
2014 IAAF Gala Awards Monaco, Monte Carlo November 20-22, 2014 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET
Lamine Diack und die Folgen – Dem IOC droht ein neuer Skandal – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Deutsche Fernsehzuschauer kennen Namen und Adresse: Black Tidings mit Sitz in Appartement 04-78 im Dakota Crescent 28 von Singapur, gleich am Geylang River.
Der Reporter, der im Dezember 2014 mit dem Nachweis systematischen Dopings und weltweiter Korruption in der Leichtathletik ein Erdbeben in der Sportwelt ausgelöst hat, klingelte dort an der Tür und versuchte von einem Mann in schwarzem Unterhemd zu erfahren, warum er der Marathonläuferin Lilja Schobukowa 300.000 Euro überwiesen habe.
Das waren zwei Drittel des Bestechungsgeldes, das die Athletin dafür gezahlt hatte, dass der russische und der Weltverband verdächtige Blutwerte unterdrücken. Der Mann im Unterhemd droht mit der Polizei und knallt die Tür zu.
Inzwischen sind die Summen größer und die Fragen dringlicher geworden. Ein deutscher Fernsehzuschauer wird besonders interessiert sein am Ausgang dieser Geschichte: Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Denn die französische Polizisten und Staatsanwälte, die gegen Lamine Diack ermitteln, einst Präsident des Welt-Leichtathletikverbandes IAAF und Mitglied des IOC, haben Zahlungseingänge bei Black Tidings festgestellt, die von der kommenden Olympia-Stadt Tokio (2020) stammen sollen oder von jemandem, der sie vertrat, und sie waren für Diack bestimmt. Die Überweisungen summieren sich auf 1,3 Millionen Euro.
Diack soll Stimme verkauft haben
Damit droht dem IOC ein Korruptions-Skandal, wie es ihn seit der Bestechung durch den erfolgreichen Olympia-Bewerber Salt Lake City (2002) nicht mehr erleben wollte; zehn IOC-Mitglieder kostete Korruption ihren Sitz in dem Gremium; drei gingen freiwillig, sieben wurden ausgeschlossen.
Die französischen Behörden ermitteln, welche Rolle Korruption bei der Vergabe der Leichtathletik-Weltmeisterschaften an Daegu 2011, Moskau 2013, Peking 2015, Doha 2019 und Eugene 2021 spielte und was am Verdacht dran ist, Diack habe seine Stimme für Olympia 2020 verkauft.
Ostentativ hatte die Unabhängige Ermittlungskommission (IC) der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) im Januar in einer Fußnote ihres Berichtes von Indizien dafür berichtet, dass Diack sich für einen vorgeblichen Sponsorvertrag von vier bis fünf Millionen Dollar von Istanbul ab- und Tokio zuwandte. „Die IC ermittelte in dieser Sache nicht weiter“, schrieben die Ermittler über sich, „weil es nicht in unserem Aufgabengebiet lag.“
Die französische Justiz dürfte auch Gerüchten nachgehen, dass Diack die Voten mehrerer afrikanischer IOC-Mitglieder makelte. Laut Guardian flossen über das Black Tidings-Konto Millionensummen in zweistelliger Zahl. „Das IOC verfügt über alle Instrumente und hat die Entschlossenheit, Korruption effektiv zu bekämpfen“, sagte Bach am Donnerstag auf der Anti-Korruptionskonferenz des britischen Premierministers David Cameron in London.
„Aber wie jede Organisation sind wir nicht immun gegen Fehlverhalten. In solchen Fällen reagieren wir nachweislich prompt. Die Reformen der Agenda 2020 haben unsere Möglichkeiten verstärkt, in dieser Hinsicht eine Null-Toleranz-Politik einzuführen.“
Bach kündigte die Einführung einer Partnerschaft des internationalen Sports gegen Korruption an. Das IOC teilt mit, dass es mit den französischen Ermittlern sowie der Wada in Kontakt stehe. Sobald Anklage erhoben werde, werde es Nebenkläger.
Über das Konto in Singapur verfügte Papa Massata Diack, der von Interpol gesuchte Sohn von Lamine Diack. Bis zum Sturz seines Vaters war er Marketing-Berater der IAAF; Provision für Sponsorverträge ging an seine Agentur Pomozdi in Dakar. Von einem Sponsor-Deal mit der russischen Bank VTB im Wert von 25 Millionen Dollar soll kein Cent beim Verband in Monte Carlo eingegangen sein. Diack junior hält sich in seinem Heimatland Senegal auf.
Der 83 Jahre alte Diack senior darf Frankreich nicht verlassen. Wenige Wochen nach seinem Rücktritt im August 2015 als IAAF-Präsident war er am Verbandssitz verhaftet worden. Gegen ihn wird wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 12. Mai 2016