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27
05
2016

Was nun? Kenenisa Bekele wollte olympische Geschichte schreiben, wurde aber von seinem eigenen Verband ausgebremst. ©Victah Sailer

Marathon-Olympia-Nominierungen in Kenia und Äthiopien: Funktionäre nehmen Kenenisa Bekele die Chance, Sportgeschichte zu schreiben

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Die Leichtathletik-Verbandsfunktionäre aus Kenia und Äthiopiern haben im Laufe des Monats mit den Nominierungen für den olympischen Marathon auch für ein paar Überraschungen gesorgt.

Das kam nicht unerwartet, denn immer wieder gab es in der Vergangenheit Nominierungs-Entscheidungen, die für Laufsport-Insider kaum nachvollziehbar waren – offenbar spielen bei der Vergabe der sehr prestigeträchtigen Olympia-Startplätze nicht nur sportliche Leistungen eine Rolle.

Ein Auszug aus der Liste jener Athleten aus Kenia und Äthiopien, die zu Hause bleiben werden, liest sich insgesamt prominenter als jene der nominierten Läufer: Wilson Kipsang, Dennis Kimetto, Mary Keitany, Florence Kiplagat und Gladys Cherono (alle Kenia) blieben ebenso auf der Strecke wie die Äthiopier Kenenisa Bekele, Lelisa Desisa, Tirfi Tsegaye und Meselech Melkamu.

Profitieren von dieser Situation dürften die Herbst-Marathonrennen im September und Oktober – darunter die deutschen Rennen in Berlin und Frankfurt -, die nun plötzlich Athleten an den Start bringen könnten, die eigentlich zu den Olympia-Favoriten zählen sollten.

Kenia nominierte bei den Männern mit Eliud Kipchoge den zurzeit stärksten Marathonläufer der Welt. Er gewann im April zum zweiten Mal in Folge den London-Marathon, nachdem er im vergangenen September auch in Berlin triumphiert hatte. Diese Nominierung war klar, und auch die von Stanley Biwott – in London Zweiter und im vergangenen November Sieger des New York-Marathons – ist keine Überraschung.

Warum Wesley Korir jedoch den dritten Startplatz erhielt, lässt sich sportlich schwer erklären. Er war in diesem Jahr Vierter in Boston hinter drei Äthiopiern und lief in einem langsamen Rennen 2:14:05. Mit seiner vier Jahre alten Bestzeit von 2:06:13 platziert sich Korir nicht einmal unter den besten 40 kenianischen Marathonläufern aller Zeiten.

Dafür lässt Kenia zum zweiten Mal in Folge bei Olympischen Spielen den aktuellen Marathon-Weltrekordler zu Hause: 2012 wurde das Übergehen von Patrick Makau in Kenia sehr kritisch gesehen, nun fehlt Dennis Kimetto (2:02:57 Stunden), der allerdings zuletzt auch nicht mehr an seine besten Zeiten herankam.

Unverständlich ist, warum Wilson Kipsang, der 2013 in Berlin mit 2:03:23 Weltrekord gelaufen war und im Jahr zuvor bei Olympia Bronze gewonnen hatte, nicht zum Team zählt.

Kipsang ist Sprecher der unabhängigen kenianischen Athleten-Vereinigung und hat die kenianischen Funktionäre in der Vergangenheit auch bezüglich des Dopingskandals immer wieder stark kritisiert. Auch wenn es heißt, er habe selber auf eine Nominierung verzichtet, liegt nahe, dass er aufgrund seiner kritischen Haltung aufs Abstellgleis geschoben wurde.

Noch weniger nachvollziehbar ist allerdings die Nominierung des kenianischen Frauen-Teams für den Olympia-Marathon.

Dass sich Jemima Sumgong mit ihrem Sieg in London das Rio-Ticket gesichert hat, stand außer Frage. Doch neben ihr wurden die aktuelle Tokio-Siegerin Helah Kiprop, die immerhin im vergangenen Jahr WM-Zweite war, und völlig überraschend Visiline Jepkesho, die den Paris-Marathon mit 2:25:53 gewonnen hatte, nominiert.

Die aktuelle New-York-Marathon-Siegerin und Afrika-Rekordlerin Mary Keitany – mit ihrer Bestzeit von 2:18:37 ist sie die schnellste zurzeit aktive Marathonläuferin der Welt – wurde ebenso wie die Chicago-Marathon-Siegerin und Halbmarathon-Weltrekordlerin Florence Kiplagat nicht für einen der drei Startplätze berücksichtigt. Auch Kenias Marathon-Shooting-Star des letzten Jahres, die Berlin-Siegerin Gladys Cherono, wurde übergangen, nachdem sie verletzungsbedingt in London nicht starten konnte.

Die äthiopischen Funktionäre lassen mit Kenenisa Bekele nicht nur ihren Langstrecken-Superstar zu Hause sondern sie verbauen ihm auch die Chance, ein Stück Sportgeschichte zu schreiben. Erst zwei Athleten ist es in der Geschichte der Olympischen Spiele gelungen, neben den 5.000 und den 10.000 m auch den Marathon zu gewinnen:

Hannes Kolehmainen (Finnland) gelang dies vor gut 100 Jahren, der legendäre Tscheche Emil Zatopek schaffte 1952 in Helsinki einen einmaligen Gold-Hattrick. Nachvollziehbar sind sicherlich die Nominierungen des aktuellen Dubai- und Hamburg-Marathon-Siegers Tesfaye Abera sowie die von Hayle Lemi, der in Dubai Zweiter war und dann in Boston gewann. Beide haben allerdings nun im Olympiajahr auch schon zwei Marathonrennen in den Beinen.

Warum Tokio-Sieger Feyisa Lilesa (2:06:56) gegenüber dem nach langer Verletzungspause mit einem starken dritten Rang in London zurückgekommenen Bekele (2:06:36) vorgezogen wurde, ist schwer verständlich. Nicht ganz ausgeschlossen scheint, dass die Äthiopier diese Entscheidung noch einmal revidieren.

Weltmeisterin Mare Dibaba führt das Frauen-Team an, für das auch Aberu Kebede und Aselefech Mergia nominiert wurden.
Kebede war im vergangenen Jahr Zweite in Berlin. Ihr letzter Marathonsieg datiert aus dem Jahr 2014, als sie in Frankfurt triumphierte. Mergia gewann im vergangenen Jahr in Dubai nach einer Babypause, konnte danach aber nicht mehr an diese Leistung anknüpfen.

Unberücksichtigt blieben unter anderen die aktuelle Dubai-Siegerin Tirfi Tsegaye – mit 2:19:41 die bisher einzige Frau, die in diesem Jahr unter 2:20 Stunden lief – oder auch die Dubai-Dritte und Hamburg-Siegerin Meselech Melkamu.

race-news-service.com
 

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