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10
12
2022

Ohne ein tägliches Training wirst Du nicht konkurrenzfähig - Foto: Hemkes

Komplex-vielseitig-zielgerichtet, Trainingsqualität und Motivation – Von Lothar Pöhlitz*

By GRR 0

 

Nachdem die ersten 12 Wochen – Vorbereitung auf die neue Saison geschafft ist, sollten nicht nur Trainer, sondern auch die Läufer sich eine Bestandsaufnahme des realisierten Trainings vornehmen und noch einmal darüber nachdenken was in der VP II noch besser oder auch anders zu machen ist, damit die angestrebte Leistung – möglichst bei den Meisterschaften – auch möglich wird.

Vielleicht erleichtert die eine oder andere Erfahrung den nächsten Schritt in der Bestenliste weiter nach oben.

Man weiß nie, was eines Tages aus dem Talent wird, deshalb ist wichtig früh „das Erbe, die Gene“, zu erkennen und die Stärken in den Mittelpunkt der Ausbildung zu stellen.  Schnellkraft- oder Aus-dauer-Typ oder Misch-Typ ist die Frage und trotzdem ist auch für zukünftige Langstreckler wichtig, den „Schnellkraft-Anteil in der Muskulatur zu pflegen und zu erhalten“.

Innerhalb eines langfristigen Leistungsaufbaus geht auch jungen Langstrecken-Läufern und Läuferinnen die Leistungsentwicklung oft zu langsam und dann sollen sie auch noch Kraft machen. Viele talentierte Sportler, sogar Kader, geben früh-zeitig auf und wenden sich anderen Hobbys zu und „machen Gewicht“. Die Gründe sind natürlich immer vielfältig. Es wird für sie uninteressant, wenn sie mehrmals wöchent-lich zum Training gehen, in den Wettkämpfen aber Erfolge, die Bestleistungen, ausbleiben.

Bei einer notwendig frühen Berücksichtigung der Anlagen eines jungen Sportlers (Schnellkraft-, bzw. Ausdauertyp) ist die Ausbildung des individuellen Schnellkraftpotentials als Voraussetzung für später immer höhere Laufgeschwin-digkeiten wichtig. Das bedeutet nicht, dass damit eine gleich-zeitige parallele Entwicklung der Grundlagenausdauer und eine allmähliche Verlängerung der speziellen Streckenausdauer zu vernachlässigen sind.

Das entscheidende Kriterium für den individuellen Antrieb und die Motivation für ein mehr im Training sind doch Erfolge, Fortschritte auf einer oder mehrerer Strecken, unabhängig vom Alter. Deshalb sollte man den jungen Läufern „anerziehen“ das in Bahnrennen vor allen die guten Zeiten und nicht leichte Siege Ziele sein sollen. Das ist auch der Grund warum man schon junge 5000m/10000m oder 3000 m Hinder-nisläufer mit dem „Tempogefühlstraining“ konfrontieren soll. Das sind Intervallpro-gramme in einem vorgegebenen 100%-Tempo mit nicht mehr als 0,5 sec. Abwei-chungen“.

„Am wichtigsten sind Talent, ein starker Charakter und Intelligenz. Für Langstreckler ist das Kämpferische noch wichtiger als das Talent“  – (Haile Gebrselassie 2003)

Ohne ein tägliches Training wirst Du nicht konkurrenzfähig

Da alle Laufdisziplinen Geschwindigkeitswettbewerbe sind und neue persönliche Bestleistungen ständig höhere Geschwindigkeitsanforderungen voraussetzen ist der Erfolg auch schon im frühen Jugendtraining an einem mehr geschwindigkeits-orientierten Training festzumachen. Mehr Geschwindigkeit im Laufen setzt aber ein ständig steigendes Ganzkörper-Voraussetzungsniveau, eine frühzeitige, mehr auf die Geschwindigkeit innerhalb einer guten Technik, zielgerichtete Belastung aller betei-ligten Funktionssysteme voraus.

Das bedeutet, das mehr als bisher auch

  • die Übungen des Athletiktrainings, Lauf-ABC, der Ganzkörperkraft
  • der Beweglichkeitsentwicklung zur Lauftechnikoptimierung,
  • der speziellen Kraftentwicklung,
  • des allgemeinen und speziellen Schnelligkeits- und Schnellkrafttrainings
  • geschwindigkeitsorientierter Intervalle,

zunehmend qualitativ besser, komplexer und schneller ausgeführt werden müssen, bevor die Umfänge die dominierende Rolle spieNatürlich ist damit immer auch ein gutes technisches Ausführungsniveau der Trainingsübungen, eine sehr gute, ökonomische Lauftechnik und eine parallel zu- entwickelnde Belastbarkeit und Kraft voraus.

Beginne mit der Lauftechnikoptimierung früh. Zukünftigen Langstreckler machen regelmäßige „Technik-Kilometer“ im Dauerlauf, mit denen sie schrittweise einer gewissen Perfektion des Bewegungsablaufs näherkommen können.

Unabhängig von der Jahreszeit. Geschwindigkeitserhöhungen, Tempowechsel, Steigerungsläufe oder 3-5 x 200m nach dem Dauerlauf, auch mit Spikes, sind für den Ballenlauf / Vorfußtechnik bei leichter Körpervorlage die besten Übungen. Für hohe Geschwindigkeiten / Spurts ist diese veränderte Technik immer wieder zu nutzen: verstärkter Kniehub bei verkürzten Schritten und erhöhter Frequenz, und möglichst kurzen Bodenkontaktzeiten, aber dabei „großbleiben“. Das System läuft möglichst „rund“ und die Füße arbeiten vom Moment des Aufsetzens vorn bis zum hinteren Abdruck bewußt aktiv. Darauf sind aber die Muskelgruppen vorzubereiten, die z.B. beim Dauerlauf nie gebraucht werden.

Erfolge im Ergebnis der Nachwuchsarbeit gelingen eher, wenn sie „in einem Team leistungsmäßig – gleichinteressierter“ erarbeitet werden. In einem solchen System bestimmt nicht nur der Umgang das Entwick-lungstempo, die weiteren Fortschritte oder die Stagnation. Deshalb muss schon früh gelten: Lerne aus Fehlern, übe komplexer und der Fortschritt ist garantiert. Erfolge motivieren zu mehr.

Die Zielgeschwindigkeit ist auch im Nachwuchs leistungsbestimmend. Die Ziele müssen dabei aber realistisch und die Belastung an das Vermögen der jungen Sportler angepasst sein.

Langstreckler zum Cross – Foto: Hemkes

Mittel- und Langstreckenwettbewerbe stellen hohe unterschiedliche Anforderungen an das Herz-Kreislauf-, Atem- und Nervensystem und an den Stütz- und Bewe-gungsapparat. Die Entwicklungsmöglichkeiten der Systeme sind aber durch indivi-duelle genetische Faktoren, die Erbanlagen begrenzt. Frühzeitige falsche Einwir-kungen können die natürliche Entwicklung begrenzen. Deshalb unterstützt in den Etappen des Anfängertrainings (< 12 Jahren) eine vielseitige Vorbereitung die Ermittlung der genetischen Veranlagung durch vielfältige Tests und Wettkämpfe auf verschiedensten Strecken. Die Zuwachsraten in den verschiedensten Tests und Wettkämpfen geben wichtige Hinweise auf die genetische Veranlagung. Eine viel-seitige Vorbereitung von Anfängern soll vor allem die folgenden Aufgaben lösen

  • Grundlagentraining – vielseitige Ganzkörperausbildung – Entwicklung der allgemeinen Kraft – Vermittlung der Techniken in den eingesetztenTrainingsübungen – Grundlagen der Lauftechnik
  • Gewöhnung / Erziehung zum regelmäßigen täglichen Training
  • Erlernung des Umgangs mit den wichtigsten Elementen des Lauf-trainings zuerst bei nicht zu hohen Geschwindigkeiten und allmählich zu verlängernden Laufdistanzen (Laufen im gleichmäßigen und variablen Tempo, Laufen im Gelände, Aufgabenerfüllung)
  • Erfahrungen mit der Schnelligkeits- / Schnellkraftentwicklung (ohne und mit steigenden Zusatzlasten) – Bewegungskoordination

Im Schüleralter oberhalb 12 Jahre – das durch eine ungleichmäßige körperliche Ent-wicklung und durch Entwicklungsunterschiede von Jungen und Mädchen gekenn-zeichnet ist – beginnt die systematische Schaffung von Voraussetzungen zur Vervoll-kommnung aller Eigenschaften, die die zukünftige sportliche Leistung bestimmen: Schnelligkeit / Schnellkraft, aerobe Leistungsfähigkeit, Beweglichkeit, optimale Lauftechnik, Wettkampferfahrung, aber auch Training mit anderen Sportarten wie Ausdauerspiele, Skiroller/Skilanglauf, Schwimmen usw. Jede Sportart stellt andere Anforderungen an den Organismus.

Wichtig ist, dass eine schnellere Leistungsentwicklung von Talenten auch eine früher steigende Trainingsbelastung nach sich ziehen muss. Die zunehmenden Aufgaben und notwendigen Belastungssteigerungen in den Jahren des Jugendtrainings sind nur zu lösen, wenn mit zunehmendem Alter, auch die Anzahl der Trainingseinheiten erhöht wird. Übersehen wird oft das in Phasen in denen Frühentwickler (scheinbare Super-Talente) stagnieren, die Belastung, vor allem auch im speziellen Training, erhöht werden muß.

Schnellere Bewegungen à mehr Kraft, Präzision und höhere Frequenzen

Wenn ein erreichter Geschwindigkeitsstandard in der Übungsausführung übertroffen werden soll, sind ein höherer Krafteinsatz, mehr Präzision und eine höhere Übungsfrequenz erforderlich. Für Läufer ist dabei von Vorteil, wenn viele Übungen in ihrer Zielrichtung der Wettkampftechnik nahekommen und auf die Entwicklung der disziplinspezifischen Vortriebskraft (in Geschwindigkeit und Dauer) wirken.

Einer disziplinspezifischen Geschwindigkeit ist man nahe, wenn das Übungstempo, die Geschwindigkeit sich von 90 à 105% der Leistungs-zielgeschwindigkeit der Spezialstrecke hin entwickeln. Dabei soll die Übungsgeschwindigkeit kraftvoll und schnell sein.

Dafür ist zuerst die Erhöhung des Niveaus der Basisfunktionen erforderlich. Je früher ein generell geschwindigkeitsorientiertes Training in allen Ausbildungsbereichen realisiert wird, umso mehr können innerhalb des biologischen Reifungsprozesses die schnellkräftigen Anlagen (auch wenn Ausdauertypen nicht besonders üppig damit ausgestattet sind) entwickelt bzw. erhalten werden. Je schneller geübt werden soll, umso besser, stabiler muß die erarbeitete Bewegungstechnik sein. Ein neues höhe-res Kraftpotential erfordert eine ständige Bewegungsoptimierung, wenn möglich eine immer größere Handlungsgenauigkeit. Schnelle Bewegungen resultieren aus einem möglichst guten Zusammenspiel, einer möglichst optimalen Synchronisation der Motorik, der Nerv-Muskelleistungsfähigkeit, vorausgesetzt die Bewegungsampli-tuden lassen die gewünschte technische Optimierung zu.

Je höher das Grundniveau einer Bewegungstechnik ist, umso größer ist das mögliche Potential für ein geschwindigkeitsorientiertes Training.

Um diese Zielstellung zu realisieren ist für die Trainingspraxis wichtig in unterschied-lichen Zeitstrukturen zu üben. Fortschritte im individuellen Geschwindigkeitspotential bei der Ausführung von Übungsaufgaben sollten zuerst durch eine Übungsdauer von 6-8 Sekunden bei submaximalem bis maximalen Krafteinsatz angestrebt werden. Kurz und schneller als bisher ist Aufgabe Nr. 1. Sind Fortschritte erreicht sollte die Übungsdauer erhöht werden, allerdings nur in dem Rahmen, in dem das vorhan-dene Geschwindigkeitspotential ohne Geschwindigkeitsverlust aufrechterhalten werden kann.

Da vor allem im Schüler- und Jugendtraining eine hohe Ansprechbarkeit für den Ausbau schneller Bewegungen besteht muß dieser Ausbildungszeitraum für den Einsatz eines schon mehr geschwindigkeitsorientierten Trainings nicht nur im Lauftraining, sondern vor allem auch im allgemeinen Athletiktraining (Schnellkraft), zur Kraft und Schnelligkeitsentwicklung genutzt werden, ohne dabei die anderen Ausbildungsaufgaben zu unterschätzen.

Jede im Training eingesetzte Übung muss auf ein Ziel ausgerichtet sein und durch die Qualität der Übungsausführung im Endeffekt zur Verbes-serung z.B. des Laufschrittes, führen.

Beispielsweise kann man nicht selten in der Trainingspraxis beobachten, dass das Lauf – ABC, die so genannte „Koordination“, zwar Standard ist das aber die Qualität der Übungsausführung, die Streckenlängen, die Präzision der Bewegungen im Sinne des Ausbildungsziels, das ja mit diesen Übungen verbunden sein soll, keinen Beitrag zum Ziel leisten. Die Verbesserung der individuellen Koordinationsfähigkeiten für das Laufen, die Erhöhung der Fuß- und Fußgelenkskraft, die Beweglichkeit im Fußge-lenk, die Entspannungsfähigkeit im Unterschenkel (Anfersen) werden doch nicht erreicht, wenn die Bewegung bereits nach 60 oder 70% der möglichen Bewegungs-amplituden abgebrochen wird. Deshalb sollten die Sportler eher zum „Übertreiben“ animiert werden als zum „fuschen“. Oft werden auch die Möglichkeiten, die sich durch die Vielzahl der für das Lauf – ABC zur Verfügung stehenden Übungsvarianten ergeben, nicht genutzt, vielmehr fast täglich nur die 4-5 bekanntesten und dazu auch noch technisch ungenügend, eingesetzt.

Überall sind individuelle Entwicklungsreserven bereits früher für die Etappe des Nachwuchsleistungstrainings zu erschließen. Mehr Technik unterstützt die Stabilisierung ererbter schnellkräftiger Anlagen. Wenn junge Sprinter die „Koordinations-arbeit“, schnelle Sprints oder intensive Schnelligkeitsausdauerbelastungen besser machen sollen, kann das doch für Läufer nicht schädlich sein.

Um die Effizienz eines geschwindigkeitsorientierten Trainings zu sichern wird erst dann schneller geübt, wenn die in einem Lernprozeß zunächst langsamere Bewegungsausführung technisch gut beherrscht, zuneh-mend schneller möglich ist.

Lauftechnik das A & O auch für Läufer und Läuferinnen

Haben sie schon einmal überlegt, wie viele Schritte ihre Läufer während eines 5000 m –   oder 10000 m – Laufs machen und wie viel Kilo bei jeder dieser 2500 bzw. ~ 5000 Schritte die Gelenke „abzufangen“ haben? Haben sie schon bedacht, welche Auswirkungen eine fehlerhafte Lauftechnik auf die Laufökonomie, die Sehnen, Bänder und Gelenke, auf die mögliche Schrittlänge oder Schrittfrequenz hat oder warum ihre Läufer über Kniebeschwerden, Rückenschmerzen oder Schmerzen im Bereich des Vorderfußes klagen?

Kennen sie die Anatomie der Füße oder der Wirbelsäule, vor allem auch in den Wachstumsphasen? Unzählige Bänder und Muskeln ermöglichen die unterschied-lichsten Bewegungen, die Stabilität und Arbeit des Fußgewölbes.

Haben sie die Sportler gelehrt genügend Zeit für die Kräftigung oder auch Regene-ration bzw. Pflege ihrer Füße einzusetzen, damit sie die gewünschte Arbeit möglichst verletzungsfrei leisten können? Eine individuell – optimale Lauftechnik ist doch das A & O der Läufer.

Wer als Läufer erfolgreich sein will läuft vor allem energiesparend, mit nur geringer auf und ab Bewegung des Körperschwerpunktes, die Arme unterstützen bis zum mittleren Tempo in rechtwinkliger lockerer Haltung, leicht nach innen geführt ruhig die Beinarbeit, beim Spurt allerdings helfen sie kräftig mit, unterstützen die frequentere Beinarbeit, dabei bleiben Schultern und Halsbereich entspannt.

Lothar Pöhlitz

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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / Verbandstrainer Nachwuchs / 1959-1971 Trainer und Cheftrainer beim SC Chemie Halle / 1971-1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Lauf-Trainingsmethodik des DVfL / 1980-1998 – 18 Jahre DLV-Bundestrainer Mittelstrecke / Langstrecke / Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia – Trainer für Deutschland / 4 Lauf-Fachbücher / 2006-2020 Leichtathletik-Coaching Academy

 

                                                                                    

author: GRR