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21
09
2010

Zusätzlich führt ein regelmäßiges Training zu einer Verbesserung der Stimmung, einer Zunahme der Lebensqualität und dadurch zu einer besseren und erfolgreicheren Bewältigung der Krankheit.

Körperliche Aktivität und Krebs – Priv.-Doz. Dr. med. Fernando C. Dimeo – Charité Universitätsmedizin Berlin

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Körperliche Aktivität und Sport spielen eine immer wichtigere Rolle in der Prävention, Behandlung und Rehabilitation chronischer Erkrankungen. Noch im vorigen Jahrhundert galt für viele Erkrankungen die traditionelle Empfehlung von Ruhe und Schonung. Besonders Tumorpatienten wurden zu diesem Zeitpunkt von körperlicher Aktivität abgeraten.

Aber in den vorigen 10 Jahren haben zahlreiche Studien die positiven Auswirkungen von Sport bei Tumorerkrankungen gezeigt. Es liegen bereits zahlreiche Berichte über die günstigen Auswirkungen von körperlicher Aktivität bei Patienten in unterschiedlichen Situationen vor. Sie beziehen sich auf die drei Aspekte Prävention, Behandlung und Rehabilitation.

 

Die Rolle von körperlicher Aktivität in der Prävention von Brustkrebs

 

Zahlreiche Studien haben evaluiert, ob Sport Krebs vorbeugen kann. Besonders interessant ist die Frage im Bezug auf den Brustkrebs, die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. Obwohl die Ursache des Brustkrebses nicht bekannt ist, gibt es eine Reihe von Faktoren, die seine Entstehung begünstigen. Bei Brustkrebs hat man als Risikofaktoren ein erhöhtes Körpergewicht, hormonelle Veränderungen, eine familiäre Veranlagung, fettreiche Ernährung, Alkoholkonsum und orale Kontrazeptiva festgestellt.

Einige dieser Faktoren lassen sich durch Änderung der Gewohnheiten modifizieren; dadurch wird eine Senkung des Risikos erreicht, an Brustkrebs zu erkranken. Zu den günstigen Faktoren, die eine lange Zeit unterschätzt wurden, gehört Sport.

Mehrere Untersuchungen haben eine Auswirkung von körperlicher Aktivität auf die Entstehung von Tumoren gezeigt. Frauen, die regelmäßig Sport treiben, erkranken in der Tat seltener an Brustkrebs. Dieser Zusammenhang ist besonders deutlich bei Frauen über 35 Jahre. Obwohl junge Frauen auch vom Sport profitieren, sind bei ihnen offensichtlich die genetischen Merkmale, die zu einer Tumorerkrankung führen können, besonders ausgeprägt, so dass die schützende Auswirkung von Sport verringert wird.

Aber die Tatsache, dass ältere Frauen besonders vom Sport profitieren, zeigt deutlich, dass es nie zu spät ist, ein regelmäßiges Trainingsprogramm aufzunehmen. Wichtig ist auch das Maß an körperlicher Betätigung, das für eine Senkung des Krebsrisikos notwendig ist. In diesem Punkt sind sich die Fachorganisationen einig: Es muss nicht gleich ein Marathon sein, ein Trainingsprogramm von drei bis viermal die Woche über 40 bis 45 Minuten bringt ein Optimum an Schutz.

 

Körperliche Aktivität während der Behandlung

 

Die aktuelle Behandlung des Krebses steht auf den vier Säulen Operationen, Bestrahlung, Chemo- und Hormontherapie. Diese Methoden, die bei vielen Patienten und Patientinnen in einer Heilung resultieren,  sind jedoch mit zahlreichen Nebenwirkungen behaftet. Dazu gehören in erster Linie die Müdigkeit und die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Diese Probleme können durch ein regelmäßiges Ausdauer- und Krafttraining erfolgreich bekämpft werden.

Die Erfahrung in den letzten 15 Jahren hat gezeigt, dass körperlich aktive Patienten die Chemotherapie und Bestrahlung deutlich besser vertragen, weniger Nebenwirkungen spüren und viel schneller im Stande sind, ihre alltäglichen Aktivitäten nach Ende der Behandlung wieder aufzunehmen.

Die Charité Universitätsmedizin Berlin ist in diesem Gebiet Welt führend: Seit mehreren Jahren haben bei uns Patienten die Möglichkeit, ein angepasstes, systematisches Training zur Verbesserung der Kondition sogar während der Therapie durchzuführen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass auch geschwächte Patienten sehr schnell und deutlich von einem geeigneten Trainingsprogramm profitieren.

 

Körperliche Aktivität in der Rehabilitation von Krebs

 

Die chirurgischen Techniken zur Entfernung eines Tumors haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und verfeinert. Trotzdem führt diese Behandlung manchmal zu einer Einschränkung der Beweglichkeit. Gleichzeitig werden bei der Operation Lymphknoten entfernt, so dass der Abfluss von Flüssigkeiten aus dem betroffenen Areal eingeschränkt ist. Diese Probleme, die Einschränkung der Beweglichkeit und die Schwellungen, können durch eine gezielte Sporttherapie erfolgreich behandelt werden.

Zusätzlich führt ein regelmäßiges Training zu einer Verbesserung der Stimmung, einer Zunahme der Lebensqualität und dadurch zu einer besseren und erfolgreicheren Bewältigung der Krankheit. Nicht zuletzt kann Sport einen Beitrag zur Lebensverlängerung leisten: Die Ergebnisse einer Studie mit mehreren Tausend Probandinnen weisen darauf hin, dass Patientinnen, die nach der Diagnose körperlich aktiv geblieben sind, eine bessere Prognose haben. Auch in diesem Fall genügte ein Sportprogramm von zwei bis drei Stunden Sport verteilt auf drei bis vier Sitzungen pro Woche, um eine deutliche Senkung des Risikos von Rezidiven zu erreichen.

 

Wie gestaltet man ein Trainingsprogramm?

 

Patienten, die ein Sportprogramm beginnen möchten, sollten zuerst Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten. Sport ist in der Tat sehr selten kontraindiziert, es gibt jedoch einige Situationen wie zum Beispiel die Einschränkung der Blutgerinnung während der Chemotherapie, die eine Anpassung der Belastung erforderlich machen. Häufig erhalten die Patientinnen Medikamente, die zu einer Einschränkung der Herzfunktion führen können. Auch in diesem Fall ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich, bevor ein Sportprogramm aufgenommen werden kann.

Sport kann allein oder in der Gruppe durchgeführt werden. In Berlin gibt es zahlreiche Einrichtungen, die Sportgruppen für Patienten anbieten. Viele Betroffene erleben die Unterstützung durch die Gruppe als sehr hilfreich, andere Patienten möchten jedoch schnell zurück zur Normalität und ziehen deswegen das Training zusammen mit Gesunden zum Beispiel im Sportverein oder in Fitnessstudio vor.

Bei Patienten, die noch eine Chemotherapie oder Bestrahlung erhalten, ist eine engmaschige Betreuung sinnvoll. Die Medikamente können bei diesen Patienten eine Einschränkung der Blutbildung verursachen, so dass die Funktion des Immunsystems und die Blutgerinnung eingeschränkt sind. In diesem Fall ist das Training im Freien, vor allem während der Wintermonate, nicht ratsam.

Das Training sollte eine Kombination von Ausdauer-, Koordinations- und Kraftübungen beinhalten und mindestens dreimal pro Woche über 30 bis 40 Minuten durchgeführt werden. Vor allem am Anfang des Programms ist die Einleitung durch erfahrene Übungsleiter oder -leiterinnen unentbehrlich. Genauso wie bei jeder Behandlung, sind bei einer Sporttherapie Beständigkeit und Geduld ausschlaggebend für den Erfolg.

Aber ein richtig dosiertes Training führt bereits nach wenigen Tagen zu einer deutlichen Steigerung des Wohlbefindens. Dieses Phänomen belegt eindeutig die engen Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche und beweist, dass Sport für die Patienten eine wirksame Maßnahme nicht nur gegen die Defizite als Folge der Krankheit und der Behandlung, sondern auch zur Verbesserung der Lebensqualität darstellt.

Körperliche Aktivität und Sport werden in der Zukunft eine immer wichtigere Rolle in der Prävention und Behandlung chronischer Erkrankungen einnehmen. Deswegen sollten alle Schränke und Ängste abgebaut werden, die ihnen den Zugang zum Sport erschweren. Die Erweiterung der bereits fortgeschrittenen Kooperation zwischen medizinischen Einrichtungen, Sportorganisationen und Betreuern wird zu einer deutlich breiteren Anwendung von Sport und körperliche Aktivität und dadurch zu einer Verbesserung der Versorgung von Tumorpatienten in Berlin führen.

 
Priv.-Doz. Dr. med. Fernando C. Dimeo
Bereich Sportmedizin
Charité Universitätsmedizin Berlin
Campus Benjamin Franklin (CBF)
Hindenburgdamm 30,
12203 Berlin
t: +49 30 8445 – 0
 

Priv.-Doz. Dr. Fernando Dimeo ist der Medical-Direktor von "BERLIN LÄUFT …" –  Er arbeitete auch im Medical-Board des  Berlin-Marathon. Der 43-jährige Argentinier lebt seit 1996 in Berlin und leitet den Bereich Sportmedizin der Charité im Campus Benjamin Franklin Steglitz.

Der Mediziner, der 1990 nach einer Urlaubsreise in Deutschland blieb, hat eine Marathon-Bestzeit von beachtlichen 2:19 Stunden und war 1993 Berglaufmeister von Baden-Württemberg.

Fernando Dimeo ist nebenbei als sportmedizinischer Berater für Spiegel-Online tätig. Er ist sportlich sehr aktiv, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Weiterführende Beiträge: Krebs und Sport

Krebs und Sport – Ein Ratgeber nicht nur für Krebspatienten – Von Fernando C. Dimeo, Thomas Kubin, Konstantin A. Krauth, Markus Keller und Armin Walz

Neue Ratgeber-DVD „Krebs und Sport“ von der Berliner Krebsgesellschaft empfohlen – Gesundheit & Medizin – Interviews mit dem Sportmediziner PD Dr. Fernando C. Dimeo und dem Onkologen Prof. Dr. Lutz Uharek

Laufend Gutes tun – Bewegung beugt Krebs vor und hilft nach einer Erkrankung – Dr. Adelheid Müller-Lissner im Tagesspiegel – Spendenerlöse an die Berliner Krebsgesellschaft

author: GRR

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