Läuferabende 2014 - Rennen entwickeln die sportliche Form - Lothar Pöhlitz ©Athletics Australia
Läuferabende 2014 – Rennen entwickeln die sportliche Form – Lothar Pöhlitz
Am 23.05.2013 beschrieb Alexandra Neuhaus in einem Beitrag bei leichtathletik.de die unbefriedigende Situation rund um die Wettkampfgestaltung in der deutschen Leichtathletik. Immer mehr Veranstalter werfen das Handtuch, Spezialmeetings sterben, Vollmeetings verschwanden aus dem Kalender, Cottbus, Königs Wusterhausen, Kassel, Biberach, Cuxhaven – andere – wie beispielsweise das einst große Internationale in Koblenz wurden mangels Sponsoren zum „Mini-Internationalen" heruntergestuft.
„Das Meeting-Sterben ist leider ein langfristiger Trend, den können wir nicht schönreden", sagte DLV-Veranstaltungsmanager Frank Kowalski dazu und denkt nicht nur an die letzten beiden Jahre, sondern durchaus noch weiter zurück. „In Köln, Stuttgart oder Nürnberg gab es auch mal große Meetings". Da muss man doch einmal fragen dürfen welche Aufgaben – außer resignierend auf die anderen oder die bessere Vergangenheit zu zeigen – ein DLV Veranstaltungsmanager in den letzten Jahren erfolgreich gelöst hat.
Wenn Frank Kowalski sagte „wir arbeiten entschieden gegen an", und meint dass die Weltmeisterschaft 2009 der nationalen Leichtathletik gut getan habe, muss man fragen dürfen warum er 2013 fast resignierend über die Wettkampfproblematik einschätzt: „der Abschwung ging auch nicht von heute auf morgen und ebenso lange braucht der Aufschwung".
Das passt nicht zusammen und hilft vor allem den Athleten nicht. Die Olympische Leichtathletik hat doch nicht Jahre Zeit, 2014 ist EM – 2016 schon wieder Olympia. Es fehlt eine DLV-Wettkampfstruktur für die Kaderathleten, in der Spitze aber vor allem auch im Lauf-Nachwuchs.
Im Neuhaus-Beitrag fand man reichlich Argumente. Fehlendes Geld, weniger Sponsoren, das abnehmende Interesse der Zuschauer (in Ulm 2013 war das Haus aber 2 Tage voll!), – die DLV Gala wurde gecancelt und „an ihre Stelle trat Berlin fliegt am Brandenburger Tor für Springer" – da scheint Gefahr aufzuziehen und spätestens hier darf man wohl fragen wer dafür die Verantwortung trägt.
Wollen der DLV wirklich die Leichtathletik weiter in ihre Einzelteile zerlegen und damit einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Abstinenz im TV leisten?
Ziel ist doch das gemeinsame erfolgreiche Auftreten des Teams bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und den U18 – U20 – U23-Events die gerade richtig Fahrt aufgenommen haben.
Ist der Weg zu dezentral auf Marktplätzen oder der Straße, von Sprints oder Sprüngen auf Schwingboden in Stadtzentren, von Sprungschanzen im Wald mit Rückenwindschneisen oder … die dann auch noch als Qualifikationsleistungen anerkannt werden ernsthaft gewollt.
Das würde vielleicht den Veranstaltungsmanagern die Arbeit erleichtern, da bleiben sicher auch einmal ein paar Leute stehen die sich sonst für Fußball interessieren oder die erzielten Superleistungen schönen die Bestenlisten.
Zumindest die Läufer brauchten ein unterstützendes Wettkampfkonzept
Zur ersten Liga in der Welt zu gehören ist immer auch für Athleten und Trainer mit dem Anspruch verbunden zu den Top 3 zu gehören. Auch beim diesjährigen DM-Bericht bei leichtathletik.de wurden nur die namentlich erwähnt die es aufs Podium geschafft hatten. Im C-Kader, im Anschlussbereich U20, den B-Kadern und in der Champions League gilt das Interesse vor allem den Besten.
Im Hochleistungssport ist nicht die Teilnahme sondern das Podium oder wenigstens das Finale der Anspruch. Vielleicht haben sie dies auch bei den Eurosport-Übertragungen von der WM in Moskau gespürt – wenn nach wenigen, zu langsamen Metern bereits eingeschätzt wurde, dass so ein Weltrekord natürlich nicht möglich ist?
7 DLV-Medaillen und Nachwuchsfortschritte
So kann man sich richtig über die 7 Medaillen und guten Finalplätze bei der WM und auch über Nachwuchsfortschritte in 2013 freuen. Auch bei den Läufern ist es vorangegangen, in der Leistungsverdichtung und im Nachwuchsbereich (siehe auch DecaNation). Trotzdem ist der Weg in die Spitze noch lang auch weil spektakuläre Ausreißer fehlen.
Das wahre Anspruchsniveau wurde in Moskau demonstriert. Aber es gingen neue Namen durchs Land nach den großen Bewährungen bleiben neben Homiyu Tesfaye – den uns wohl der Himmel geschickt hat – Gesa Krause und Corinna Harrer wohl nur „die Neuen" Richard Ringer, Andreas Lange und Patrick Zwicker im Gedächtnis, danach muss man schon überlegen. In diesem Leistungsbereich waren wir in der Vergangenheit aber schon mehrfach.
Damit ist die Frage noch nicht beantwortet warum da und dort in der Arbeit der letzten Jahre größere Versäumnisse zugelassen wurden, ein Wettkampf-Konzept im Zusammenhang mit der Nachwuchsausbildung zum schnelleren Anschluss nach oben immer noch fehlt oder nicht funktioniert, die Pacemaker nicht für sondern gegen das Feld agieren. Seit Jahren wundert man sich auch dass der DLV den Leistungssport- Wettbewerb (Talentangebot) zwischen den Landesverbänden nicht aktiviert oder organisiert.
Die Maßstäbe bestimmen die Positionierung und sind Herausforderung für alle
„Unser Ziel war es unter den Top 3 zu landen, von insgesamt 40 Einzeldisziplinen haben wir 19 Top-Vier-Platzierungen erreicht", schätzten Sportdirektor Thomas Kurschilgen und Cheftrainer Idriss Gonschinska gemeinsam nach der gelungenen Team-EM ein. Das gefällt weil immer nur eine entsprechende Positionierung gleichzeitig Herausforderung ist.
Die deutsche Leichtathletik muss zu den Besten gehören wollen. Wer die Reserven kennt ist überzeugt dass das deutsche Leichtathletik-Team konkurrenzfähig weiter oben sein könnte, wenn … An den verschiedenen Baustellen müsste aber noch entwicklungs-wirksamer gearbeitet werden.
In der Bewährung liegt die Wahrheit
Glücklicherweise hat man das Gefühl dass das Gespann Kurschilgen/Gonschinska diese Aufzählung nicht brauchen, einige Weichen haben sie schon neu gestellt. 4x Gold – 2x Silber – 1x Bronze bei der WM machen Hoffnung für demnächst, trotzdem hat man das Gefühl das noch nicht alle DLV-Mitarbeiter im Lande wissen dass Stillstand Rückschritt bringt und Zufriedenheit auf niedrigem Niveau sich schließlich in den Ergebnissen zeigt.
Die Läufer müssen sich weiterhin vor den Werfern tief verbeugen. Wenn sie künftig einen ähnlichen Beitrag zum Team Deutschland des DLV leisten wollen dann müssten vor allem die Besten vielleicht wie sie in Kienbaum öfter mehrere Wochen „gemeinsam" in Trainingslagern üben, es muss mehr „Bewegung in den Laden".
Nach den U18 – U20 und U23 Höhepunkten gilt dass weiterhin auch für die Mittel- und Langstrecken, auch weil sich für Moskau außer Gesa Krause keiner aus der Nachwuchsarbeit der letzten Jahre qualifizieren konnte und Gesa muss man wohl dem Konto von Wolfgang Heinig zuordnen.
In Bewährungssituationen offenbaren sich die Schwachstellen
2013 hat erneut gezeigt: in den Bewährungen zeigen sich die Schwachstellen. Noch zu oft musste man von unserem besten Nachwuchs entschuldigend hören: „Ich war das erste Mal bei einem solch großen internationalen Wettkampf, oder ich musste Lehrgeld zahlen, oder ich habe die Nerven verloren oder …". Auch in Moskau gab es erstaunliche Erklärungen nach offensichtlich vorherigen Fehleinschätzungen des eigenen Standes im Weltniveau.
Auch im Nachwuchsleistungssport würden kritischere Töne dem Arbeitsauftrag innerhalb der olympischen Leichtathletik mehr gerecht.
Verstecken (z.B. hinter den Werfern) ist out muss zur Devise werden. Damit sie aber vor den Höhepunkten üben und Erfahrung sammeln können müssen dafür die entsprechenden Bedingungen gegeben sein. Siege und auch Niederlagen helfen voran. Wer aus der Vergangenheit weiß dass für die großen Topereignisse EM, WM oder OS eine dreifache Absicherung für Top-Platzierungen erforderlich ist – d.h. von 3 etwa gleichstarken in der Regel nur einer/eine „durchkommt" (siehe Speer Frauen, Weitsprung Männer oder Diskus Männer) und von den Medien positiv begleitet wird – erkennt welche Aufgaben „möglichst noch heute" für Deutschland unter TOP 3 in der Mehrzahl der Disziplinen noch zu lösen sind.
Ab sofort auch für olympische Bewährungen nach 2016 arbeiten – Alle Trainingsgeheimnisse sind öffentlich – aber die Zeit!
Parallel zur DLV-Kienbaum-Konferenz hat das neue Trainings- und Wettkampfjahr bereits begonnen. Im Olympiazyklus 2013 – 2016 und dem neuen Anspruch im Nachwuchstraining liegt schon wieder ein Jahr hinter uns. Im Hochleistungssport müssen alle ins Weltniveau wollen, für die „Goldkörnchen" Olympia 2016 Ziel sein. Dafür müssen sie das Training anstreben das derzeit die Weltbesten bereits realisieren.
Wer aber sichert in der vom Präsidenten Prokop geforderten „dualen Karriere" die 12 x 2 Stunden Trainingszeit und die 6 Stunden sportmedizinisch-physiotherapeutische Begleitung pro Woche? Fürs Weltniveau der Läufer sind sie Bedingung.
Darüber hinaus müsste jetzt schon für eine neue Läufer-Generation, für olympische Bewährungen nach 2016 gearbeitet werden. Was Training für Spitzenleistungen bedeutet ist heute kein Geheimnis mehr, alles ist öffentlich und trotzdem weiß man dass zu viele Schritte noch zu klein sind und die Diskussion um Kilometer und Trainingsqualität immer noch nicht offensiv geführt wird.
Geschwindigkeit im Trainingsumfang, Ausdauer für heute und Kraft für morgen, Laufökonomie für höhere Steigerungsraten, Wettkampferfahrung für höhere Ansprüche und mentale Stärke verbunden mit mehr offensiver Renngestaltung wären vor allem zu lösende Aufgaben im Lauf-Team.
Eine bessere Trainerfortbildung als die Vorläufe, Halbfinals und Finals mit ihren vielfältigen Taktikvarianten und „wahnsinnigen Endphasen" von der WM zu beobachten gibt es nicht. Danach sollten die erfreulichen Ergebnisse „der Weißen" und der auf breiter Front beeindruckenden USA- boys and girls im Kampf gegen die aus dem Rift Vally Motivation auch für unsere deutschen Läufer und Trainer sein.
Wer aber daraus keine Konsequenzen ableitet wird auch 2016 wieder aus respektvoller Distanz beeindruckt zusehen. Unsere Athleten müssen lernen dass Startplätze bei den Champions League-Rennen, die unseren Läufern derzeit noch zu oft verwehrt bleiben, konkurrenzfähige Zeiten erfordern. Dafür würde mit einem höheren wettkampfspezifischen Niveau und neuen grenzwertigen Anpassungen zurückgezahlt auch wenn man nicht immer gleich ganz vorn einkommt.
„Talente und Talentausbildung für Olympia" bleibt eine der Schlüsselaufgaben wenn Deutschlands Läufer auch nach 2016 um Top 3 Plätze in der Welt kämpfen wollen. Im Winter 2013/2014 wird der Grundstein gelegt, nur ein höheres Trainings-Niveau führt ins Hochleistungstraining. Ich glaube daran und halte es für machbar, auch wenn die Herausforderung für alle – ein Gemeinschaftswerk, eine Arbeit des Teams – außerordentlich arbeitsintensiv sein wird. Aus der Distanz beobachtet scheint man da besondere Reserven erschließen zu können.
Die Philosophie der offensiven Renngestaltung wäre ein Teil der Strategie
Für den Lauf-Nachwuchs würde eine neue „Philosophie auch der offensiven Wettkampfgestaltung" – nach dem Vorbild vor allem der aus dem Rift Valley – einen wichtigen Beitrag zum Leistungsfortschritt leisten können. Natürlich geht es auch weiterhin bei Meisterschaftsrennen um Siege und Medaillen. Persönliche Bestleistungen überzeugen und trotzdem kann man immer wieder – auch in weniger wichtigen Wettkämpfen – beobachten dass beispielsweise in 1500 m Rennen die ersten beiden Runden gestaltet werden als würde es um 5000 oder sogar 10.000 m gehen und am Ende steht nicht selten die Feststellung „ich hätte eigentlich noch schneller gekonnt".
Vor allem widerspiegeln Zeiten die wahre Leistungsfähigkeit oder in Bummelrennen die letzten 400 m – 300 m oder 200 m wie in den 9 Monaten Investition ins Training gearbeitet wurde. Alle wissen das vor allem positive Ergebnisse und „der Spaß am leistungsorientierten Training" für das Talent das Salz in der Suppe ist.
Die wichtigsten Protagonisten bei einer Leichtathletikveranstaltung sind die Sprinter, Springer, Mittel- und Langstreckler und Werfer die gemeinsam im Innenraum ihre Fähigkeiten den Fans mit sehr guten Leistungen präsentieren.
Unsere deutschen Fans und die Medien wollen deutsche Konkurrenzfähigkeit. Dafür sollten „alle alles tun"! Und wenn es Unzufriedenheiten gibt sollten sich alle fragen mit welchem Beitrag er/sie selbst beteiligt ist. Der Grund für die fehlende Nachfrage bei den Medien, beim Fernsehen und auch den Zuschauern ist in erster Linie die Konkurrenzfähigkeit im Kampf um Siege und in fehlenden deutschen Idolen zu suchen. Alle haben erlebt wie Robert Harting in Ulm „vom Stadion" gefeiert wurde!
Ab 2014 sollte es wieder mehr Läuferabende geben
Auch in diesem Jahr wollten ja viele gern einige gut organisierte Rennen mehr laufen, auch mal ihre Unter- oder Überdistanzfortschritte überprüfen, nach Niederlagen stärker zurückkommen, mentale Stärke aufbauen, nach den Meisterschaften noch nicht in den Urlaub gehen nach 9 Monaten Training. Leider sorgte sich auch 2013 das Wettkampfmanagement wieder vor allem um Wettkämpfe bei denen es um Qualifikationen ging.
Die Organisation der Wettkampfleistung scheint immer noch eine unterschätzte Aufgabe, eine Großbaustelle. Wir haben in Koblenz und bei der Regensburg-Gala gesehen dass es doch noch viele Läufer und auch Talente gibt die freiwillig kommen, demnächst sollten wir uns noch mehr um sie sorgen – ihren Weg unterstützen.
6 zusätzlich organisierte Läuferabende als „Trainingswettkämpfe auf höchstem Niveau" – die früher wesentliche Beiträge für den individuellen Fortschritt leisteten – würden gut tun. Offene Rennen im Zeitraum von Juni – Mitte August (am 1.September beginnt ja für Läufer in der Regel bereits das neue Trainingsjahr wenn die notwendigen 16 Wochen für einen neuen Herbst / Winter – Basisaufbau zur Verfügung stehen sollen) – unabhängig von der Altersklasse – nach fairen aktuellen Bestleistungen zusammengestellt – würden auch deutlich machen dass besser trainiert wird als bisher aus den Bestenlisten abzulesen ist.
Die Nachwuchs-Bundestrainer könnten – weil es vorrangig um ihre Kader bis U23 geht – gemeinsam mit dem Cheftrainer die Teilnahme, Terminabstimmung und die Auswahl der anzubietenden Strecken mit bereiten Veranstaltern für die Läuferabende koordinieren und dann öffentlich machen. Es werden sicher für ihre Wunschtermine kompetente Veranstalter bereit sein. Winfried Aufenanger und der PSV Kassel haben am 23.8.2013 um 19,00 Uhr – zum Ende der Saison 2013 – bereits den Anfang gemacht, Danke.
„Dieser Entwicklung wollen Meetingveranstalter, German Meetings und die Verantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) nun geschlossen entgegentreten. Im Herbst soll in einem Workshop gemeinsam an Konzepten gearbeitet werden" war zu lesen. Es wäre hilfreich wenn diese so wichtige Veranstaltung zu einer „Schlüsselproblematik" gemeinsam mit den verantwortlichen Bundestrainern der Disziplinbereiche schon konkrete Ergebnisse bringen würde.
Lothar Pöhlitz
Leichtathletik Coaching Academy