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25
03
2023

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Laufen unter Medikamenteneinfluss – Teil 1 – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Einnahme von Medikamenten kann Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben. Besonders intensive und lang andauernde Belastungen sowie Wettkämpfe sollten bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme nur nach ärztlicher Zustimmung erfolgen.

Die aktuellen Doping-Richtlinien und Verbotslisten müssen beachtet werden. Wenn Sie Medikamente einnehmen, die auf der Verbotsliste stehen, dürfen Sie nicht an Wettkämpfen teilnehmen. Gegebenenfalls können Sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten

Zahlreiche Studien konnten belegen, dass bei einigen Krankheiten durch Lauftraining die medikamentöse Versorgung reduziert werden oder sogar ganz unterbleiben kann.

Das gilt beispielsweise für

  • Bluthochdruck,
  • Diabetes mellitus,
  • Depressionen,
  • Fettstoffwechselstörungen und
  • chronische Schmerzen.

Umstellung und Absetzen der medikamentösen Therapie sollten Sie nicht eigenmächtig vornehmen. Das kann nur der behandelnde Arzt. Zu beachten ist auch, dass körperliches Training die Leberenzyme aktiviert und dadurch eine Dosisanpassung notwendiger Medikamente erforderlich werden kann.

Häufig müssen Infektionen mit Antibiotika behandelt werden. Die Infektion fordert das Immunsystems und die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Kräftigen Sie Ihre Darmflora mit einem Lakto- oder Bifidobakterien-Präparat. Wettkampfteilnahmen sollten deshalb unterbleiben. Bei fieberhaften Erkrankungen mit und ohne medikamentöse Behandlung sollte grundsätzlich bis zum fieberfreien Stadium eine Laufpause eingelegt werden. Diese beschleunigt die Regeneration und beugt unliebsamen Komplikationen wie z. B. einer Herzmuskelentzündung vor.

Chinolonantibiotika können als unerwünschte Nebenwirkung Sehnenbeschwerden (Achillessehne, Patellarsehne) und Muskelschmerzen auslösen (Kalid u. Zhanel 2005). Auch die Kortisongabe kann zu einer Sehnendegeneration bis hin zum Sehnenriss führen. Ferner ist bekannt, dass die Einnahme von Anabolika (Doping!) mit Sehnenrissen verbunden ist.

Diuretika beeinflussen die körperliche Leistungsfähigkeit meist nicht, wenn nicht ein wesentlicher Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust eintritt (Mewes et al. 2015). Unter Hitzebedingungen kann es allerdings leichter zu einer Dehydration und auch zu Muskelkrämpfen kommen. Beachten Sie auch, dass die Einnahme von Diuretika wegen der möglichen Verschleierung von Dopingsubstanzen im Wettkampf verboten ist.

Die Hitzetoleranz kann durch Antihistaminika, Beta-Blocker und Antidepressiva beeinträchtigt werden.

Kalziumantagonisten, Alphablocker und AT-1-Antagonisten, die in der Bluthochdrucktherapie eingesetzt werden, beeinflussen die körperliche Leistungsfähigkeit nicht und sind deshalb bei der Bluthochdrucktherapie des Läufers vorzuziehen (Predel 2007).

ACE-Hemmer verursachen als Nebenwirkung häufiger Reizhusten und Lungenbläschenveränderungen. Für Läufer sind deshalb AT1-Antagonisten (Sartane) besser geeignet, da sie kaum Nebenwirkungen aufweisen.

Auch die Gabe von Antikoalulanzien beeinflusst das Leistungsvermögen nicht signifikant. Blutungskomplikationen treten unter der Einnahme von Antikoagulanzien bei körperlich aktiven Patienten seltener auf (Shendre et al. 2014; Frey et al. 2015). Die Sporttauglichkeit muss unter Einbeziehung der gesundheitlichen Gesamtsituation und der jeweiligen Sportart individuell beurteilt werden (Heidbuchel et al. 2006; Laszlo et al. 2017).

Eine häufige Ursache von Muskelschwäche, rascher Ermüdbarkeit und schweren Beinen ist die Einnahme von Beta-Blockern. Diese Medikamente blockieren die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin. Die maximale Herzfrequenz ist herunterreguliert und trotz erhöhten Herzschlagvolumens ist die Leistung reduziert (Kaiser 1984; Kindermann et al. 1984).

Eine Trainingssteuerung mit der Pulsuhr ist bei Einnahme von Beta-Blockern deshalb relativ sinnlos. Der durch Beta-Blockade bedingte niedrigere Herzfrequenzanstieg könnte dazu verleiten, sich übermäßig zu belasten. Auch die Energiegewinnung über den Fettabbau ist unter Beta-Blocker-Therapie schlechter und eine Hypoglykämie-Neigung kann verstärkt werden (Graf 2014). Der arteriosklerotische Schutzfaktor HDL-Cholesterin sinkt unter einer Beta-Blocker-Einnahme (Kleinmann 2006).

Nitropräparate können zu einem reduzierten Herzzeitvolumen führen. Ursache sind venöse Blutansammlungen in der unteren Körperhälfte mit vermindertem venösem Blutangebot an das Herz. Es kann zu Kopfschmerzen und Schwindel kommen. Durch eine im Grenzbereich erhöhte anaerobe Energiebereitstellung ist die Leistungsfähigkeit reduziert.

Eine ganze Reihe von Medikamenten kann zu Muskelschwäche, Muskel- und Gelenkschmerzen führen: Benzodiazepine, Kalziumantagonisten, Cholinergika, Chloroquin, Cimetidin, Dimenhydrinat, Antidepressiva, Laxanzien, Omeprazol, Salbutamol und Tramadol.

Mit einer reduzierten Schweißbildung ist bei der Einnahme von Diuretika, Beta-Blockern, Antihistaminika und Antidepressiva zu rechnen.

Sportliche Aktivität unter Statin-Therapie

Ein Großteil der Bevölkerung wird heute mit cholesterinsenkenden Statinen behandelt. Das Thema Cholesterin ist vielfach mit Angst und Verunsicherung verbunden. Auch Ausdauersportler und damit Läufer sind häufig betroffen.

Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Dr.Dr. Lutz Aderhold im Elsevier Verlag

Kritik zur Lipidtheorie

Studien konnten zeigen, dass mit Statinen eine effektive Absenkung des Cholesterinspiegels erzielt werden kann. Die vielfach geübte Praxis einer medikamentösen Cholesterinsenkung ist aber oft unnötig und außerdem schädlich, denn Cholesterin allein hat keinen Einfluss auf die Entstehung von Atherosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall (Hartenbach 2015). Die Hauptursachen für die Entstehung von Atherosklerose wie Genetik, Nikotin, Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes, Gicht, Dauerstress, Bewegungsmangel sowie eiweiß- und vitalstoffarme Ernährung werden negiert und angeblich zu hohe Cholesterinwerte verantwortlich gemacht. Viele Fachwissenschaftlicher bezeichnen die Lipidtheorie als untauglich und unsinnig. Cholesterinablagerungen sind in arteriosklerotischen Gefäßwandveränderungen kaum vorhanden.

Die grundlegenden Richtlinien und Zielwerte zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen orientieren sich nach Empfehlungen der Fachgesellschaften an gestaffelten Risikogruppen und Risikofaktoren (Catapano et al. 2016; Parhofer 2016). Die Statintherapie gehört heute zur Standardmedikation der Atherosklerose und wird auch in der Primärprävention eingesetzt. Neben der medikamentösen Behandlung werden Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität genannt. Bei der Ernährung wird eine Reduktion der gesättigten Fette und eine Erhöhung der ungesättigten Fette (Omega-3-Fettsäuren) empfohlen (Hooper et al. 2015). Zu nennen wäre hier die mediterrane Kost mit zusätzlicher Gabe von Olivenöl und Nüssen (Da Luz et al. 2008; Bao et al. 2013; Estruch et al. 2013; Ros et al. 2014; Hernaez et al. 2017). Die Ausscheidung des Cholesterins wird durch den Verzehr von Ballaststoffen gefördert. Körperliche Aktivität und Sport verbessern ebenfalls das Lipidprofil (Kokkinos et al. 2014; Pressler 2017). Lebensstilmodifikationen können erhöhte LDL-Cholesterinwerte allerdings nur um ca. 10% senken (Malhotra et al. 2014).

Folgt man den Richtlinien und Zielwerten, so ist ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung behandlungsbedürftig. In Deutschland erhalten 4,6 Millionen Menschen Statine. Der Cholesterinnormwert wurde in der 1950er Jahren bei etwa 260 mg/dl fixiert. Seitdem wurde er stetig gesenkt und liegt heute bei 200 mg/dl. Allein in den USA wurden durch der Senkung der Cholesteringrenzwerte von 240 mg/dl auf 200 mg/dl über 42 Millionen Amerikaner zusätzlich behandlungsbedürftig (Welch et al. 2013).

Eine Cholesterinsenkung, meist ausgehend von einem Grenzwert von 200 mg/dl, kann gefährlich sein und mit reduzierter geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit einher gehen. Als Nebenwirkungen der Statine werden beschrieben: Kraftlosigkeit, Muskelschmerzen, Gelenkbeschwerden, Konzentrationsmangel, Rückgang der Gedächtnisleistung, Depression, Müdigkeit und Impotenz (Wagstaff et al. 2003; Morales et al. 2006). Vor allem für die Gehirnfunktion ist Cholesterin von großer Bedeutung. Menschen mit niedrigem Cholesterin sind einem höheren Risiko für Demenz und andere neurologische sowie psychische Probleme ausgesetzt (Suarez 1999; King et al. 2003; Perlmutter u. Loberg 2014). Statine erhöhen außerdem das Risiko für Diabetes mellitus (Sattar et al. 2010; Swerdlow et al. 2015; Kokkinos et al. 2017).

Zu bedenken ist, dass die meisten Untersuchungen und Statistiken zur Cholesterinsenkung industriell finanziert sind. Die Ergebnisse sind entsprechend kritisch zu hinterfragen. Cholesterinsenker (Statine) sind heute weltweit das umsatzstärkste Segment des Pharmamarktes.

Sportliche Aktivität und Statin-Therapie

Unter physischen und psychischen Belastungen kommt es zu einer Erhöhung des Stresshormons Kortisol und seiner Grundsubstanz Cholesterin (Steptoe u. Brydon 2005). Der Cholesterinspiegel unterliegt je nach Bedarf also starken Schwankungen. Kortisol ist ein wesentlicher Aktivator für die Sicherstellung des Energieträgers Glukose und Modulator des Immunsystems. Kortisol wirkt synergistisch mit den Katecholaminen im Sinne einer Anhebung des Blutzuckerspiegels und einem Anstieg der freien Fettsäuren, hat also eine große Bedeutung in der Energiebereitstellung. Darüber hinaus stimuliert Kortisol die Freisetzung von Aminosäuren aus Proteinen, was bei lang dauernden Belastungen für die Glukosegewinnung wichtig ist. Bei Marathon- und Ultraläufen können so die Kortisolwerte in Abhängigkeit von der Intensität auf mehr als das Zehnfache ansteigen (Weineck 2010). Cholesterin ist damit als Ausgangssubstanz für die Bildung von Kortisol grundlegend für die sportliche Leistung.

Statine verursachen bei 20 – 30% der behandelten Patienten eine Erhöhung der Kreatinkinase-Aktivität (CK) und der Serum-Transaminasen (Gudjons 2009; Parker et al. 2012). 10 – 30% der Patienten berichten über Muskelsymptome (Bruckert et al 2005; Buettner et al. 2008 u. 2012). Körperlich Aktive scheinen häufiger davon betroffen zu sein. Für den Läufer sind Muskelschmerzen, Verspannungen, Steifheit, Krämpfe und Muskelschwäche die prominenten Nebenwirkungen der Statine (Opie 2013; Laufs et al. 2015; Aderhold 2017). In seltenen Fällen kann sich eine schwere Myopathie bis hin zur Rhabdomyolyse entwickeln (Laufs et al. 2006; Stroes et al. 2015). Unter einer Statin-Therapie kann es zu einer reduzierten Trainingsanpassung und auch Leistungsfähigkeit kommen. Eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit unter der Behandlung mit Statinen konnte nicht festgestellt werden (Bakker et al. 2017).

Die Ursachen der Statin-assoziierten Muskelbeschwerden sind noch nicht geklärt, diskutiert werden Veränderungen im Energiestoffwechsel und eine gestörte Mitochondrien-Funktion (Sinzinger u. O‘Grady 2004; Golomb et al. 2012; Mikus et al. 2013; Sakamoto u. Kimura 2013; Murlasits u. Radak 2014; Needham u. Mastaglia 2014; Stroes et al. 2015; Williams u. Thompson 2015; Chung et al. 2016; Bahls et al. 2017; Noyes u. Thompson 2017). Risikofaktoren für das Auftreten von Statin-assoziierten Muskelbeschwerden sind Begleiterkrankungen (Hypothyreose, eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion, Diabetes mellitus, Vitamin D-Mangel u.a.) sowie Medikamenteninteraktionen (Antimykotika, Makrolid-Antibiotika, Protease-Inhibitoren, Verapamil u.a.). Wegen einer möglichen Wirkungsverstärkung der Statine sollte auf den Verzehr von Grapefruitsaft verzichtet werden.

Typischerweise treten die Beschwerden vier bis sechs Wochen nach Beginn der Statin-Einnahme auf. Meist sind große Muskelgruppen wie Oberschenkel-, Schultergürtel- und Oberarmmuskulatur betroffen. Aber auch nach mehrjähriger Behandlung mit Statinen können die muskulären Probleme erstmals auftreten. Die Beschwerden sind häufig nicht von Muskelkater zu unterscheiden, dauern insgesamt länger an und machen ein weiteres Training unmöglich. Zu beachten ist, dass durch Training regelmäßig die CK ansteigt. Eine Trainingspause und Kontrolle der Werte können in diesem Fall weiterhelfen. Spezifische Laborparameter und bildgebende Verfahren existieren nicht. Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen abgeklärt werden.

Auf jeden Fall sollte die Statin-Therapie unterbrochen werden. Wenn die CK jenseits des Vierfachen der Referenzbereichsgrenze erhöht ist, sollte die Wiederaufnahme der Therapie unter engmaschiger Kontrolle und mit einer geringeren Dosierung bzw. einem weniger potenten Statin erfolgen. Bei fehlender oder nur geringer CK-Erhöhung kann die Statin-Therapie schneller und mit demselben Präparat vorgenommen werden. Durch das Pausieren und die folgende Reexposition klärt sich häufig, ob die geschilderte Symptomatik tatsächlich im Zusammenhang mit der Statin-Medikation steht. Fluvastatin und Pravastatin haben im Vergleich zu Atorvastatin und Simvastatin eine etwas geringere Nebenwirkungsrate. Die Dosisfindung kostet Zeit, da die Dosierung nicht schneller als im Zweiwochenrhythmus gesteigert werden sollte. Kann der notwendige LDL-Zielwert mit der höchsten tolerierten Dosierung nicht erreicht werden, wird eine Kombinationstherapie empfohlen. Bei schweren körperlichen Belastungen wie z.B. einem Marathonlauf sollte mit der Einnahme von Statinen pausiert werden (Laufs et al. 2015). Die Ergebnisse zur Behandlung der Statin-assoziierten Muskelbeschwerden mit Coenzym Q10 sowie Vitamin D sind bisher uneinheitlich (Glueck et al. 2011; Bookstaver et al. 2012; Fedacko et al. 2013; Skarlovnik et al. 2014; Barnach et al. 2015). Für Vitamin C und Vitamin E wird eine günstige Beeinflussung des Lipidprofils angenommen. Unterstützend können pflanzliche Lipidsenker eine Hilfe oder auch Alternative darstellen.

Sollten unter der Statin-Therapie muskuläre Beschwerden und eingeschränkte Leistungsfähigkeit auftreten, ist eine Abklärung erforderlich. Unter der Bewertung des individuellen Risikoprofils ist eine Überprüfung und ggf. Änderung der Medikation vorzunehmen.

Fortsetzung in Teil 2: Schmerzmittel und Antiphlogistika

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

author: GRR