Die männlichen Eliteathleten bei der Pressekonferenz ©Helmut Winter
Läuft sich Haile nach London? Beim Tokyo-Marathon 2012 will sich Haile Gebreselassie für den Marathon bei den Olympischen Spielen in London qualifizieren. Helmut Winter berichtet
Die Frage, ob es Haile Gebrselassie schafft, sich für das äthiopische Team beim Olympischen Marathon in London zu qualifizieren, ist der wohl spektakulärste Aspekt der 6. Ausgabe des Tokyo-Marathons als Massenevent mit ca. 35.000 Teilnehmern.
Aber wie sich bei der Pressekonferenz am Freitagnachmittag herausstellte, geht es bei den meisten der dort anwesenden Eliteathleten noch um die Fahrkarte an die Themse. Insbesondere die japanischen Männer sind mit den aussichtsreichsten Athleten am Start, der Tokyo-Marathon ist eines der Qualifikationsrennen für den olympischen Marathon der Männer.
Warum dies nicht auch für die japanischen Frauen gilt, ist kaum nachzuvollziehen, als Konsequenz ist das Aufgebot an japanischen Frauen im Feld der Eliteathleten sehr überschaubar.
DNF – DNS – DNF, das ist die wenig überzeugende Bilanz von Hailes letzten Auftritten über die volle Marathondistanz. Entsprechend bedeckt hielt er sich bei der Prognose zu Zeiten. Aber auch ihm dürfte klar sein, dass er nach dem Galaauftritt der „jungen Wilden“ aus Äthiopien beim Dubai-Marathon vor 4 Wochen auf jeden Fall am Limit laufen muss, wenn er seinen Traum einer Medaille bei einem Olympischen Marathon noch erfüllen will. Und da wird vermutlich ein neuer Streckenrekord, den seit 2008 der Schweizer Victor Röthlin mit 2:07:23 hält, kaum reichen.
Eine Zeit in diesem Bereich will der neue Star der Japaner und „Hobbyläufer“ Yuki Kawauchi erzielen, der sich im letzten Jahr an gleicher Stelle als Nobody in die Herzen der Japaner gelaufen hatte und die professionelle Elite mit 2:08:37 düpierte. Im Dezember 2011 gewann er die internen Olympia-Ausscheidungen der Japaner in Fukuoka nach tollem Kampf in knapp unter 2:10, er muss aber noch nachlegen, um endgültig nach London zu fahren. Yuki zeigte sich bei der Vorstellung der Athleten sehr optimistisch, dies mit einer Zeit um 2:07 zu realisieren.
Falls ihm das in Tokyo gelingen sollte, dürfen wir uns in Deutschland auf seinen Start bei einem der späteren Frühjahrsmarathons freuen. Die größte Konkurrenz von Seiten seiner Landleute dürfte ihm von den Fujiwara Brüdern erwachsen, die eine ähnliche Zeit wie Kawauchi abstreben.
Für den Sieg dürfte solchen Zeiten aber kaum reichen, nach Haile sind Jafred Kipchumba mit 2:05:48 sowie Michael Kipyego in 2:06:48 beim Eindhoven-Marathon im Oktober 2011 und Stephen Kiprotich in 2:07:20 beim Enschede-Marathon 2011 aussichtsreiche Anwärter auf das Preisgeld. Dabei deuten die beiden holländischen Kleinstädte allerdings auch ein kardinales Problem von Tokyo an, die Zeiten sind nach den stürmischen Entwicklungen der letzten Jahre nur noch zweite Wahl.
Für eine Veranstaltung wie Tokyo, die sich mit dem „Golden Label“ der IAAF schmückt, sind nach fünf Jahren Massenmarathon zwei Zeiten unter 2:08 und vier weitere unter 2:09 kaum überzeugend. Da ist die (Marathon-)Welt den Japanern gewaltig davongerannt.
Ob sich das am Sonntag ändert, beliebt abzuwarten, auch der Vorjahressieger Hailu Mekonnen in 2:07:35 bestätigt gute Form und möchte das gleichfalls schnell laufen. Das kann man vom amtierenden Streckenrekordler Victor Röthlin nicht erwarten, der sein Abschlusstraining wegen der Geburt seiner Tochter in die Schweiz verlegt hat und kaum noch das Leistungsvermögen von 2008 haben dürfte.
Nach seiner Einschätzung ist der Kurs, der von der Höhendifferenz soeben noch die Kriterien der IAAF (1m Höhe pro km) erfüllt (wobei die knapp 40 m bereits auf den ersten 5 km abfallen – Splits sind also nicht rekordtauglich), durchaus vergleichbar mit Berlin. Warum sich das bisher noch nicht auf die Zeiten im Ziel ausgewirkt hat, konnte er sich allerdings auch nicht ganz erklären.
Ungünstiges Wetter war sicher ein Grund, fehlende Weltklasseathleten vielleicht ein weiterer. Letzteres dürfte bei der diesjährigen Ausgabe kein Problem darstellen, wobei allerdings die kurzfristige Absage vom ehemaligen Frankfurt-Sieger und 2:06-Mann Gilbert Kirwa das Elitefeld schwächt.
Bezüglich des Wetters ist die Sache eher durchwachsen. Der Regen soll sich bis zum Start noch verziehen und auch die 10°C beim Start um 9:10 Uhr sind leistungsfördernd, Probleme dürfte aber ein recht kräftiger Wind bereiten, der von Nordwesten hereinwehen soll.
Dass Tokyo kein ganz langsames Pflaster aufzuweisen hat, belegt im übrigen der immer noch gültige deutsche Rekord im Marathon der Männer, den Jörg Peter aus Dresden 1988 mit 2:08:47 hier lief.
Wesentlich bescheidener ist das Leistungsniveau der Elitefrauen, wo allerdings Helena Kirop aus Kenia das Potential haben sollte, den Streckenrekord von 2:25:38 aus dem Jahr 2009 zu brechen.
Helmut Winter
Liste der Eliteathleten 2012 und Startnummern:
Männer:
1. Haile Gebrselassie (ETH) – 2:03:59 (Berlin 2008)
2. Jafred Chirchir Kipchumba (KEN) – 2:05:48 (Eindhoven 2011)
4. Michael Kipkorir (KEN) – 2:06:48 (Eindhoven 2011)
5. Stephen Kiprotich (UGA) – 2:07:20 (Enschede 2011)
6. Viktor Rothlin (SWI) – 2:07:23 (Tokyo 2008)
7. Hailu Mekonnen (ETH) – 2:07:35 (Tokyo 2011)
8. Oleksandr Sitkovskyy (UKR) – 2:09:26 (Bila Tserkva 2011)
11. Yuki Kawauchi (JPN) – 2:08:37 (Tokyo 2011)
12. Yoshinori Oda (JPN) – 2:09:03 (Tokyo 2011)
13. Arata Fujiwara (JPN) – 2:08:40 (Tokyo 2008)
17. Masakazu Fujiwara (JPN) – 2:08:12 (Otsu 2003)
107. Satoshi Irifune (JPN) – 2:09:23 (Fukuoka 2008))
155. Yuki Iwai (JPN) – 1:01:58 (HM) – Debut
Frauen:
21. Helena Loshanyang Kirop (KEN) – 2:23:37 (Venedig 2011)
24. Tatiana Arkhipova (RUS) – 2:25:01 (Berlin 2011)
26. Yeshi Esayias (ETH) – 2:26:04 (Daegu 2011)
27. Rosaria Console (ITA) – 2:26:10 (Berlin 2011)
28. Lishan Dula (BHR) – 2:26:56 (Rotterdam 2011)
33. Eri Okubo (JPN) – 2:28:49 (Berlin 2011)
35. Yumiko Hara (JPN) – 2:23:48 (Osaka Int'l 2007)