Leichtathletik? Nein, danke – Zu teuer: ARD und ZDF wollen die Weltmeisterschaft erstmals nicht live übertragen. Nun sollen die Sponsoren Druck machen. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Als Usain Bolt im August 2009 über die Ziellinie des Berliner Olympiastadions rauschte, waren zwei Rekorde gefallen. Der Weltrekord über 100 Meter, der Jamaikaner hatte ihn gerade auf 9,58 Sekunden verbessert. Und der Quotenrekord für diese attraktivste Disziplin der Leichtathletik – 9,92 Millionen Menschen hatten im ZDF gesehen, wie Bolt einem Blitz gleich im Stadion einschlug.
Doch wenn Usain Bolt sein nächstes weltmeisterliches Rennen unternimmt, im August im südkoreanischen Daegu, wird bei ARD und ZDF wohl ein anderes Programm laufen.
Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften sollen erstmals nicht mehr live im ersten oder zweiten Programm übertragen werden.
„Eines der schönsten Fernsehprodukte des Sports verschwindet", klagt Helmut Digel, Mitglied im Council der IAAF, des Internationalen Leichtathletik-Verbandes. Die WM gehöre alle zwei Jahre einfach zum gewohnten Sommerfernsehprogramm.
Die Verhandlungen zwischen der IAAF und den Öffentlich-Rechtlichen sind jedoch gescheitert. Eine Rechteagentur der IAAF verlangte für die nächsten zwei Weltmeisterschaften in Daegu und Moskau 15 Millionen Euro, ARD und ZDF wollten nur noch sechs Millionen bezahlen.
Bis zu 30 Millionen sollen ARD und ZDF früher für zwei Weltmeisterschaften überwiesen haben. „Wir sind als Verband anders als der Fußball nicht in der Lage, eine Differenz zu übernehmen", sagt Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Beide Seiten, die Leichtathletik und das öffentlich-rechtliche Fernsehen, beanspruchen in dieser Übertragungsdiskussion große Werte für sich. Das Kulturgut Sport werde vom Fernsehen nicht angemessen behandelt, sagt Prokop. Und das, obwohl die Quote stimme und die Leichtathletik mit Athleten wie der Sprinterin Verena Sailer oder dem Weitspringer Christian Reif neue, attraktive und erfolgreiche Typen zu bieten habe. Die Verengung des Sports auf Fußball nehme zu.
Das Fernsehen reklamiert dagegen den sorgsamen Umgang mit Gebührengeld für sich. „Wir müssen uns mit unseren finanziellen Beträgen stärker als bisher am Markt orientieren und uns auch für die Summen rechtfertigen, die wir ausgeben", sagt Dieter Gruschwitz, der Sportchef des ZDF. Dennoch werde die Leichtathletik weiter ihre Sendeplätze bekommen, etwa bei deutschen und Europameisterschaften oder beim Istaf. „Ich muss in diesem und im nächsten Jahr zehn Millionen Euro einsparen", sagt Axel Balkausky, der Sport-Koordinator der ARD.
Dass die Entscheidungen bei der WM in Daegu fallen, wenn in Deutschland Mittagszeit ist, sei nicht so attraktiv. Außerdem habe die Leichtathletik insgesamt in den vergangenen Jahren verloren.
Allerdings nicht überall, ihre Attraktivität wächst in Asien, nach Moskau 2013 findet die WM wieder in Asien statt, in Peking. Von dort kommen auch die meisten Sponsoren. Genau auf die Sponsoren hoffen auch die deutschen Leichtathleten. Dass diese nun Druck ausüben, damit ihre Logos doch bei der nächsten WM live im Fernsehen für den wichtigsten Sportmarkt Europas zu sehen sind.
In dieser Woche sollen nun erst einmal Verhandlungen der Rechteagentur der IAAF mit privaten Fernsehsendern laufen. Gut möglich, dass am Ende Eurosport die beiden Weltmeisterschaften live zeigt. Für ARD und ZDF blieben dann Zusammenfassungen am Abend.
„Mit Zusammenfassungen kann man sich nicht zufrieden geben", sagt Prokop, „der Sport lebt von der Ungewissheit, und in der Zusammenfassung ist die Ungewissheit eigentlich schon vorbei."
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Dienstag, dem 25. Januarr 2011