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31
03
2023

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Laufen unter Medikamenteneinfluss Teil 2: Schmerzmittel und Antiphlogistika – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Rund 1,9 Millionen Menschen nehmen in Deutschland täglich Schmerzmittel ein. Die 30-Tage Prävalenz der Einnahme von Nichtopioid-Analgetika in der deutschen Bevölkerung liegt bei 47,4%. Die Abhängigkeit von Schmerzmitteln (3,2%) ist annährend gleich zu der von Alkohol (3,1%), wobei der schädliche Schmerzmittelkonsum im Vergleich zu Alkohol deutlich höher liegt (Leyk et al. 2023).

Der Schmermittelkonsum ist auch im Sport weit verbreitet (Graf-Baumann 2013). Bekannt sind Berichte und Studien zum Schmermittelkonsum im Profi-Fußball (Trinks et al. 2021). Hier soll der Bezug zum Ausdauersport näher dargestellt werden.

Nichtsteroidale Antiphlogistika (Entzündungshemmer wie Diclofenac, Ibuprofen, COX-2-Hemmer) sollten bei Muskelkater nicht eingenommen werden, weil es Hinweise auf eine Hemmung der Muskelregeneration gibt. Diese Mittel wirken über die Hemmung der Prostaglandine entzündungshemmend und schmerzlindernd.

Vor allem unter Hitzebedingungen und bei Dehydration kann es bei längeren Ausdauerbelastungen unter dem Einfluss von Antiphlogistika zu einer eingeschränkten Nierenfunktion und in extremen Fällen auch zum Nierenversagen kommen (Seedat et al. 1989; Clarkson 2007).

Nehmen Sie Schmerzmittel und Entzündungshemmer nicht über einen längeren Zeitraum ein. Der Körper „sagt“ durch den Schmerz, dass etwas nicht in Ordnung ist. Nehmen Sie den Schmerz als „schützendes Warnsignal“ wahr. Keinesfalls sollten Sie diese Medikamente einnehmen, um laufen zu können.

Aber selbst im Breitensport ist die prophylaktische Einnahme von Schmerzmitteln üblich. So haben Untersuchungen beim Jungfrau-Marathon (1998) ergeben, dass ca.⅓ der Teilnehmer bereits vor dem Start Schmerzmittel eingenommen hatte (Mahler 2001).

Anlässlich des Boston-Marathons 2002 gaben 50 % der männlichen und 60 % der weiblichen Teilnehmer eine Schmerzmitteleinnahme vor dem Start an (Almond et al. 2005). Auch bei einer Befragung anlässlich des Bonn-Marathons bekannten mehr als 60 % der Teilnehmer, vor dem Start zu Schmerzmitteln gegriffen zu haben (Brune et al. 2009). Beim London-Marathon gaben 34% eine Schmerzmittel-Einnahme an (Whalmough et al. 2017). Beim Hannover-Marathon bejahten dies nur 17% (Mahn et al. 2018). Auch Rüther berichtete von 17% bei Laufveranstaltungen (Rüther et al. 2018).

Zu ähnlichen Ergebnissen führten Untersuchungen bei Ultraläufen und im Triathlon (Gorski et al. 2011; Hoffmann und Fogard 2011; Scheer u. Murray 2011; Joslin et al. 2013; Dietz et al. 2016; Didier et al. 2017; Martinez et al. 2017; Pardet et al. 2017; Rotunno et al. 2018; Lai-Cheung-Kit et al. 2019; Seifarth et al. 2019). Der Schmerzmittelkonsum ist im Spitzensport und teilweise auch ambitionierten Leistungssport weit verbreitet.

Diese Untersuchungen machen deutlich, dass Schmerzmittel von Läufern häufig leichtfertig wie „Smarties“ eingenommen werden. Sie erhoffen sich dadurch, die Schmerzschwelle anzuheben und den Lauf besser zu bewältigen. Je länger ein Wettkampf ist, desto häufiger werden Schmerzmittel im Vorfeld eingenommen. Auch schmerstillende und verbotene leistungssteigernde Substanzen werden in Training und Wettkampf genutzt. 8,4% der Befragten eines Ultramarathons gaben an, Cannabinoide, Betäubungsmittel und Stimulanzien zu verwenden (Campian et al. 2018).

Die Schmerztherapie im Sport dient mehr oder weniger dazu, die Trainings- und Leistungsmöglichkeiten zu erhalten oder wiederherzustellen. Der betreuenden Sportmediziner trägt die ethische und rechtliche Verantwortung für das Wohlergehen und die Fitness des betreuten Sportlers.

Dabei sind insbesondere unerwünschte Nebenwirkungen, mentale Einflüsse, aber auch Gewöhnungs- und Abhängigkeitseffekte zu nennen. Zu beachten sind auch die dopingrechtlichen Bestimmungen, insbesondere bezüglich der zentral wirkenden Schmerzmittel (Opiate) und Cannabinoide. Diese Medikamente können zu Schwindel, Kreislauf-Regulations-Störungen und Atemdepression führen. Es liegt in der Fürsorgepflicht des Arztes, aufgrund seiner Kenntnis über die Konsequenzen einer Verletzung und der begleitenden Schmerzen in berechtigten Fällen ein Trainings- und Wettkampfverbot auszusprechen.

Eine unkritische und unzureichende Behandlung kann langfristige Folgen haben, deshalb darf die Schmerztherapie nicht dazu eingesetzt werden, um z. B. nach Überlastungsverletzungen eine schnelle Wiederaufnahme des Trainings oder Wettkampfes zu ermöglichen. Hier ist die ethische Verpflichtung, aber auch Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen des betreuenden Arztes gefordert.

Schmerzmittel haben eine Berechtigung in der Behandlung von Verletzungen. Entzündungen können damit reduziert und Beschwerden gemildert werden. Probleme treten auf, wenn Läufer Schmerzmittel chronisch anwenden und sich eine Abhängigkeit entwickelt. Dann werden Schmerzmittel auch eingesetzt, um das Training oder einen Wettkampf absolvieren zu können. Das Risiko einer Abhängigkeit erhöht sich, wenn an mehr als 10 Tagen pro Monat Schmerzmittel eingenommen werden.

Schmerzmittel sind potente Medikamente und haben ein erhebliches Nebenwirkungspotenzial.

Die Wirkstoffe verstärken die durch sportliche Anstrengung verursachten Belastungen für den Magen-Darm-Trakt, die Niere und den Kreislauf, was zu Übelkeit und Erbrechen sowie Blut im Stuhl und Urin führen kann. Auch zu Benommenheit, Schwindel und Asthmaanfällen können diese Medikamente führen. Durch Einnahme von Schmerzmitteln steigt das Risiko für eine Hyponatriämie (Wharam et al. 2006; Page et al. 2007). Insbesondere durch die Kombination von Elektrolyt- und Wasserverlusten sowie dem analgetikabedingten Fehlen der schützenden Prostaglandine kann es zu Nierenschädigungen bis hin zum Nierenversagen kommen (Küster et al. 2013). Prostaglandine erhöhen den Blutfluss in der Niere und die Ausscheidung von Schadstoffen.

Vor allem länger wirkende Schmerzmittel (Meloxicam, Naproxen, Piroxicam und Tenoxicam) sind nicht zu empfehlen. Acetylsalicylsäure (ASS) verstärkt die Blutungsneigung. Paracetamol wirkt bei Muskel- und Gelenkschmerzen unzureichend, hemmt ebenfalls die Prostaglandine und kann die Leber schädigen. Auch bei den COX-2-Hemmern besteht die Gefahr von Nierenschäden. Metamizol kann zu Blutbildveränderungen (Agranulozytose) führen.

Bei bestehenden Schmerzen sollten Sie deshalb besser gar nicht erst starten.

Falls wirklich erforderlich, sollten Sie Schmerzmittel nach der Belastung und dem Ersetzen von Wasser und Elektrolyten einnehmen. Voraussetzung ist allerdings, dass keine Einschränkung der Nierenfunktion vorliegt (Brune et al. 2008; 2009). Geeignet sind insbesondere Ibuprofen und Diclofenac. Schmerzmittel haben keinen präventiven Effekt und beschleunigen auch nicht den Heilungsprozess nach einer Verletzung. Schmerzmittel und Entzündungshemmer (Antiphlogistika, wie z. B. Ibuprofen) können nach einer Verletzung aber die Entzündung reduzieren und zur Rehabilitation beitragen. Bei einer Langzeiteinnahme nach Frakturen, Muskelverletzungen oder Bänderrissen kann sich die Heilung allerdings verzögern (Tscholl 2014).

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Die Hemmschwelle, Schmerzmittel einzunehmen, um sportliche Ziele zu erreichen, ist stark gesunken. Da diese Medikamente rezeptfrei erhältlich sind, werden sie häufig als „harmlos“ eingestuft.

Gehen Sie verantwortungsvoll mit dem Einsatz von Schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten um, damit sie nicht mehr schaden als nutzen. Leiden Sie unter einer Nierenerkrankung, Bluthochdruck oder anderen internistischen Erkrankungen, nehmen Sie immer Rücksprache mit Ihrem Arzt, bevor Sie ein Schmerzmittel einnehmen. Kombinieren Sie nicht willkürlich verschiedene Schmerzmittel und halten Sie sich an die empfohlene Dosis.

Blut im Urin

Während moderate Belastungen zu einer gesteigerten Nierendurchblutung führen, wird bei lang- dauernden und intensiven Belastungen durch Wasserverlust und Körpertemperaturanstieg kombiniert mit vermehrter Adrenalinausschüttung die Nierendurchblutung gedrosselt. Die harnpflichtigen Substanzen Harnsäure und Harnstoff zeigen einen belastungsbedingten Anstieg, Kreatinin verändert sich meist nur unwesentlich. Bei herabgesetzter Nierendurchblutung ändert sich die Durchlässigkeit und es können Eiweiß und rote Blutkörperchen (Mikrohämaturie) im Urin auftreten.

Bei der vorübergehenden Sportproteinurie handelt es ich um eine physiologische Eiweißausscheidung, die nach ein bis zwei Tagen aufgrund einer dann erhöhten Urinausscheidung beseitigt ist.

Niere und Magen-Darm-Trakt stehen bei Langstreckenläufen unter besonderem Stress (Hewing et al. 2015). Nach einem anstrengenden Lauf kann der Urin blutrot verfärbt sein (Makrohämaturie). Normalerweise ist eine solche verstärkte Ausscheidung von roten Blutkörperchen harmlos und der Befund normalisiert sich nach zwei bis drei Tagen wieder. Mögliche andere Ursachen sollten Sie trotzdem beim ersten Auftreten von rotem Urin abklären lassen.

Über den Urin kann nach langen Ausdauerläufen aus der Muskulatur freigesetztes Myoglobin (Rhabdomyolyse) ausgeschieden werden und zu einer dunkelbraunen Verfärbung des Urins führen. Eine geringe Ausscheidung von Myoglobin im Urin ist ohne Bedeutung. Auch bei einer belastungsbedingten Hämolyse (Zerplatzen von Erythrozyten) kann sich der Urin durch die vermehrte Freisetzung von Hämoglobin rotbraun verfärben (Marschhämoglobinurie). Vor allem bei längeren Strecken kommt es zu einer signifikanten intravasalen Hämolyse. Unebener Untergrund kann diesen Effekt verstärken (Janakiraman et al. 2011), wobei es keine Unterschiede zwischen Vorfuß- und Rückfußläufern gibt (Caulfield et al. 2016).

Fazit: Auch unter dem Eindruck großer Präsenz von Schmermittelwerbung in den Medien hat sich ein unkritischer Umgang mit leicht zugänglichen Schmerzmitteln etabliert. Diesem Trend, auch im Sport, gilt es durch Aufklärung gegenzusteuern. Der Artikel soll dazu beitragen, das Bewusstsein für einen rationaleren Umgang mit diesen Mitteln im Alltag und im Sport zu schärfen.

Weitere Hinweise und das Literaturverzeichnis finden Sie in:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Ergänzende Literatur:

Campian MD, Flis AE, Teramoto M, Cushman DM. Self-Reported Use and Attitudes Toward Performance-Enhancing Drugs in Ultramarathon Running. Wilderness Environ Med 2018; 29 (3): 330-7.

Dietz P, Dalaker R, Letzel S, Ulrich R, Simon P: Analgesics use in competitive triathletes its relationship to doping and on predicting its usage. J Sports Sci 2016; 34: 1965–9.

Gorski T, Cadore EL, Pinto SS, et al.: Use of NSAIDs in triathletes: prevalence, level of awareness and reasons for use. Br J Sports Med 2011; 45: 85–90.

Graf-Baumann T. Missbrauch im Sport nimmt zu. „Ohne Schmerzmittel läuft nichts“. MMW Fortschr Med 2013: 155: 62-4.

Joslin J, Lloyd JB, Kotlyar T, Wojcik SM: NSAID and other analgesic use by endurance runners during training, competition and recovery. S Afr J Sports Med 2013; 25: 101.

Lai-Cheung-Kit I, Lemarchand B, Bouscaren N, Gaüzère B-A: Consommation des anti-inflammatoires non stéroïdiens lors de la préparation au Grand Raid 2016 à La Réunion. Science & Sports 2019; 34: 244–58.

Leyk D, Rüther T, Hartmann N, Vits E, Staudt M, Hoffmann MA. Schmermittelkonsum im Sport. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 155-61.

Mahn A, Flöricke F, Sieg L, et al.: Consumption of analgesics before a marathon and effects on incidence of adverse events: the Hannover marathon study. IJAR 2018; 6: 1430–41.

Pardet N, Lemarchand B, Gaüzère BA: Ultra-trailers’ consumption of medicines and dietary supplements, about the grand raid 2015 // La prise de médicaments et de compléments alimentaires chez l’ultra-trailer compétiteur durant la préparation du Grand Raid 2015 de l’île de La Réunion. Science & Sports 2017; 32: 344–54.

Rotunno A, Schwellnus MP, Swanevelder S, Jordaan E, van Janse Rensburg DC, Derman W: Novel factors associated with analgesic and anti-inflammatory medication use in distance runners: pre-race screening among 76 654 race entrants-SAFER Study VI. Clin J Sport Med 2018; 28: 427–34.

Rüther T, Witzki A, Schomaker R, Löllgen H, Rohde U, Leyk D: Konsum von NEM und Schmerzmitteln bei Läufern – Ergebnisse des „Bleib-gesund-und-werde-fit“-Surveys. Dtsch Z Sportmed 2018; 69: 179 (Abstract).

Seifarth S, Dietz P, Disch AC, Engelhardt M, Zwingenberger S. The prevalence of legal performance-enhancing substance use and potential cognitive and or physical doping in german recreatinal triathletes, assessed via the randomised response technique. Sports 2019; 7: 241.

Trinks S, Scheiff AB, Knipp M, Gotzmann A: Declaration of analgesics on doping control forms in German football leagues during five seasons. Dtsch Z Sportmed 2021; 72: 67–74.

Whatmough S, Mears S, Kipps C: The use of non-steroidal anti-inflammatories (NSAIDs) at the 2016 London marathon. Br J Sports Med 2017; 51: 408.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

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