Blog
02
08
2008

Die wichtigste Machtprobe hatten da schon die Äthiopier verloren. Haile Gebrselassie, Favorit Nummer eins für den Olympiasieg im Marathon, hatte im Winter seinen Start abgesagt, weil die Luft zu schmutzig sei in Peking.

Kommentar- Machtspiele und Ohnmacht – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Jos Hermens bereitet sich auf die Olympischen Spiele in Peking vor, indem er Urlaub macht. Das ist gut so, der Mann litt vor zwei Jahren am Burnout-Syndrom. Nach den Vorstellungen des äthiopischen Leichtathletik-Verbandes sollte der Athleten-Manager aus Nijmwegen allerdings bis nach Olympia Ferien machen.

In der vergangenen Woche warf er Hermens vor, sich in die Belange der Nationalmannschaft eingemischt und eine destruktive Rolle gespielt zu haben; deshalb suspendierte der Verband Hermens und dessen Statthalter in Addis Abeba, Getaneh Sesema. Die beiden dürfen bis zum Ende der Olympischen Spiele unter anderem keine äthiopischen Athleten besuchen.
Anzeige

Hermens vertritt 50 Äthiopier

Bei Tesema dürfte die Suspendierung schwierig durchzusetzen sein, denn der Verband müsste ihm Besuche im eigenen Haus verbieten. Tesema ist mit Gete Wami verheiratet, der erfolgreichsten Marathonläuferin des Landes. Doch auch nur Hermens in die Schranken zu weisen dürfte nicht einfach sein, zumal der Brief, den eine äthiopische Zeitung öffentlich machte, in Nijmwegen bis heute nicht eingetroffen sein soll.

Hermens vertritt die Interessen von knapp fünfzig äthiopischen Läuferinnen und Läufern und mindestens ebenso vielen kenianischen. Im Streit um Einfluss und Macht geht es hoch her. Erst in der vergangenen Woche zitierte der Verband Kenenisa Bekele zum Training nach Addis Abeba, obwohl dieser beim Londoner Sportfest in Crystal Palace verpflichtet war. Der kenianische Verband drohte im Juni „geldgierigen Läufern“ mit dem Ausschluss von Olympia, wenn sie nicht sofort ins Trainingslager kämen.

Gebrselassie läuft lieber in Berlin Marathon als in Peking


Die wichtigste Machtprobe hatten da schon die Äthiopier verloren. Haile Gebrselassie, Favorit Nummer eins für den Olympiasieg im Marathon, hatte im Winter seinen Start abgesagt, weil die Luft zu schmutzig sei in Peking. Stattdessen qualifizierte er sich gegen den Willen des Nationaltrainers als Nummer drei für die 10000 Meter – und sagte dann dem Berlin-Marathon einen weiteren Weltrekordversuch zu, fünf Wochen nach dem Marathon von Peking.

Das Streben nach Gewinn definieren Manager und Verband grundsätzlich unterschiedlich. Während der eine im besten Fall eine finanziell fruchtbare Karriere plant, ist der andere vor allem daran interessiert, staatliche Förderung dadurch zu legitimieren, dass die Nationalhymne möglichst oft gespielt wird. Ärger gibt es, wenn, wie geschehen, ein Hermens-Athlet einen anderen Hermens-Athleten unterstützt, obwohl dieser für ein anderes Land rennt. Oder wenn ein Nationalheld wie Gebrselassie einige hunderttausend Dollar der Aussicht auf Ruhm und Ehre für das Vaterland vorzieht. „Gold oder Geld“ ist die Alternative, meistens. Die jüngsten Erfolge kenianischer Läufer im Nationaltrikot werden zu einem Gutteil der Bereitschaft ihrer Regierung zugeschrieben, Erfolgsprämien zu zahlen.

DLV vermutet Hermens als Teil eines Doping-Netzwerks

Im aktuellen Fall Hermens mag es um solch naheliegende Interessenkonflikte gehen. Vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ist der Manager praktisch seit Ende 2006 aus ganz anderem Grund suspendiert. Der Präsident des DLV, Clemens Prokop, erstattete Strafanzeige gegen Hermens, weil aus den Akten des Springstein-Prozesses hervorzugehen scheint, dass der Niederländer Teil des Doping-Netzwerkes des spanischen Arztes Miguel Angel Peraita war.

Hermens bestreitet das und hat seinerseits Anzeige gegen Prokop wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede erstattet. Im Übrigen meidet der Niederländer Veranstaltungen in Deutschland. Von Ermittlungen oder gar einem Verfahren ist nichts zu hören. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg will sich mit dieser Seite von Hermens’ Treiben offenbar nicht befassen. Der Sport und seine Verbände können sich damit nicht befassen. Sie haben anderes zu tun.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,, Donnerstag, dem 31, Juli 2008

author: GRR

Comment
0

Leave a reply