Die Medaillen liegen sicher im Tower - LONDON 2012 - Nervosität kurz vor Olympia - Matthias Thibaut im Tagesspiegel ©LONDON 2012
LONDON 2012 – London – Nervosität kurz vor Olympia – Matthias Thibaut im Tagesspiegel
Britische Sicherheitsdienste haben am Donnerstag früh in getrennten Razzien sechs Personen unter dem Verdacht terroristischer Aktivitäten verhaftet. Es handle sich um „islamistische Extremisten“, bestätigte Scotland Yard und sprach davon, dass so Anschläge gegen „britische Ziele“ verhindert worden seien.
Drei Personen wurden in Newham in der Nähe des Olympiageländes verhaftet, zwei Männer und eine Frau im Westlondon. Die Männer sind zwischen 18 und 29, die Frau 30 Jahre alt. Bewaffnete Polizei war im Einsatz, eine Person wurde mit einer Elektroimpulswaffe niedergestreckt. Die Gruppe sei seit Wochen beobachtet worden.
Scotland Yard betonte, ein direkter Zusammenhang mit den Olympischen Spielen bestehe nicht.
Aber Ende Juni hatte der Chef des Inlandsgeheimdiensts MI 5, Jonathan Evans, bestätigt, die Olympischen Spiele seien „ein attraktives, aber kein einfaches Ziel“ für Terroristen. Sicherheitskräfte sind in höchster Alarmbereitschaft und wollen wegen der Olympischen Spiele, die in drei Wochen beginnt, nun früher als normal gegen Terrorverschwörungen vorgehen.
Westliche Geheimdienste warnten jüngst vor einer „aktiven“ Verschwörung, deren Ziel ein US-Flugzeug im Transatlantikverkehr sei. Al Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) habe einen zum Islam konvertierten Norweger rekrutiert. Durch die Radikalisierung von westlichen Bürgern mit weißer Hautfarbe und westlichen Pässen hofft AQAP, Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen zu unterlaufen.
MI-5-Chef Evans sprach auch von einer neuen Welle von Terroristen, die in arabischen Ländern ausgebildet werde, darunter bis zu 200 aus Großbritannien stammende Extremisten. Der arabische Frühling habe Teile der arabischen Halbinsel wieder zu „fruchtbarem Boden“ für Al Qaida gemacht.
Die Sicherheitskräfte beobachteten die Verdächtigen wochenlang. Am Donnerstag griff die Polizei zu.
Wie nervös die Sicherheitskräfte kurz vor den Olympischen Spielen sind, zeigte am Donnerstag auch ein Vorfall auf der Autobahn M6. Minuten, nachdem ein Busfahrer Alarm schlug, wurde die Autobahn total gesperrt und der Reisebus auf der Standspur festgehalten. Sprengstoffkommandos, bewaffnete Polizeieinheiten, Spezialeinheiten gegen Chemieattacken rückten an. Am frühen Nachmittag kam die Entwarnung. Der Vorfall habe nichts mit Terrorismus zu tun, es gebe keine Verdächtigen, niemand sei verletzt oder verhaftet worden. Offenbar hatte der Fahrer gesehen, wie ein Fahrgast Flüssigkeit in eine dampfende Tüte schüttete. Vermutlich bereitete sich ein Fahrgast eine Instant- Suppe zu.
Die Sicherheitskosten der Olympischen Spiele betragen bereits über eine Milliarde Pfund, gut 1,2 Milliarden Euro. „Die Olympischen Spiele sollen eine friedliche Feier sportlicher Höchstleistungen werden, aber wir überlassen nichts dem Zufall“, verteidigte Innenministerin Theresa May den Aufwand.
Im Mai nahmen 2500 Beamte an einer Großübung gegen einer Terrorattacke auf die U-Bahn teil. Der größte Teil der Übung fand im Verborgenen statt. Aber man sah, wie Passagiere aus einem stillgelegten U-Bahnhof evakuiert wurden. Bei Terroranschlägen im Juli 2005 waren 52 Menschen ums Leben gekommen.
Bürgern in Ostlondon gehen die Pläne aber zu weit, auf Gebäuden rund ums Olympiagelände Luftabwehrraketen zu stationieren, sogar auf zwei Wohnblocks. „Reiner Wahnsinn“, schimpfte der Organisator einer Demonstration. „Starsteak“- oder „Rapier“-Abwehrraketen sollen Flugzeuge abschießen, die im 9/11-Stil die Olympiade bedrohen. Auch Typhoon- Kampfflugzeuge werden bereitstehen. Gerüchten zufolge sollen sogar unbemannte Drohnen über dem Gelände schweben, wie sie die USA zur Exekution von Terroristen in Afghanistan einsetzen.
Ein Heer von mehr als 27 000 Sicherheitskräften, darunter Soldaten, Polizisten und Angestellte privater Sicherheitsfirmen, wird von dem Royal-Navy-Kreuzer HMS Ocean befehligt, der bei Greenwich in der Themse vor Anker liegt.
Matthias Thibaut im Tagesspiegel, Freitag, dem 6. Juli 2012