2008 Olympic Games Beijing, China August 8-24, 2008 Photo: Giancarlo Colombo@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
Kulturraum und Ruinen – London gilt als Vorbild für die Nachnutzung der Olympia-Bauten, in Athen dagegen verfallen die Stadien – Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung
Im Londoner Olympiastadion laufen die Umbauarbeiten noch. Kürzlich ist das erste Stück des neuen Daches fertig geworden, und nun geht es eilig weiter mit der Verwandlung jenes mächtigen Leichtathletik-Stadions, in das bei den Spielen 2012 an jedem Wettkampfabend 80 000 Menschen strömten.
Eine 54 000-Zuschauer-Arena soll das Stadion sein, wenn es im August 2016 fertig ist und seiner neuen Bestimmung übergeben wird als nationales Leichtathletik-Zentrum für Großbritannien, Heimstatt des Fußballklubs West Ham United sowie als Herberge für viele andere Veranstaltungen.
Wenn alles gut geht, werden die Briten es eines Tages als ein weiteres Zeichen dafür feiern dürfen, dass aus Olympia auch in Zeiten eines überdimensionierten Marketing-Sports noch neuer Kulturraum für die Zukunft wachsen kann.
Großbritanniens Hauptstadt gilt gerade als Musterbeispiel für olympische Nachhaltigkeit. Das heißt zwar nicht, dass die Londoner immer ihre Finanzpläne einhalten könnten. Im Oktober hat der Guardian berichtet, dass die Gesamtkosten für das Stadion wegen Komplikationen mit der Dachkonstruktion auf 600 Millionen Pfund steigen würden; in ersten Voranschlägen kostete die Arena mal 280 Millionen.
Aber tatsächlich ist Olympia in London der Treiber eines Stadtentwicklungsprogramms gewesen, durch das auf einer Industrie-Brache im Stadtteil Stratford der lebendige Queen Elizabeth Olympic Park gewachsen ist mit viel Grün, öffentlichem Olympiabad und eben dem Stadion, das noch im Umbau ist.
Je bombastischer die Spiele werden, desto schwieriger wird es, ihre teuren Stätten einigermaßen nahtlos ins gesellschaftliche Leben hinüberzuretten. Die zwei Positiv-Beispiele München (1972) und Barcelona (1992) hatten es in dieser Hinsicht einst etwas einfacher als London.
Und anderswo scheint das olympische Erbe bestenfalls sanft vor sich hinzuschlummern: In Peking wirkt der Olympiapark von 2008 teilweise wie eine sehr weite, traurige Fläche, in der das berühmte Vogelnest-Stadion steht wie eine selten bespielte Touristenattraktion; immerhin findet 2015 dort die Leichtathletik-WM statt.
In Atlanta haben die Amerikaner die Schauplätze der Spiele 1996 so konsequent ab- und umgebaut, dass man dort an den Überresten des olympischen Geistes leicht vorbeischauen kann. Und in Athen wirken die Sportstätten von 2004 wie verwitternde Mahnmale der griechischen Wirtschaftskrise.
Immerhin, Sommer-Olympia ist grundsätzlich kompakter und mit seinen Sportarten näher dran an mehr Menschen. Die weiße Version des Ringe-Spektakels hat sich zur viel größeren Herausforderung für olympische Nachnutzer entwickelt: Für Winterspiele braucht es nun mal nicht nur eine großstädtische Infrastruktur, sondern auch schneesichere Berge und Stätten für Sportarten, die kaum ein Mensch betreibt.
Gerade die Spiele 2014 von Sotschi gelten deshalb als russisches Wagnis, von dem noch keiner so genau weiß, was davon eine belastbare Zukunft hat.
Und die kaum genutzten Skisprungschanzen von Pragelato (2006) und Whistler (2010) erinnern daran, dass unter dem Ringe-Logo immer wieder teure Bauwerke entstehen, die die Welt nicht braucht.
THOMAS HAHN in der Süddeutschen Zeitung, Mittwoch, dem 17. Dezember 2014
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