wochen Vorbereitung fit genug sein würde, um das Ziel des Marathons gesund und munter zu erreichen.

MARTIN GRÜNING in RUNNERS WORLD – Die Kurve kriegen – Die Vorbereitungen für die Herbstmarathons laufen auf Hochtouren, nur bei Ihnen läuft nichts – Sie haben den Trainingsstart verpasst? Unser Crash-Programm bringt Sie dennoch sicher an den Start.

By GRR 0

ES IST JEDES JAHR DASSELBE: Mitte August ruft er mich an. Ich brauche gar nicht auf den Kalender zu schauen: Wenn Thomas Brinkmann am Telefon ist, sind es noch exakt vier Wochen bis zum Berlin-Marathon. Thomas ist ein alter Schulfreund. Früher waren wir mal gemeinsam im Leichtathletik-Verein. Dann wurde Thomas Manager, ich blieb Läufer und wir verloren uns aus den Augen.

Vor ungefähr zehn Jahren, ebenfalls im August, rief er zum ersten Mal an: „Hallo Martin, Thomas hier. Ich brauche eine Startnummer für den Berlin-Marathon!“ – „Pech für dich, der ist schon lange ausgebucht“, antwortete ich. Genau ein Jahr später rief Thomas wieder an, und ich konnte ihm wieder nur dieselbe Antwort geben.

So ging das Jahr für Jahr. Irgendwann war ich dann vorbereitet: Ich hatte Thomas rechtzeitig eine Startnummer gekauft, und als er anrief – „Hallo Martin, Thomas hier. Ich brauche …“ – konterte ich: „Du bist dabei!“ Ihm verschlug’s die Sprache. Erst dachte ich: vor Freude, doch dann stotterte er: „Oh, das habe ich nicht erwartet. Und trainiert habe ich dafür auch nicht.“

Das wollte ich so nicht hinnehmen, und so entwickelte ich einen Notfallplan für Thomas. Der war zwar knallhart, aber dafür gab er Thomas und mir die Garantie, dass er nach vier Wochen Vorbereitung fit genug sein würde, um das Ziel des Marathons gesund und munter zu erreichen.

Und so kam es auch: Thomas blieb locker unter 4:30 Stunden.

GRUNDVORAUSSETZUNG: 20 WOCHENKILOMETER

„Wenn man nur vier Wochen Zeit für die Vorbereitung hat, sollte man sich den Marathon eigentlich abschminken“, sagen die meisten Coachs wie zum Beispiel der Bra-silianer German Silva, der 1994 und 1995 den New-York-Marathon gewann und -heute regelmäßig Freizeitläufer auf die klassische Distanz vorbereitet. Zugegeben: Nicht jeder kann und darf es wagen, in nur vier Wochen ein solches Rennen anzugehen. Ob Sie es in vier Wochen wirklich bis zur Marathonreife schaffen, hängt natürlich entscheidend davon ab, wie Ihr Training in den vergangenen Wochen ausgesehen hat, denn die Herausforderung steigt mit jedem nicht gelaufenen Kilometer der letzten Wochen.  

> Sie sind in den letzten Wochen weniger als 20 Kilometer pro Woche gelaufen?

„Sag Ihnen, dass Sie die Finger vom Marathon und auch von deinem Crash-Kurs lassen sollen“, rät German Silva, und ich schließe mich ihm an. Melden Sie sich für einen Marathon im Frühjahr 2011 an und beginnen Sie jetzt mit der Vorbereitung.

> Sie sind in den letzten Wochen 20 bis 40 Kilometer pro Woche gelaufen?

„Die kämpfen ums Überleben. Ankommen ist ihr einziges Ziel“, meint der brasilianische Coach. Ich sage: Für Sie ist unser Notfallplan wie gemacht. Vielleicht reicht es am Schluss -sogar noch zu einem Spurt auf der Zielgeraden, um Freunden zu imponieren.

> Sie haben in den vergangenen Wochen 40 bis 70 Kilometer pro Woche trainiert?

Sie benötigen die vier Wochen vor allem, um den Fettstoffwechsel zu trainieren und sich auf die Länge der Wettkampfdistanz einzustellen. „Lange Läufe und ein Training im Marathonrenntempo stehen im Mittelpunkt“, mahnt Coach German Silva.

> Sie haben in den letzten Wochen 70 Kilometer und mehr pro Woche trainiert?

„Für Sie wird es kein Problem sein, in vier Wochen die nötige Form für den Tag X zu erreichen. Ich empfehle fünf lange Läufe – der längste bis zu drei Stunden – und drei Einheiten im Marathonrenntempo von bis zu 18 Kilometer Länge“, sagt German Silva.

EIN TESTLAUF ZUM EINSTIEG

 

Außergewöhnliche Ziele erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Das Training im Rahmen eines vierwöchigen Notfallplans ist recht eintönig, aber wer es durchhält, schafft den Marathon. Unser Rat: Machen Sie zu Beginn der vier Wochen einen Testlauf über fünf Kilometer. Anhand Ihrer Endzeit errechnen Sie Ihr Durchschnittstempo. Addieren Sie 1:10 Minuten hinzu, und Sie haben Ihr anzustrebendes Marathonrenntempo.

Beispiel: Wenn Sie die fünf Kilometer in 27:30 Minuten gelaufen sind, ist Ihr Marathontempo 6:40 Min./km, was einer möglichen Endzeit von 4:41:00 entspricht. Der Unterschied: Bei einer normalen 12-wöchigen Marathonvorbereitung könnten Sie mit einer 5-Kilometer-Testzeit von 27:30 Minuten 10 bis 20 Minuten schneller laufen, also unter 4:30 Stunden.

Zwei Tage nach dem Testlauf laufen Sie zehn Kilometer im errechneten Marathonrenntempo und dann alle zwei Tage zwei Kilometer mehr, bis Sie neun Tage vor dem Rennen 24 Kilometer in diesem Tempo laufen können.

Wichtig: Sie sind bei diesem Training auf abgemessene Strecken angewiesen. Fühlen Sie sich einen Tag nicht gut, dürfen Sie ruhig mal 15 Sekunden pro Kilometer langsamer laufen. Wenn Sie sich aber mehrere Tage lang nicht in der Lage fühlen, das Trainingsprogramm zu absolvieren, dann vergessen Sie den Marathon!

Der Notfallplan – So schaffen Sie es mit nur 4 Vorbereitungswochen gesund ins Marathonziel

1. WOCHE
MO    5-km-Testlauf mit Ein- und Auslaufen

MI     2 km Einlaufen, 8 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

FR     2 km Einlaufen, 10 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

SO     2 km Einlaufen, 12 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

2. WOCHE
DI     2 km Einlaufen, 14 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

DO    2 km Einlaufen, 16 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

SA     2 km Einlaufen, 18 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

3. WOCHE
MO    2 km Einlaufen, 20 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

MI     2 km Einlaufen, 22 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

FR     2 km Einlaufen, 24 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

SO    30 Min. lockerer DL
    
4. WOCHE
MO    30 Min. lockerer DL

DI     2 km Einlaufen, 6 km im Marathonrenntempo, 2 km Auslaufen

DO    30 Min. lockerer DL

SA    20 Min. lockerer DL

SO    Marathon

Mehr laufen heißt mehr essen

 

Der abrupte Einstieg in eine Marathonvorbereitung bewirkt einen erhöhten Energieverbrauch des Körpers. Damit Sie nicht schlapp machen, müssen Sie für jeden Kilometer, den Sie mehr laufen als zuvor, zirka 60 Kalorien extra zu sich nehmen. Wenn Sie 50 statt 30 Kilometer pro Woche laufen, brauchen Sie wöchentlich 1200 Kalorien zusätzlich, also täglich 170 Kalorien mehr!

Tipp: Nehmen Sie die Extrakalorien spätestens zwei Stunden nach dem Training zu sich – in der Zeit kann die Muskulatur Energielieferanten am besten einlagern.

Wichtig: die Schuhe einlaufen

 

 

Vier Wochen vor dem Marathon bleibt noch genug Zeit, um passende Schuhe für den Lauf zu finden und – ganz wichtig – diese auch einzulaufen. Mindestens die Distanz des Marathons, also 42 Kilometer, sollten Sie die Schuhe, die Sie am Renntag nutzen wollen, schon im Training getragen haben.

Übrigens: Der beste Schuh für einen Marathon ist nicht unbedingt der leichteste, sondern der, der am besten passt. Sehr zuverlässig ist der subjektive Eindruck beim ersten Reinschlüpfen und den ersten Laufschritten im Geschäft: Wenn man sofort das Gefühl hat, dass der Schuh passt, ist es in der Regel der richtige.

Martin Grüning in RUNNERS WORLD – September 2010

author: GRR

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