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23
10
2012

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Lauftraining und Trainingsaufbau ©privat

Lauftraining und Trainingsaufbau – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Prinzipien des Ausdauertrainings sind seit Jahrzehnten klar definiert und daran hat sich auch in den Zeiten des Laufbooms nichts geändert. Im Breiten- und Spitzensport werden heute oft die Pulsmessung, GPS, Auswertung am Computer und auch die Leistungsdiagnostik überbewertet.

Wir sollten uns wieder mehr auf die Basics der Trainingsgestaltung konzentrieren und überflüssigen Ballast abwerfen. Ein gutes Training muss qualitativ und quantitativ stimmen.

Training ist ein planmäßiger Prozess, der eine Veränderung der sportlichen Leistungsfähigkeit bewirkt.

Aus medizinisch-biologischer Sicht werden durch Belastungen strukturelle und funktionelle Anpassungs-reaktionen im Organismus hervorgerufen (Hollmann und Hettinger 2000). Diese Anpassungen sind reversibel und müssen ständig neu erworben werden.

 

Die Sportliche Leistung ist an persönliche Voraussetzungen geknüpft (Schnabel et al. 2011):

 

–       Konstitution

–       Kondition (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Flexibilität)

–       Technik – Koordination

–       Strategie und Taktik

–       Persönlichkeit – Handlungskompetenz

 

Die individuelle Leistung ist das Ergebnis von Talent, einem langfristigen auf die jeweiligen Fähigkeiten abgestimmten Trainingskonzept und dem Trainingsfleiß des Sportlers.

 

Die Leistungsfähigkeit steigt mit Verbesserung der:

 

–       Energiebereitstellung, -übertragung und -ausnutzung

–       Bewegungssteuerung (neurophysiologische Optimierung)

–       Handlungssteuerung (psychophysische Optimierung)

 

Die Trainingsbelastung wird durch Umfang, Intensität und Häufigkeit der einzelnen Trainingsmittel bestimmt. Die Trainingsmaßnahmen werden auf ein bestimmtes Leistungsziel, z. B. einen Zielwettkampf, ausgerichtet

Die Tendenz in den letzten Jahren ist, wieder mehr die Qualität und weniger die Quantität beim Training in den Vordergrund zu stellen. Allerdings ist klar, dass ein intensives Training unter Einhaltung des Prinzips von Be- und Entlastung nur auf der Basis einer entsprechend ausgebildeten Grundlagenausdauer erfolgen kann. Im Spitzenbereich ist die extreme Nutzung von Einzelmethoden out.

Es zeigt sich eine hohe Komplexität unter Einschluss von Athletik-, Kraft- sowie Beweglichkeitstraining und verstärkte Nutzung des Höhentrainings. Die Trainingsarbeit erfolgt häufig in Gruppen mit Unterstützung eines Teams von Ärzten, Physiotherapeuten und Ernährungsexperten (Pöhlitz 2012).

 

Trainingsaufbau

 

„Fortschritt besteht nicht darin, dass wir in einer bestimmten Richtung unendlich weiterlaufen, sondern dass wir einen Platz finden, auf dem wir wieder eine Zeit lang stehen bleiben können" (Gilbert K. Chesterton).

Das Modell der biologischen Anpassung, auch Superkompensation (Jakowlew 1977) genannt, besagt, dass es bei einem überschwelligen Trainingsreiz in der folgenden Erholungsphase zu einer Verbesserung des Ausgangsniveaus kommt. Diese Anpassung kann in einer Verbesserung der Durchblutung (Kapillarisierung), Vergrößerung der Energiespeicher (Glykogen), vermehrter Enzymausstattung sowie Umbau und Kräftigung der Muskulatur liegen.

Die Anpassung des Energiestoffwechsel und des Herz-Kreislaufsystems sowie des Zentralnervensystems an veränderte Bewegungsmuster und Geschwindigkeiten brauchen Zeit und ausreichende Reize. Dafür sind Zeitspannen von 6-8 Wochen notwendig. Diese Zyklen sind für eine langfristige Anpassung mehrfach auf immer höherem Niveau zu wiederholen.

Nur wechselnde Reize führen zu einem Maximum an Wirkung. Der entscheidende reizwirksame Trainingsbereich liegt zwischen 95-105 % vom Renntempo.  

Bei einer zu kurz hinter einander gesetzten Folge von Trainingsreizen tritt eine Überforderung der Systeme ein, das Leistungsvermögen sinkt – dies kann zu einem Übertrainingszustand führen. Bei unterschwelligen Trainingsreizen kommt es zu einer Leistungsstagnation oder die Leistungsfähigkeit geht sogar zurück. Trainingsanpassungen lassen sich nicht speichern. Obwohl das Modell der Superkompensation keinen Bezug zu den einzelnen Funktionssystemen beschreibt (Neumann u. Hottenrott 2009), vermag es doch die Wirkung von regelmäßigem Training anschaulich darzustellen.

Es gilt also ein Gefühl für den eigenen Körperzustand zu gewinnen und den individuell richtigen Trainingsmix zu finden. Dieselbe objektive Belastung kann individuell als völlig unterschiedliche Beanspruchung empfunden werden. Die Belastbarkeit ist von Sportler zu Sportler verschieden. Aus diesem Grund sollten Sie sich auch nie sklavisch an einen Trainingsplan halten und bei Müdigkeit oder Trainingsunlust die anstehende Einheit ausfallen lassen oder ein regeneratives oder alternatives Training einschieben.

Den Hochmotivierten gelingt es häufig nicht, den Mut zur Pause aufzubringen, da das schlechte Gewissen am Ego nagt. Weniger ist aber manchmal mehr, nicht selten haben Trainings-weltmeister im Wettkampf versagt, weil sie ausgepowert waren.

Die Zeitdauer, die der Organismus benötigt um ein Training zu verarbeiten und sich zu erholen, hängt insbesondere von der Konstitution (Veranlagung), dem Trainingszustand sowie der Intensität und Dauer des Trainings ab. Am längsten braucht der passive Bewegungsapparat (Knochen, Gelenke, Knorpel, Sehnen) für die Anpassung. Daher ist eine langsame Steigerung und Periodisierung des Trainings ratsam.

Um unterschiedliche Systeme zu trainieren verwendet man verschiedene Trainingsformen (Variation der Belastung), z.B. längere ruhige Dauerläufe und schnellere kürzere Einheiten. Für die Leistungsfähigkeit des Langstreckenläufers sind besonders Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination weniger die Schnelligkeit von Bedeutung.

Training ist dabei die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Verbesserung oder Erhaltung körper-licher aber auch geistiger Fähigkeiten. Sportliches Training erfordert eine Zielbezogenheit, Systematik und Planmäßigkeit.

 

Sinnvoll ist zunächst eine Erhöhung der Trainingseinheiten, dann eine Verlängerung einzelner Einheiten und schließlich die Steigerung des Tempos.

Um eine stabile Anpassung zu erzielen, müssen Trainingsreize über einen längeren Zeitraum wiederholt werden. Die Grundlagenausdauer lässt sich durch alle Ausdauersportarten (Laufen, Schwimmen, Radfahren, Skilanglaufen) trainieren, die spezielle wettkampspezifische Ausdauer kann der Läufer nur durch Laufen trainieren.

Die individuelle Spitzenleistung im Langstreckenlauf wird durchschnittlich erst nach 10 Jahren Training erzielt (Aderhold und Weigelt 2012).

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Literatur:

  

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.

Hollmann W, Hettinger T. Sportmedizin. Stuttgart: Schattauer 2000.

Jakowlew N. Sportbiochemie. Sportmedizinische Schriftenreihe. Bd. 14. Leipzig: Barth 1977.

Neumann G, Hottenrott K. Superkompensation in der Kritik. Laufmagazin Spiridon 2009; 35 (9) 16-9 u. (10) 24-32.

Pöhlitz L. Trainingskonzepte erfolgreicher Läufer & Geher – mit Konsequenzen für das Training heute. Mittelstrecke – Langstrecke – Marathon – Gehen. Hemau: Scheck Druck 2012.

Schnabel G, Harre HD, Krug J. Trainingslehre – Trainingswissenschaft. Leistung, Training, Wettkampf. Aachen: Meyer & Meyer 2011.

 

Weitere Beiträge von Dr. Dr. Lutz Aderhold:

 

Sport zur Prävention und Therapie von Krebserkrankungen – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Ultramarathon – 100 km-DM in Rodenbach am 6. Oktober 2012 (2) – Zur Historie des 100 km-Laufs von Rodenbach – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Ultramarathon – 100 km-DM in Rodenbach am 6. Oktober 2012 (1) – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold 

 

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Burn-out- und Übertrainingssyndrom – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Das Buch von Aderhold/Weigelt:

 

Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag

 

 

 

 

 

  

 

 

 

author: GRR

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