Blog
28
09
2010

„Auf der Farm riecht es nach Läufern, also nach Schweiß“, erzählt Lutz Meissner. „Der Internationale Leichtathletik-Weltverband (IAAF) hat auf Kazi Mingi ein High Performance Training Center eingerichtet und Athleten aus Äthiopien, Korea, Schweden, Georgien und Kenia trainieren hier auf 2000 Metern Höhe“, so Meissner.

Lutz Meissner studiert die Weltklasse – Fuldaer Physiotherapeut reiste nach Kenia / Treffen mit Olympiasiegern

By GRR 0

Nicht nur Deutschlands Fußballer sind in Afrika unterwegs, auch der Fuldaer Physiotherapeut Lutz Meissner bereiste den Kontinent. Allerdings nicht in Sachen Fußball, denn der 62-Jährige war auf den Spuren erfolgreicher Leichtathleten unterwegs.

Und Meissner reiste nicht alleine. Neben seiner Frau Marlene begleiteten ihn die Fuldaer Conny Schneider, Ewald Scheich und Klaus Breitung. Außerdem wartete der freie Sportjournalist und gebürtige Fuldaer Robert Hartmann in Kenia auf die Gruppe. Seit 1972 besuchte Hartmann in über 50 Reisen die kenianischen Wunderläufer und seit 2002 besitzt er ein Haus auf der Kazi-Mingi-Farm von Kipchoge Keino, dem kenianischen Olympiasieger von 1968 (1500 m) und 1972 (3000 m Hindernislauf) sowie Silbermedaillengewinner von 1968 (5000 m) und 1972 (1500 m).

Auch Meissner und Co. verbrachten ihre Tage in Kenia auf Kazi Mingi, das übersetzt „harte Arbeit“ bedeutet, in der Nähe der 300 000-Einwohner-Stadt Eldoret. Im dortigen Umkreis leben die Läufervölker Kenias mit exotischen Namen wie Kisii, Nandi und Kipsigis.

„Auf der Farm riecht es nach Läufern, also nach Schweiß“, erzählt Lutz Meissner. „Der Internationale Leichtathletik-Weltverband (IAAF) hat auf Kazi Mingi ein High Performance Training Center eingerichtet und Athleten aus Äthiopien, Korea, Schweden, Georgien und Kenia trainieren hier auf 2000 Metern Höhe“, so Meissner.

 

Deutsche Läufer sind „Schwerathleten“

 

Für den Fuldaer Physiotherapeut war diese Reise nach Kenia ein beeindruckendes Erlebnis. Nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch in persönlicher. Im High Performance Training Center hatte er die Gelegenheit, sich die kenianischen Wunderläufer etwas näher anzuschauen und deren Besonderheiten zu studieren. „Die Eliteläufer können nach dem Training unglaublich gut entspannt liegen und haben sehr geschmeidige Muskeln, die länger und schmaler sind als die von uns Europäern. Auch ihre Sehnen sind unglaublich lang. Sie haben lange Beine und ein anderes Verhältnis zwischen Beinlänge und Oberkörper.“

Für Meissner sehen die deutschen Läufer im Vergleich zu den Kenianern aus wie Schwerathleten. „Wenn hier ein Läufer 68 Kilo wiegt, wiegt er in Kenia 58 Kilo“, sagt Meissner, der die kenianischen und die deutschen Läufer mit Autos vergleicht. „Das Auto in Kenia hat nur die Dinge, die es zum Fahren auch wirklich braucht, es fährt somit schneller und mit weniger Sprit als das deutsche Auto. Genauso ist es bei den dortigen Läufern. Außerdem ist die Laufökonomie der Afrikaner anders, die kenianischen Läufer sind körperlich für das Laufen gemacht.“

Für ihn als Physiotherapeuten und passionierten Läufer waren die Unterschiede zwischen kenianischen und deutschen Läufern in Training und Ernährung faszinierend. „Ich habe den weiten Weg nach Kenia auf mich genommen, um die dortigen Läufer und deren Trainingsumstände kennen zu lernen. Und durch meinen Freund Robert Hartmann habe ich Dinge gesehen und bin in Familien gekommen, die sonst kein Tourist sieht.“

 

Treffen mit Bungei und Komen

 

So traf Meissner den 800-Meter-Olympiasieger von 2008, Wilfred Bungei, der dem Fuldaer über sein Training berichtete. Bungei trainiert nicht auf einer Tartanbahn, sondern nur im Naturgelände und absolviert ein unglaublich hartes Training. Um zu regenerieren, läuft am Tag nach einer sehr harten Einheit den Kilometer in sehr langsamen sechs Minuten.

Was ist das Geheimnis seines Erfolges, wollte Lutz Meissner vom Olympiasieger wissen. „Harte Arbeit, Training, Disziplin – Disziplin im Leben, im Essen und im Training“ antwortet Bungei.

Neben Bungei kam Meissner ins Gespräch mit Daniel Komen, dem Weltrekordler über 3000 Meter. Seine besten Tage hatte er Mitte der Neunziger Jahre und auch seine Läuferfigur gehört der Vergangenheit an. „Er ist inzwischen dick geworden und sein Sohn ist ebenfalls dick“, berichtet Meissner. „Das ist klassisch. Der Sohn muss nicht mehr aus ärmlichen Verhältnissen nach oben kommen und isst nun Fast Food.“ Entsprechend ist die Figur.

Das eigentliche Grundnahrungsmittel der Kenianer ist Ugali, ein Hirsebrei. Und den bezeichnet Olympiasieger Wilfred Bungei neben den oben genannten Faktoren als weiteren Teil des Erfolgsgeheimnisses der kenianischen Läufer. Außerdem essen die Läufer viel Obst und Gemüse und – das ist keine Überraschung – bewegen sich sehr viel. Ein Schulweg von zweieinhalb Stunden kann schon einmal vorkommen. Zu Fuß, versteht sich.

Und wenn die Kinder in der Schule sind, steht an jedem Nachmittag ab 15.30 Uhr „Games“ („Spiele“) auf dem Stundenplan. „Das war unglaublich eindrucksvoll“, berichtet Lutz Meissner begeistert. „Jeden Tag wird in der Schule 90 Minuten Sport getrieben, und das in ganz Kenia.“ Für deutsche Schüler wäre etwas mehr Sport und dafür weniger Chemie und Physik mit Sicherheit auch kein Fehler.

 

Keino hat 91 Kinder adoptiert

 

Kipchoge Keino, auf dessen Farm die Fuldaer zu Gast waren, besitzt auf seinem Anwesen nicht nur 100 Milchkühe, sondern engagiert sich auch sozial. 91 Waisenkinder hat er adoptiert, hat ihnen Kindergarten, Schule, High School und Ausbildung finanziert und außerdem eine Grundschule eröffnet. Für deren Schüler hatte Lutz Meissner Schreibblöcke und Kugelschreiber dabei. „Mit 31,5 Kilogramm Gepäck bin ich angereist, mit 7,8 Kilogramm wieder abgereist“, erzählt er. „Der Lehrer hat sich für die Geschenke bedankt und mir gesagt, dass jeder Schüler genau 12 Blatt Papier bekommt.“

Noch begehrter als das Papier waren Meissners Laufschuhe. Die versprach er einem einheimischen Bekannten seines Gastgebers Robert Hartmann. Der neue Schuhbesitzer ist 28 Jahre alt, 1,82 m groß, wiegt 54 Kilo und läuft die Marathonstrecke in extrem guten 2:16 Stunden. Zum Vergleich, der Weltrekord liegt bei knapp unter 2:04 Stunden.

Meissner verspricht also dem Mann seine Schuhe, die der Fuldaer nach seinem Abflug aus Kenia auf der Farm zurücklässt. Grund genug für den talentierten Marathonläufer, sich ein paar Tage später zu Fuß auf den Weg zu machen – 50 Kilometer ist er gelaufen, hat die Schuhe abgeholt, noch ein paar Socken dazu bekommen, hat etwas gegessen und ist wieder zurück gelaufen. Unvorstellbar für hiesige Verhältnisse.

 

Barfuß laufen ist normal

 

Dass sich die kenianischen Athleten von fehlenden Schuhen nicht vom Training und auch nicht von guten Leistungen abhalten lassen, hatte Lutz Meissner schon während seines Aufenthaltes festgestellt. Bei einem Crosslauf etwa liefen die Juniorinnen (bis 18 Jahre) teilweise mit Röcken und zu 60 Prozent barfuß, die Junioren liefen nur zu 20 Prozent barfuß.

Beim Rennen der Männer wimmelte es nur so von Olympiasiegern, Weltrekordlern, Weltmeistern und Juniorenweltmeistern und alle waren sie auf einer Strecke unterwegs, auf der laut Meissner kein deutscher Läufer starten würde, „Da hätten sie alle Angst umzuknicken“.

Doch nicht nur in die Laufszene Kenias erhielt der Fuldaer einen Einblick, auch vom Leben in Ostafrika bekamen er und seine Mitreisenden ungewöhnliche Eindrücke. Farminhaber und Olympiasieger Kipchoge Keino ist Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees von Kenia und feierte seinen 70. Geburtstag am letzten Abend der Fuldaer Reisegruppe in Afrika.

Meissner und seine Begleiter waren zum Fest eingeladen und zu Ehren der Fuldaer Gäste wurde eine Ziege geschlachtet. Als ungewöhnlicher Abschluss einer ungewöhnlichen Reise.

 

 

Lutz Meissner

Physiotherapeut, Sportphysiotherapeut des DSB, Gesundheitspädagoge
1966-1969  Ausbildung in Berlin
1970-1976
Auslandsaufenthalt für zusätzliche Fortbildung in der Schweiz, in Norwegen, den USA und Schweden
Seit 1976 selbständiger Physiotherapeut
1998 – 2000   Ausbildung zum Gesundheitspädagogen
Spezialgebiete:
– Manuelle Therapie
– Neurophysiologie (PNF)
– Sportphysiotherapie
– Medizinische Trainingstherapie (MTT)
Trainer und Übungsleiter
Seit 1983 Trainer, Übungsleiter und medizinischer Betreuer von Mannschaften und Einzelsportlern,
u.a. 1. FC Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt,
Bayer Leverkusen, Kickers Offenbach, Borussia Fulda,
FT-Fulda
Betreuer bei Olympischen Spielen, WMs, EMs, Asia Games etc.
Gefragter Referent im In- und Ausland
Verfasser diverser Fachartikel und Co-Autor diverser Bücher aus dem Bereich der Physiotherapie, Sportmedizin und des Trainings.

praxis-meissner-helmkamp

author: GRR

Comment
0

Leave a reply