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05
09
2009

Für mich liegt das „Geheimnis“ vor allem der kenianischen Breite in der Spitze, außerhalb der Umfeldbedingungen, vor allem im vorbildhaften hartem Gruppen- bzw. Partnertraining, auch für die „Jungen“.

Kenianer auf allen Laufstrecken in der Weltspitze – Ein Blick über den Zaun – Teil I – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

By GRR 0

Bei den XII. IAAF Weltmeisterschaften der Leichtathletik in Berlin 2009 waren keine deutsche Läuferinnen und Läufer bei Einzelwettbewerben der verschiedenen Laufdisziplinen in Endläufen vertreten. Vorneweg liefen bei den Mittel- und Langstrecken die Läuferinnen und Läufer aus Kenia und Äthiopien – ein gewohntes Bild. Dabei kann man es bewenden lassen – oder man muss versuchen dagegen zu halten.

Leider scheint diese Einstellung – "dagegen zu halten" beim DLV, seinen Bundes-Trainern, bzw. den deutschen Trainern – und vielleicht auch bei einigen deutschen Athleten – bisher nicht "angekommen" zu sein. Es geht auch anders, z.B. bei den Amerikanern: In den Mittelstrecken bis zum Marathon liefen US-Athletinnen und Athleten in den verschiedensten Wettbewerben bei der WM munter vorne mit – dabei waren es nicht die eingebürgerten Afro-Amerikaner. Man sieht – es geht doch! Dathan Ritzenhein lief – wie zur Bestätigung – zuletzt in Zürich überragende 12:56.27 und löschte den alten US-Rekord im 5000 m Lauf.

German Road Races hat schon mehrfach in den letzten Jahren zu einem Umdenken bei Training und Wettkampf  bei den deutschen Läufern aufgerufen. GRR wird in einigen Beiträgen sich mit der Situation in Kenia beschäftigen – und beginnt mit einem Beitrag von Lothar Pöhlitz vom 19. Mai 2007, der allerdings von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.

Horst Milde

(Pöhlitz)Die Dominanz der Männer und Frauen Kenias und Äthiopiens auf den leichtathletischen Laufstrecken von 800 m bis Marathon ist zu Beginn des neuen Jahrhunderts überwältigend. Dabei beherrscht die Masse der kenianischen Läufer nicht nur bei Straßen- und Marathonläufen das Erscheinungsbild inzwischen ganzjährig bei vielen Rennen in Europa und den USA.

Analysiert man die Ergebnisse (Medaillen) beider Länder bei den letzten beiden Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2004 in Athen hat überraschend Äthiopien die Nase vorn.

Insgesamt ergibt sich für 2000 + 2004 eine Gesamtmedaillenbilanz von

Äthiopien

6 x Gold – 4 x Silber – 5 x Bronze

Gesamt: 15

 

Kenia             

3 x Gold – 7 x Silber – 4 x Bronze

Gesamt: 14

 

Dabei fällt auf, dass die äthiopischen Frauen 2 x Olympiasieger wurden und insgesamt 7 Medaillen erkämpften, währen die Kenianerinnen nur 2 x 2. und 1 x 3. wurden. Interessant ist noch, dass beide Länder keine Medaillen im 800 m Wettbewerb erkämpfen konnten, auch wenn man weiß, dass der Kenianer Wilson Kipketer 2000 Silber und 2004 Bronze auf dieser Strecke für Dänemark gewann. Äthiopien konnte darüber hinaus über 1500 m und 3000 m Hindernis zweimal keine Läufer unter den ersten Drei platzieren.

Die Ergebnisse und Informationen aus dem letzten Jahrzehnt lassen, auch wenn man berücksichtigt, dass die geographischen, klimatischen, sozialen Voraussetzungen und das Talentangebot für beide Länder in etwa vergleichbar sind, nur den Schluss zu, das Äthiopien gegenwärtig über die besseren Organisationsformen und Steuerungsinstrumente zur Erzielung von Spitzenleistungen bei solchen Top – Events wie OS oder WM verfügen.

Zum Training der kenianischen Läufer

Geht man davon aus, dass im letzten Jahrzehnt eine ganze Reihe von Faktoren, die als günstige Voraussetzungen für Spitzenleistungen in den Laufdisziplinen anzusehen sind, wie zunehmend bessere Talentauswahl, das erstaunlich gut organisierte Training und die Wettkampfgestaltung genutzt wurden, muss man feststellen, dass im Endeffekt das organisierte Training unter den allumfassenden afrikanischen Bedingungen über die mögliche Leistung zum gewünschten Zeitpunkt entscheidet.

Nicht das Höhentraining im afrikanischen Hochland, die Konstitution oder die beeindruckende „weiche Bewegungsstruktur“ allein sollten als Hauptursachen für die außergewöhnlichen Leistungen angesehen werden. Alle nachfolgend genannten leistungsbeeinflussenden Faktoren sind für den Einzelnen unterschiedlich hilfreich und anteilig an der Leistung beteiligt. Die besten Bedingungen und körperlichen Voraussetzungen nutzen nichts wenn man nicht entsprechend trainiert.

Leistungsbeeinflussende Faktoren für die Kenia-Läufer:

Viele persönliche Gespräche mit kenianischen Spitzenathleten und ihren am Erfolg beteiligten Trainern, eigenen Beobachtungen, die eine oder andere konkrete Veröffentlichung über das Training der Kenianer und nicht zuletzt ein informatives Referat zur Nachwuchsausbildung von Trainer Pater O´Connel von der St. Patrick High Scool, einer auch heute noch wichtigen Kaderschmiede in Kenia, anlässlich eines 1996 vom DLV in Berlin veranstalteten Trainerseminars lassen zusammengefasst folgende trainingsmethodischen Ursachen für die langjährigen Erfolge deutlich werden.

Vorausgeschickt werden soll noch ein Zitat von Dieter Hogen (deutscher Trainer von Uta Pippig und einer Gruppe kenianischer Langstreckler in USA) aus runners world 11/12 -1994:

„Das typische Training der Kenianer dauert ungefähr eine Stunde, manchmal etwas mehr. Deshalb bringen sie bis zur Halbmarathonstrecke jede Menge Weltklasseläufer hervor. Bei langen Läufen zeigt sich die Schwierigkeit, kenianisches Lauftemperament und kontrolliertes, zielgerichtetes Training zu vereinbaren.“

Dies hat sich seitdem sehr deutlich geändert, viele internationale Top-Marathonläufe werden inzwischen von Kenianern gewonnen.

Für mich liegt das „Geheimnis“ vor allem der kenianischen Breite in der Spitze, außerhalb der Umfeldbedingungen, vor allem im vorbildhaften hartem Gruppen- bzw. Partnertraining, auch für die „Jungen“. Dadurch steigen die Anforderungen an den Einzelnen unter den Bedingungen der mittleren Höhe besonders in der Qualität des Trainings beträchtlich. Viele Europäer haben nach ihren Trainingslagern in Kenia mit sehr viel Respekt davon berichtet. Meist waren sie über längere Zeit, meist schon nach wenigen Tagen, nicht in der Lage ihnen zu folgen.

Pater O´Connel referierte: „Wenn wir mit 14 Jahren – dann werden die Schüler nach einem Aufnahmeverfahren zu uns ins Internat aufgenommen – gezielt mit dem Training beginnen, ist die Ernte schon zu 80 % eingefahren, weil die Kinder bereits ab 6 Jahre laufen, zum Markt, zur Schule, die Berge hinauf und hinunter, zu Verwandten, bis zu 10 km am Tag.

Bei einem von ihm gezeigten Video über das Training habe ich folgende Stichpunkte notiert: DL + FS im Gelände: barfuß – Bodenwechsel, Rhythmuswechsel, stark profiliert, z.T. steil bergauf und bergab, große Gruppe; Treppenarbeit, Gymnastik während des Laufens wie in Äthiopien, große Schritte, Beweglichkeit.

Philosophie
Trainer sind Lehrer, sie leiten an, verbessern, motivieren, schaffen Bedingungen » Ziel ist eine „Ganzheitspersönlichkeit“, die sich selbst trainieren muss und dies unter den Bedingungen des kenianischen Hochlandes (~ 2400 m ü. NN).

Die Geschwindigkeit für den DL (profiliert) wurde wie folgt angegeben :

Diese Ausbildung in Gruppen an einer „Sportschule“ entspricht nicht nur der kenianischen Mentalität, sondern ist auch die Grundlage für gemeinsame Vorbereitungen in mehrfach stattfindenden Trainingslagern im Jahresverlauf. In Trainingslagern wird gemeinsam, diszipliniert, professionell und gesteuert (oftmals durch den Besten der Gruppe) gearbeitet (Partnertraining). Deshalb muss man sich nicht wundern, wenn sich zwischen den Wettkämpfen auch in Europa die „Schwarzen“ morgens sehr früh, unbemerkt von den Unsrigen, vor dem Hotel zum gemeinsamen Morgenlauf treffen.

Bei diesen Ausführungen ist es nicht verwunderlich, dass unter dem Einfluss gerade der afrikanischen Läufer, schon seit den 80iger Jahren besonders durch die Kenianer, die Altersstrukturen bei internationalen Höhepunkten, auch in den vorderen Finalplatzierungen, völlig runderneuert wurden. Auch bei den großen internationalen Sportfesten tauchen immer wieder neue junge (19-21 Jahre) Männer und Frauen auf, die sofort in der Weltspitze mitmischen. Auch in den Langstreckendisziplinen wurde die Theorie vom späteren Höchstleistungsalter der älteren, gereiften Langstreckler überholt und die Theorie, Langstreckler rekrutieren sich aus nicht weiter entwicklungsfähigen Mittelstrecklern, wurde durch eine frühe Spezialisierung auch in der Langstrecke abgelöst!

Diese Tatsache wird auch durch inzwischen veränderte Wettkampfgestaltung erreicht, bei der, auf der Grundlage veränderter Einstellungen, anderer mentalen Qualitäten und eines außerordentlich hohen Selbstvertrauens ohne vorsichtig abzuwarten, von der ersten Runde an das Endziel gnadenlos verfolgt wird! Dies ist auch nicht durch solche Einwände außer Kraft zu setzen, dass viele kenianische „Flammen“ nur relativ kurze Zeit lodern, vielmehr sind hier die Ursachen vor allem in einer zu großen Wettkampfdichte auf höchstem Niveau ohne ausreichende Regenerationszeiträume, sowohl im Jahres- als auch im Mehrjahresverlauf zu suchen! Daran sind oft die an der finanziellen „Hausse“ beteiligten Manager, vor allem aus Europa, nicht ganz unschuldig!

Weltrekorde werden in der Regel von systematisch aufgebauten, etablierten Athleten erzielt, die ihr Leistungsniveau kontinuierlich aufgebaut und gesteigert haben.

2 : 04 : 55 – Paul Tergat hat´s allen gezeigt

Mit Bestzeiten von 12:49,87 – 26 : 27,85 gehörte der mehrfache Cross- Weltmeister lange Jahre zur Weltspitze auf den Langstrecken, bevor ihm mit 34 Jahren beim Berlin–Marathon 2003 sein größtes „Ding“ gelang, Weltrekord im Marathonlauf in einer sensationellen Zeit von 2:04 :55.

Endlich hatte einer der vielen „schnell laufenden Kenianer“ bewiesen, dass sie auch auf dieser längsten olympischen Strecke Bester sein können.

4 Monate hatte sich Tergat mit bis zu 260 km / Woche in der Höhe von Nairobi im Team speziell auf Berlin vorbereitet. Das waren höhere Umfänge im Vergleich zu früher, dazu kam eine besondere Konzentration auf lange Läufe. Im Leichtathletik –magazin 44 / 2003 – S. 13 gibt er selbst Auskunft:

„In dieser Zeit bin ich mehrere Male eine Strecke von 41 km gelaufen. Das war eine mentale Vorbereitung auf die harten letzten Kilometer. Ich wusste im Rennen das es nur 1 km mehr sein würden – dieses Training hat mir geholfen“.

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author: GRR

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