Beobachtungsturm der JVA Plötzensee - Laufen, wenn s eng wird - Von Erik Fuchs, JVA Plötzensee ©JoAnna Zybon
Laufen, wenn’s eng wird – Von Erik Fuchs, JVA Plötzensee
Ja, wo laufen Sie denn? Nun, ich laufe im Gefängnis. Klingt erst mal komisch, denn mit „Gefängnis" den Laufsport zu verbinden, ist ungewohnt. Das Bild, welches man zuerst im Kopf hat, sind Mauern, kleine Zellen und eine stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit.
Stimmt auch alles.
Wer in der Laufszene aktiv ist, hat aber vielleicht schon von den Knastläufen gehört, die in Darmstadt und anderen Orten stattfinden. Also scheint das Laufen Gefangenen immerhin möglich zu sein. Stimmt natürlich auch.
Trotzdem sind wir Läufer im Knast sehr selten. Das liegt nicht nur daran, dass wir meistens in irgendwelchen Räumen eingesperrt sind und die eine Freistunde täglich in der Regel auf kleinen Höfen stattfindet, die uns Läufern zu wenig Platz geben.
Ein zweites, nicht zu unterschätzendes Problem ist der Personalmangel: Ohnehin gibt es zu wenig Gruppenbetreuerinnen, die sich direkt der Arbeit mit den Insassen widmen können. Wenn nun ein paar Gefangene laufen oder anderen Sport in der Freizeit machen wollen, muss stets ein Aufpasser dabei sein, schon aus Sicherheitsgründen.
Wenn man Glück hat, gibt es einen Beamten, der selbst Läufer ist, und die positiven Effekte des Laufens gerne „seinen Knackis" vermittelt.
Noch glücklicher trifft es die Gefangenen, deren Leitung einen externen Lauftrainer erlaubt und als Behandlungsmaßnahme vielleicht sogar finanziert. Solche Trainerinnen ermöglichen wenigstens ein regelmäßiges Training und geben uns Gefangenen das wichtige Gefühl, zu der Laufgemeinde auch draußen dazu zu gehören.
Ist das überhaupt wichtig? Ja, gerade für uns inhaftierte Läufer ist das sehr wichtig. Wir sind – mehr oder weniger zu Recht von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Wir wollen aber danach wieder dazu gehören. Dabei bietet der Ausdauerlauf viele Chancen, in Verbindung mit den Lauftreffs draußen sogar eine Möglichkeit, nach der Entlassung erneut Anschluss an andere zu finden.
Ich erlebe das Lauftraining immer wieder auch als Training, meine Ziele – unter eigener
Anstrengung – zu erreichen, gewaltfrei und doch mit unmittelbarem Erfolg, weil es mir nach dem Lauf meist besser geht als zuvor. Ich muss dafür ständig an meinen Zielen (schneller laufen, längerlaufen…) arbeiten und dennoch auf meine Laufpartner Rücksicht nehmen.
Insgesamt mich also einfach sozial verhalten.
Dazu kommt die Ablenkung. Während des Laufens schalte ich den Knastalltag ab und kann meine Gedanken frei mitlaufen lassen. Dabei kommen oft komische Gedanken auf, an
Familie, bestimmte Erinnerungen und Ereignisse, manchmal aber auch „nur" die Konzentration auf den nächsten Schritt und den nächsten Atemzug, je nach Kondition und innerer Verfassung.
Aber egal, woran ich beim Lauf denke, hinterher ist alles meist klarer, eindeutiger und oft lösen sich Denkblockaden einfach auf. Dieses Gefühl kennen Sie bestimmt von Ihren Läufen ebenfalls.
Was hindert mich also, diese vielen positiven Dinge durch Laufen hier in der Haft zu erfahren? Die räumliche Begrenztheit habe ich schon erwähnt. In der Untersuchungshaft ist das noch viel bedrückender, im Normalfall ist man 23 Stunden auf ca. 8 qm eingesperrt, mit Tisch, Bett und Sanitärecke bleibt nicht viel Platz. Weil ich viel Zeit hatte, habe ich damals angefangen, auf der Stelle zu laufen, erst 10 – 15 min, dann stetig mehr.
Aber so ganz das Wahre ist das nicht, die Luft steht in der Zelle, Duschen geht nur 2 mal die Woche und der Untermann beschwert sich über das stetige Bummern, welches das Laufen erzeugt. Der innere Schweinehund steht ebenfalls im Weg: Möchte gerade lieber herumliegen, nachher laufe ich dann etwas länger. Ach, wenns heute nichts wird, dann halt morgen.
Später, in der Strafhaft, kommen der Zeitfaktor und die Arbeit dazu. Wir haben haben in unserer Anstalt ausnahmsweise genug Arbeitsplätze für 80% der Insassen, in anderen Anstalten ist der Schnitt erheblich schlechter.
Dann gibt es Versorgungs- und Zählzelten, in denen die Bewegung nur auf der Station oder im Haus gestattet ist. Morgens erst mal eine Stunde Joggen, so wie es freien Bürgern möglich ist, fällt ohnehin flach.
Aufgeschlossen werden Arbeiter erst nach sechs Uhr, dann geht es um 6.30 Uhr zur Arbeitsstelle, die Nichtarbeiter können nur von 7.00 – 8.00 Uhr aus dem Haftraum. Um 15.30 Uhr geht es zurück ins Haus, Versorgungszeit oder Freistunde auf dem kleinen Hof für alle Hausinsassen.
So bieten sich wenig Gelegenheiten, einmal eine längere Zeit zu laufen. Wir haben eine Laufgruppe mit Trainerin in unserer JVA, zum Glück. Dadurch gibt's zweimal in der Woche die Gelegenheit, eineinhalb Stunden zum Training zu gehen, wenn nicht Besuch, Anwalt oder Behandlungsgespräche zeitgleich stattfinden. Wie gesagt, eine glückliche Situation.
So laufe ich innerhalb der Mauern, gegen den eigenen Widerstand und die Faulheit, trotz Zeit- und Platzmangels, meistens unter Beobachtung und nie alleine. Trotzdem hilft mir das Laufen, ich power mich aus, kann mir Erfolgserlebnisse schaffen, meine Probleme abschalten und für meine Gesundheit etwas tun.
Das Laufen tut mir einfach gut. Sie kennen vieles davon auch?
Ja, wo laufen Sie denn??
Erik Fuchs, JVA Plötzensee/Berlin – Spiridon Juli/August 7./8.2014
PS: Der "1. Berliner 10 km Knäste-Lauf" findet am Freitag, dem 10. Oktober 2014 in der JVA Plötzensse statt. Es sind noch einige wenige Plätze für "externe Läuferinnen und Läufer" frei.Mit einer Spende von € 10.00 ist man dabei – man erhält eine besondere URKUNDE und hat man hat an einem "außergewöhnlichen" Lauf teilgenommen.
Anmelden noch bis Mittwoch, dem 8. Oktober 2014 um 18.00 Uhr beim zuständigen Organisator Reinhard Roecher:
Reinhard Roecher: reinhard.roecher@jvapls.berlin.de
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Website Jo Zybon:
Berliner Laufmasche – JoAnna Zybon
Ausschreibung anliegend – Entwurf der Gefangenen: