Lothar Pöhlitz - Zur Situation der deutschen Marathonläufer - Interview-Serie zur Situation der deutschen Marathonläufer / Teil 4 ©privat
Lothar Pöhlitz: Zur Situation der deutschen Marathonläufer – Interview-Serie zur Situation der deutschen Marathonläufer / Teil 4
Es ist bald 25 Jahre her, dass ein deutscher Marathonläufer zuletzt eine Zeit unter 2:10 Stunden erreichte. Beim Berlin-Marathon 1990 war Jörg Peter Dritter in 2:09:23 und Stephan Freigang folgte auf Platz vier mit 2:09:45. Was muss passieren, damit deutsche Läufer eine Chance haben, zumindest wieder die europäische Spitze zu erreichen?
In unserer Fortsetzungs-Interview-Serie antwortet Lothar Pöhlitz auf unsere Fragen:
Gibt es genügend Talente?
Lothar Pöhlitz: Leider hat sich die Hoffnung aus dem Marathon-Boom des letzten Jahrzehnts in Deutschland auch Talente zu rekrutieren nicht erfüllt, die Teilnehmerzahlen stiegen in den Jahren rasant, aber mehr unter dem Aspekt zu „finishen" als schnell zu laufen. Und die jungen blieben fern. Die in den 90iger Jahren schon einmal begonnene Nachwuchsarbeit für den Straßenlauf wurde vom DLV vor etwa 15 Jahren gecancelt.
Im derzeitigen Neuanfang gibt es keine Basis, deshalb viel Nachholbedarf, ich sehe keine jungen Talente die in Kürze den Bereich um 2:10 erreichen könnten. Trotzdem sollte das Projekt gemeinsam mit den Landesverbänden kräftig unterstützt werden.
Werden Topathleten im Marathonbereich entsprechend gefördert? Was könnte hier verbessert werden?
Lothar Pöhlitz: Top-Leistungen im Marathonlauf erfordern viele Wochen im Jahr um 200 km innerhalb eines Qualitätstrainings plus vielfältiges Training zur Stärkung des Fahrgestells und des „Zentrums". Begleitend ist eine täglich 1 stündige sportmedizinisch-physiotherapeutische Betreuung nicht nur zur Gesunderhaltung erforderlich. Dass ist nur mit professionellem Bedingungen zu machen – also „ohne Arbeit".
Die wenigen zur Zeit dafür in Frage kommenden Läufer müssten gemeinsam in einem Leistungszentrum (man muß ja deshalb nicht immer gleich den Verein wechseln müssen) unter solchen Bedingungen mit 2 Trainern mit Hochleistungssportwissen einschließlich der Praxis des Höhentrainings über viele Wochen im Jahr trainieren können. Das ermöglicht zugleich die bekanntlich klammen Mittel auf die Besten konzentrieren zu können.
Hat der deutsche Langstreckenlauf ein Trainerproblem? Gibt es genügend erfahrene Trainer?
Lothar Pöhlitz: Es gibt sie offensichtlich nicht sonst wären wir nicht in einer derzeit so prekären Situation und die Sonne würde für alle scheinen. Es besteht ja auch die Gefahr dass 2016 auch unsere Frauen im Olympiafinale im Sinne des Finalanspruchs nicht vorn mitmischen können.
Auch für das Anschlußtraining im Straßenlauf müssten Fachtrainer mehr als bei 3 TE in der Woche – also hauptamtlich – vor Ort sein, die Sportler bei den vielen langen Läufen jenseits der 30 km auf den Straßen begleiten und beschützen. Dafür müsste erst einmal einigen jungen Trainern – vielleicht im Schnellverfahren – das erforderliche „hochspezialisierte Trainerwissen" wie es der DLV in seinem Strukturplan fordert, vermittelt werden.
Wäre es sinnvoll, wenn sich deutsche Athleten starken internationalen Trainingsgruppen anschließen würden?
Lothar Pöhlitz: Bevor wir an den zweiten Schritt denken sollten wir erst einmal einen ersten vollziehen: ein viele Wochen gemeinsames Training unserer Besten im eigenen Lande organisieren. Das notwendige umfangreiche Höhentraining wurde gerade in Kenia von unseren Besten für einige Wochen realisiert. Ein gemeinsames Training mit starken internationalen Gruppen die dort immer zur Verfügung stehen – gerade war auch Mo Farah dort vor Ort – ist erst sinnvoll wenn unsere Läufer die wichtigen gewinnbringenden Trainingseinheiten gemeinsam mit ihnen absolvieren können. Jan Fitchen hat oft berichtet wie sie sie – sicher mit Ehrfurcht und Demut – haben ziehen lassen müssen.
Möglich und sehr hilfreich wäre für unsere jungen Langstreckler und ihre Trainer das dort abgeguckte schneller „auch streng geheim" zu Hause umzusetzen. Das vermisst man. Das kostet keinen €uro.
Wann läuft wieder ein deutscher Marathonläufer eine Zeit unter 2:10?
Lothar Pöhlitz: Zunächst muß man einmal Horst Milde und German Road races e.V. (GRR) ganz herzlich für die Fortsetzung des 10 km- GRR-Nachwuchs-Lauf-Cups 2014 danken. Eine mediale Begleitung auch außerhalb GRR wäre sicher hilfreich, gleichzeitig muß man auf die Euphoriebremse treten weil unter den hoffentlich mehr Teilnehmern als im Startjahr unter den Teilnehmern d i e außergewöhnlichen Talente gesucht werden die eines Tages die derzeitigen Deutschen Rekorde bei Männern und Frauen tangieren könnten. Das sind junge Läufer mit der „ererbten aeroben Kapazität für schnelles langes laufen die auch noch bereit sind das zeigen zu wollen". Das Entscheidende aber ist dann dass sich der DLV – vielleicht einer seiner Nachwuchs-Bundestrainer – sich sofort solcher Goldkörnchen annimmt und sie und ihre Heimtrainer hilfreich im umfassenden Sinne begleitet und unterstützt.
Für die Etablierten wird es bis 2016 schwer – ich glaube wir müssen auf die Jungen warten.
race-news-service.com
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