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09
05
2013

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Laufen unter Medikamenteneinfluss ©privat

Laufen unter Medikamenteneinfluss – Dr. Dr. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Einnahme von Medikamenten kann Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben. Besonders intensive und langdauernde Belastungen sowie Wettkämpfe sollten bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme nur nach ärztlicher Zustimmung erfolgen (Aderhold und Weigelt 2012).

Zu beachten sind die aktuellen Anti-Doping-Richtlinien und Verbotslisten. Wettkämpfe dürfen bei Einnahme von auf der Verbotsliste stehenden Medikamenten nicht bestritten werden, gegebenenfalls muss eine Ausnahmegenehmigung eingeholt werden (siehe Beitrag: Anti-Doping-Richtlinien 2013)

Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen konnten, dass durch Lauftraining bei einigen Krankheiten die medikamentöse Versorgung reduziert werden oder sogar ganz unterbleiben konnte.

 

Das gilt beispielsweise für:

 

  -Bluthochdruck,

  -Diabetes mellitus,

  -Depressionen,

  -Fettstoffwechselstörungen  und

  -chronische Schmerzen.

 

Die Umstellung und Absetzung der medikamentösen Therapie sollte aber nicht eigenmächtig sondern nur vom behandelnden Arzt erfolgen.

Zu beachten ist allerdings auch, dass körperliches Training die Leberenzyme aktiviert und eine Dosisanpassung notwendiger Medikamente erforderlich werden kann. 

Häufig müssen Infektionen mit Antibiotika behandelt werden. Durch die Infektion ist das Immunsystems gefordert und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Wettkampfteilnahmen sollten deshalb unterbleiben. Bei fieberhaften Erkrankungen mit und ohne medikamentöse Behandlung sollte grundsätzlich bis zum fieberfreien Stadium eine Laufpause eingelegt werden. Damit wird die Regeneration beschleunigt und unliebsamen Komplikationen wie z.B. einer Herzmuskelentzündung vorgebeugt.

Die Einnahme von Chinolonantibiotika kann als unerwünschte Nebenwirkungen zu Sehnenbeschwerden (Achillessehne, Patellarsehne) und Muskelschmerzen führen. Auch die Kortisongabe kann zu einer Sehnendegeneration bis hin zum Sehnenriss bewirken.

Darüber hinaus ist bekannt, dass die Einnahme von Anabolika (Doping!) mit Sehnenrissen verbunden ist.   

Diuretika beeinflussen die körperliche Leistungsfähigkeit meist nicht, wenn nicht ein wesentlicher Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust eintritt. Unter Hitzebedingungen kann es allerdings leichter zu einer Dehydration und auch Muskelkrämpfen kommen. Zu beachten ist auch, dass Diuretika wegen der Möglichkeit des Verschleierns von Dopingsubstanzen im Wettkampf verboten sind. Die Hitzetoleranz kann auch durch Antihistaminika, Betablocker und Antidepressiva beeinträchtigt werden.

Kalziumantagonisten, Alphablocker und AT1-Antagonisten, die in der Bluthochdrucktherapie eingesetzt werden, beeinflussen die körperliche Leistungsfähigkeit nicht und sind deshalb bei der Bluthochdrucktherapie des Läufers vorzuziehen. Bei den ACE-Hemmern kommt es als Nebenwirkung häufiger zu einem Reizhusten und Lungenbläschenveränderungen.

Für Läufer sind deshalb AT1-Antagonisten (Sartane) besser geeignet, da sie kaum Nebenwirkungen aufweisen. Auch die Gabe von Antikoagulanzien beeinflusst das Leistungsvermögen nicht signifikant.

Eine häufige Ursache von Muskelschwäche, rascher Ermüdbarkeit und schweren Beinen ist die Einnahme von Betablockern. Diese Medikamente blockieren die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin. Die maximale Herzfrequenz ist praktisch herunterreguliert und trotz erhöhten Schlagvolumens ist die Leistung reduziert. Eine Trainingssteuerung mit der Pulsuhr ist bei Einnahme von Betablockern deshalb relativ sinnlos.

Der durch Betablockade bedingte niedrigere Herzfrequenzanstieg könnte dazu verleiten, sich übermäßig zu belasten. Auch ist die Energiegewinnung über den Fettabbau unter Betablockertherapie schlechter und eine Hypoglykämieneigung kann verstärkt werden. Der arteriosklerotische Schutzfaktor HDL-Cholesterin (das gute Cholesterin) sinkt unter einer Betablockereinnahme (Kleinmann 2006).

Nitropräparate können zu einem reduzierten Herzzeitvolumen führen. Ursache sind venöse Blutansammlungen in der unteren Körperhälfte mit vermindertem venösem Blutangebot an das Herz. Durch eine im Grenzbereich erhöhte anaerobe Energiebereitstellung ist die Leistungsfähigkeit reduziert.

Cholesterinsenkende Statine können in seltenen Fällen Muskelkrämpfe oder auch Myoglobinurien (dunkelbraune Verfärbung des Urins) mit Muskelschmerzen hervorrufen. Eine ganze Reihe von Medikamenten kann zu Muskelschwäche, Muskel- und Gelenkschmerzen führen: Benzodiazepine, Kalziumantagonisten, Cholinergika, Chloroquin, Cimetidin, Dimenhydrinat, Antidepressiva, Laxantien, Omeprazol, Salbutamol und Tramadol.

Mit einer reduzierten Schweißbildung ist bei der Einnahme von Diuretika, Betablockern, Antihistaminika und Antidepressiva zu rechnen.

Nichtsteroidale Antiphlosgistika (Diclofenac, Ibuprofen, COX-2-Hemmer) sollten bei Muskelkater nicht eingenommen werden, weil es Hinweise auf eine Hemmung der Muskelregeneration gibt. Diese Mittel wirken über die Hemmung der Prostaglandine entzündungshemmend, fiebersenkend und schmerzlindernd.

Vor allem unter Hitzebedingungen und Dehydration kann es bei längeren Ausdauerbelastungen unter dem Einfluss dieser Medikamente zu einer eingeschränkten Nierenfunktion mit Blut im Urin und in extremen Fällen auch zum Nierenversagen kommen (Seedat et al. 1989, Clarkson 2007).

Unterlassen Sie die Einnahme von Schmerzmitteln und Entzündungshemmern über einen längeren Zeitraum. Der Körper „sagt" Ihnen durch den Schmerz, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Keinesfalls sollten Sie diese Medikamente einnehmen, um laufen zu können. Aber selbst im Breitensport ist die prophylaktische Einnahme von Schmerzmitteln üblich. So haben Untersuchungen beim Jungfrau-Marathon 1998 ergeben, dass circa ein Drittel der Teilnehmer bereits vor dem Start Schmerzmittel eingenommen hatte (Mahler 2001).

Anlässlich des Boston-Marathons 2002 gaben 50 % der männlichen und 60 % der weiblichen Teilnehmer eine Schmerzmitteleinnahme vor dem Start an (Almond et al. 2005). Auch bei einer Befragung anlässlich des Bonn-Marathons bekannten mehr als 60 % der Teilnehmer, vor dem Start zu Schmerzmitteln gegriffen zu haben (Brune et al. 2009). Zum  gleichen Ergebnis führten Untersuchungen bei einem 100-Meilen-Lauf in den USA (Hoffmann und Fogard 2011).

Die Schmerztherapie im Sport dient mehr oder weniger dazu, die Trainings- und Leistungsmöglichkeiten zu erhalten oder wieder herzustellen. Hier besteht für den betreuenden Sportmediziner die ethische und rechtliche Verantwortung für das Wohlergehen und die Fitness des betreuten Sportlers. Dabei sind insbesondere unerwünschte Nebenwirkungen, mentale Einflüsse aber auch Gewöhnungs- und Abhängigkeitseffekte zu nennen.

Zu beachten sind auch die dopingrechtlichen Bestimmungen. Das betrifft hauptsächlich zentral wirkende Schmerzmittel (Opiate). Diese Medikamente können zu Schwindel, Kreislauf-Regulations-Störungen und Atemdepression führen.

Es liegt in der Fürsorgepflicht des Arztes aufgrund seiner Kenntnis über die Konsequenzen einer Verletzung und der begleitenden Schmerzen, in berechtigten Fällen ein Trainings- und Wettkampfverbot auszusprechen. Eine unkritische und unzureichende Behandlung kann langfristige Folgen haben, deshalb darf die Schmerztherapie nicht dazu eingesetzt werden z.B. nach Überlastungsverletzungen eine schnelle Wiederaufnahme des Trainings oder Wettkampfes zu ermöglichen. Hier ist die ethische Verpflichtung aber auch das Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen des betreuenden Arztes gefordert.

Schmerzmittel haben eine Berechtigung in der Behandlung von Verletzungen. Entzündungen können damit reduziert und Beschwerden gemildert werden. Probleme treten dann auf, wenn Läufer  Schmerzmittel chronisch anwenden und sich eine Abhängigkeit entwickelt. Dann werden Schmerzmittel auch eingesetzt, um das Training oder einen Wettkampf zu absolvieren.

Schmerzmittel sind potente Medikamente und haben ein erhebliches Nebenwirkungspotential. Diese Wirkstoffe verstärken die durch sportliche Anstrengung verursachten Belastungen für Magen-Darm-Trakt, Niere und Kreislauf, was zu Übelkeit und Erbrechen sowie Blut im Stuhl und Urin führen kann. Auch zu Benommenheit und Schwindel und Asthmaanfällen können diese Medikamente führen. Insbesondere durch die Kombination von Elektrolyt- und Wasserverlusten mit dem analgetikabedingten Fehlen der schützenden Prostaglandine kann es zu Nierenschädigungen  bis zum Nierenversagen kommen (Küster et al. 2013). Prostaglandine erhöhen den Blutfluss in der Niere und die Ausscheidung von Schadstoffen.

Vor allem länger wirkende Schmerzmittel (Meloxicam, Naproxen, Piroxicam und Tenoxicam) sind nicht zu empfehlen. Acetylsalicylsäure (ASS) verstärkt die Blutungsneigung. Paracetamol wirkt bei Muskel- und Gelenkschmerzen unzureichend und hemmt ebenfalls die Prostaglandine. Auch bei den COX-2-Hemmern besteht die Gefahr von Nierenschäden.

 

Bei bestehenden Schmerzen sollten Sie deshalb besser gar nicht erst starten.

 

Falls wirklich erforderlich sollten Schmerzmittel nach der Belastung und dem Ersatz von Wasser und Elektrolyten eingenommen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass keine Einschränkung der Nierenfunktion vorliegt (Brune et al. 2008, 2009).  Hier wären in erster Linie Ibuprofen und Diclofenac geeignet. Schmerzmittel haben keinen präventiven Effekt und beschleunigen auch nicht den Heilungsprozess nach einer Verletzung. Schmerzmittel und Entzündungshemmer (Antiphlogistika, wie z.B. Ibuprofen) können nach einer Verletzung aber die Entzündung reduzieren und zur Rehabilitation beitragen.

Die Hemmschwelle, Schmerzmittel einzunehmen, um sportliche Ziele zu erreichen, ist stark gesunken. Da diese Medikamente frei erhältlich sind, werden sie häufig als „harmlos" eingestuft.

Gehen Sie verantwortungsvoll mit dem Einsatz dieser Medikamente um, damit der Schaden nicht den Nutzen überwiegt

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Literatur:

  

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.

Almond CS, Shin AY, Fortescue EB, Mannix RC, Wypij D, Binstadt BA, Duncan CN, Olson DP, Salerno AE, Newburger JW, Greenes DS. Hyponatremia among runners in the Boston Marathon. N Engl J Med 2005; 352: 1550-6.

Brune K, Niederweis U, Krämer BK. Sport und Schmerzmittel. Unheilige Allianz zum Schaden der Niere. Dtsch Arztebl 208; 105A: 1894-7.

Brune K, Niederweis U, KüsterM, Renner B. Laien- und Leistungssport: Geht nichts mehr ohne Schmerzmittel? Dtsch Arztebl 2009; 106A: 2302-4.

Clarkson PM. Exertional rhabdomyolysis and acute renal failure in marathon runners. Sports Med 2007; 37: 361-3.

Hoffman MD, Fogard K. Factors related to successful completion of a 161-km ultramarathon. Int J Sports Physiol Perform 2011; 6: 25-37.

Kleinmann D. Laufen und Walking im Alter. Gesundheitliche Auswirkungen und Therapiegrundsätze aus sportmedizinischer Sicht. Wien: Springer 2006.

Küster M, Renner B, Oppel B, Niederweis U, Brune K. Consumption of analgesics before a marathon and the incidence of cardiovascular, gastrointestinal and renal problems. BMJ 2013; doi 10.1136/bmjopen-2012-002090.

Mahler N. Medikamentenmissbrauch im Breitensport. Ther Umsch 2001; 58: 226-31.

Seedat YK, Aboo N, Naicker S, Parsoo I. Acute renal failure in the "Comrades Marathon" runners. Ren Fail 1989; 11: 209-12.

 

 

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Das Buch von Aderhold/Weigelt:

 

Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag

 

 

 

 

 

author: GRR

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