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Marathon-Europarekordhalter Moen: „Ich lebe unter der Armutsgrenze“ – Von KLAUS BLUME
Da erzielt ein Athlet im fernen Japan mit 2:05:48 Stunden einen fantastischen Europarekord im Marathonlauf – und daheim nimmt es fast niemand zur Kenntnis.
Widerfahren ist solches am 1. Adventssonntag dem 26-jährigen Norweger Sondre Norstad Moen. Nicht er stand danach auf den Titelseiten der norwegischen Zeitungen, auch nicht als Aufmacher in irgendeinem Sportteil, sondern seine erfolgreichen Landsleute aus dem Wintersport.
Vor allem der Skilangläufer Johannes Hoesflot Klaebo, auch die siegreichen Nordischen Kombinierer und Aksel Lund Svindal, der norwegische Downhill-Haudegen. Ihm war beim Abfahrtsrennen im amerikanischen Beaver Creek der 33. Weltcup-Sieg in seiner atemberaubenden Karriere gelungen.
Erst, wer sich danach durch die Fußball-Reportagen und die überaus populären Trabrenn-Analysen durchgewühlt hatte, fand endlich das Marathon-Ergebnis aus Fukuoka:
1. Moen (Norwegen) 2:05:48 Stunden, EURPAREKORD.
Was nicht dabei stand: Moens Rekordrennen war – weltweit – das zwölftschnellste dieses Jahres. Es wird ihn nicht sonderlich wurmen, zumal er aus Trondheim kommt, einer ausgesprochenen Hochburg des nordischen Skisports.
Der dort ansässigen Traditionszeitung „Adresseavisen" hatte Moen schon in den Tagen vor seinem Start in Japan gesagt: „Es ist nicht leicht, in Norwegen ein Leichtathlet, ein Läufer, zu sein. So lange du keine internationale Medaille gewinnst, ist nichts, was du erreichst, etwas wert. Sehen Sie, der englische Läufer Mo Farah verdient Millionen, ich aber lebe unter der Armutsgrenze, das macht es schwer, sich immer wieder Mut einzureden."
In Fukuoka hat er, eingedenk dieser harschen Worte, aber auch gesagt: „Bei den Europameisterschaften, im Sommer 2018 in Berlin, will und werde ich die Goldmedaille im Marathonlauf gewinnen." Denn ein solches Resultat könne man dann wohl nicht mehr hinter den Trabrenn-Analysen verstecken.
26 Jahre alt ist Moen, eine eigene Wohnung in Oslo hat er gekündigt, weil er sie sich nicht mehr leisten kann. Er sei ja ohnehin hauptsächlich in Kenia, wo er sich auch auf das Rekordrennen in Fukuoka vorbereitet hat, oder in Äthiopien zu Hause. Da käme er mit seinen rund 800 Euro Monatssalär bestens aus. Verdient bei einem Schuhvertrag und einen norwegischen Sportverein, der ihn unterstützt.
2016, im Jahr der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London, hat ihn sogar der norwegische Verband finanziell geholfen. „Da konnte ich die Jobs neben Training und Rennen wenigstens etwas einkürzen."
Vielleicht, so hofft er, ändere sich nach seinem Rekordlauf von Fukuoka etwas in seinem Leben. Obwohl er sich daran gewöhnt hätte und fürs Laufen zu leben. Zu Weihnachten käme er nach Hause, nach Trondheim. Dort könne er bei seiner Schwester wohnen.
Dann geht es wieder ab, nach Kenia, nach Iten. Dort käme er, der „gelernte Zehn-Kilometer-Läufer", wie er sich nennt, ganz bestimmt wieder privat unter. Das koste kaum etwas.
Er habe nun einmal einen Lebensplan, der sich nicht nach Geld, sondern nach seinem Bedürfnis, so schnell und ausdauernd zu laufen, wie er es erarbeite.
„Für mich ist Laufen eine ganz bestimme Art, zu leben, und ich habe es bis heute noch keinen einzigen Tag bereut."
Klaus Blume
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