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22
01
2012

Herbert Steffny - „Wenn Du laufen willst, dann laufe eine Meile, wenn Du aber Dein Leben verändern willst, dann laufe einen Marathon!“ stellte Herbert Steffny seinem Seminar „Marathon – Faszination, Phänomen, Vorbereitung“ zum Auftakt der vierteiligen Veranstaltungsserie zum MLP Marathon Mannheim Rhein-Neckar am 12. Mai 2012 in einer Anleihe der tschechischen Langstreckenlegende Emil Zatopek voran. ©wus-media - Wilfried Raatz

Marathon – Faszination, Phänomen und Vorbereitung für den MLP Marathon Mannheim Rhein-Neckar 2012 – Wilfried Raatz berichtet

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„Wenn Du laufen willst, dann laufe eine Meile, wenn Du aber Dein Leben verändern willst, dann laufe einen Marathon!“ stellte Herbert Steffny seinem Seminar „Marathon – Faszination, Phänomen, Vorbereitung“  zum Auftakt der vierteiligen Veranstaltungsserie zum MLP Marathon Mannheim Rhein-Neckar am 12. Mai 2012 in einer Anleihe der tschechischen Langstreckenlegende Emil Zatopek voran.

Über sechzig Teilnehmer, gewiss nicht allesamt Kandidaten für einen bevorstehenden Start über die 42,195 km-Distanz, wollten den 59jährigen Trainer, Journalisten und früheren Spitzenläufer mit sechzehn deutschen Meistertiteln auf Distanzen von 10.000 m über Cross bin hin zur Marathondistanz, EM-Dritten von Stuttgart (1986), Olympiastarter und Sieger der Marathonläufe in Frankfurt und München, live erleben.

Mehr hätte ehrlich gesagt auch der Veranstaltungsraum im Pfitzenmeier Wellness & Fitness Park Schwetzingen nicht fassen können. Langanhaltender Beifall für ein dreistündiges Feuerwerk aus Trainingslehre, Insiderwissen aus der weltweiten Laufszene und Erfahrungen aus drei Jahrzehnten Seminarpraxis gaben den Machern der AOK-Läuferakademie mit dem geschickt gewählten Schachzug, Herbert Steffny als Referent zum Auftakt der 2012er Veranstaltungsreihe zu gewinnen, recht. Hier Witz und Entertainment, dort geballtes Fachwissen als Biologe und Lauf-Autodidakt – die drei Stunden gingen herum wie im Fluge.

Auch wenn sich so mancher anschließend so fühlte wie nach einem Marathon oder einem Drei-Stunden-Longjog: Erlebniserfüllt und ausgepowert.

Steffny kennt wie kaum ein Zweiter die Lauf- und Marathonszene, führt akribische Statistiken, kennt viele Kuriositäten aus der Welt des Ausdauersports – und ist als „Geschichtenerzähler“ über und von der Laufszene eine Bereicherung allenthalben. Als Leistungssportler mit internationalem Anspruch wie seine dritten Ränge bei den Europameisterschaften 1986 in Stuttgart oder beim New York-City-Marathon oder aber als Genussläufer nach rotweinseeligen 6:26 Stunden beim Medoc-Marathon.

Er nennt die Marathondistanz als die Königsdisziplin der Leichtathletik, ein in der Tat nach den anfangs eher bemitleidenswerten Geschöpfen der nationalen und internationalen Titelkämpfe der Läufer, Springer und Werfer bemerkenswerter Ritterschlag für die Ausdauerheroen des 21. Jahrhunderts. In atemberaubender Geschwindigkeit werden die Makau, Kipsang, Mutai und Gebrselassie mit ihren weltrekordreifen Leistungen in Berlin, Boston und Frankfurt ebenso gestreift wie die Fünf-Stunden-Läufer bei ihren Marathondebüts oder auch die unbekannten Marathonhelden nach acht Stunden Sightseeingtour in New York oder einem gar vierzehnstündigen Gewaltmarsch in Hawaii (mit, wie Herbert Steffny mutmaßte, drei Boxenstopps bei der weltweit verbreiteten US-Fastfood-Kette). Dies alles sind Eckpunkte der Faszination Marathonlauf.  

Zweifellos zur Faszination des (deutschen) Marathonlaufens gehört aber auch Steffnys Einlassung, dass vor zwanzig oder dreißig Jahren Pulsuhr und Lactatsteuerung noch keineswegs zum Rüstzeug des professionell und ambitioniert trainierenden Marathonläufers gehörte, man seinerzeit allerdings deutlich schneller war. „Herbie’s“ 2:11er Zeit auf dem Bronzerang 1986 ist derzeit unerreicht in Deutschland, dies zur aktuellen Situation im Marathonbereich, Abteilung Männlich.

Vielleicht liegt des Pudels Kern aber auch im methodischen Dreiklang „Belasten – Entlasten – Regeneration“. Herbert Steffny jedenfalls hat bei seinem vielen Besuchen in den kenianischen Trainingszentren in Iten und Eldoret eines offensichtlich mitgenommen, nämlich die Erkenntnis, dass „Kenianer unglaublich langsam, aber auch unglaublich schnell laufen können“.

In seinem Nähkästchen jedenfalls sind lange, langsame Läufe mit Distanzen bis zu 60 Kilometer zu finden…..

So richtig in Fahrt kommt der seit den 90er Jahren im Schwarzwald lebende Herbert Steffny in seinem Exkurs in die schier unergründlichen Tiefen der Trainingslehre. Als Naturwissenschaftler beherrscht er die Klaviatur des Zellstoffwechsels. Da ist die Rede von anaeroben und aeroben Anteilen im Training, von Kohlenhydrat- und Fettverbrennungssystemen im Training, von Exponential- und Linearkurven bei der Auswertung von Laktat- und Herzfrequenzmessungen und von der Kapillarisierung des Muskels.

Wenn von Tempoeinheiten als das „Salz in der Suppe“ die Rede ist, fragt Steffny nach der Größe der Prise. Wenn Fachchinesisch mit GA1 und GA2 angesagt ist, spricht Steffy Klartext mit dem Dauerlauf oder dem Tempodauerlauf. Seine Sprache ist dabei für alle verständlich, denn „volles Rohr“ versteht jeder wie auch den „roten Bereich“, in dem sich ein Läufer schneller befindet als ihm letztlich lieb sein dürfte.

Praktische Anwendungen mögen für so manchen der Seminarteilnehmer allenfalls ein Blick in Leistungssport-Kategorien sein, die Rechenbeispiele nicht minder. Hier darf getrost die Frage nach den Interessen der Zielgruppe in den Raum gestellt werden. Dem Vernehmen nach waren viele der Seminar(zu)hörer allenfalls für eine halbe Marathonstrecke orientiert. Allerdings ist es für einen Referenten überaus schwer, hier das rechte Maß für welche Zielgruppe auch immer zu finden.

Dieser Spagat ist zu groß, gleichgültig für wen auch immer. Unterhaltsam und erfrischend sind freilich die netten sprachlichen Feinheiten, mit der Herbert Steffny über die drei Stunden Seminardauer hinweg brillierte.

Anstelle weiterer (für die Teilnehmer sicherlich wertvoll, für den geneigten Leser allenfalls Facetten aus dem Zusammenhang gerissen) sei es gestattet, weitere Höhepunkte Steffny’scher Wort- und Satzkreationen zu listen:

      Man sollte schon vor dem Mann mit dem Hammer Angst haben, zumindest aber Respekt (in Bezug auf die Schwächephase nach der 30 km-Marke).

–    Marathon bleibt das Matterhorn des kleinen Mannes

–    Jeder Läufer sollte über das TÜV gehen, auch die 10 km-Läufer

–    Es gibt einige Maßnahmen und schwupp läufst Du 15 Minuten schneller. U.a. weniger Bier saufen!

–    Ein guter Athlet macht immer neue Fehler, ein dummer Athlet macht immer die gleichen Fehler!   

–    BMW = Bewegung macht warm! (Zum Thema Bekleidung bei eher niedrigen Start-Temperaturen)

–    Auf meiner Website habe ich 42 Gründe aufgelistet, wenn die Marathonzeit nicht geklappt hat!

–    Olympia war nie mein Ding. Dreimal stand ich dicht davor, einmal hatte mich der Korea-Virus im Griff und ging nicht an den Start, das andere Mal war ich krank und musste absagen, beim dritten Mal hatte ich zwar die Olympianorm, aber drei Ossi-Athleten wurden nominiert. In Atlanta habe ich geheiratet und bin inzwischen glücklich geschieden!

–    Während ein Deutscher noch auswertet, ist ein Kenianer schon wieder eine Runde gelaufen (über die fatale Orientierung, die technischen Möglichkeiten auszuschöpfen und überbewerten zu müssen)

Motivationsfaktor hoch! So jedenfalls lässt sich selbst für partiell überforderte Seminarteilnehmer das übereinstimmende Fazit ziehen, welche Bilanz nach drei Stunden Seminaranwesenheit zu ziehen sei. Unterhaltsam, lehrreich für die Fortgeschrittenen allemal. Es lohnt sich. Gleichgültig, ob Marathonläufer oder „nur“ Läufer, ein sinnvoller Ansatz, über sein (bisheriges und künftiges sportlich orientiertes) Leben gründlich nachzudenken.

Danke der AOK Rhein-Neckar-Odenwald für das Amüsement samt der Vitamin- und Vesperzugabe am Samstagmorgen!



Wilfried Raatz

 

 

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