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11
2010

Der Crosslauf stellt vollkommen andere Ansprüche an den Laufstil als der Straßenlauf

Keine Angst vor Schlamm und Dreck! Der Crosslauf ist die einfachste Möglichkeit, um die Belastungsverträglichkeit zu steigern. Wer im Training schwere Böden nicht scheut, wird später über leichten Untergrund nur so dahinfliegen – MARTIN GRÜNING in RUNNERS WORLD

By GRR 0

ES IST DOCH EIN JAMMER, dass der Crosslauf in unseren Breitengraden den Profis vorbehalten ist“, meinte ein alter Bekannter kürzlich, als ich mit ihm entlang des Isarufers dahintrottete. Ich verstand seine Intention nicht, zeigte auf einen matschigen Trail drei bis vier Meter abseits unseres Schotterwegs und fragte: „Nur für Profis? Komm, da drüben – können wir uns gleich mal dreckig machen.“

Er winkte ab und erklärte, was er meinte: „Ich denke an den Crosslauf als Wettkampfsport. So wie der Straßenlauf von Freizeitläufern getragen wird, ist es doch im Crosslauf nicht. Da gibt es Wettkampfangebote ausschließlich für ambitionierte Läufer.“ – „Falsch“, klärte ich ihn auf und  versprach ihm, eine Serie von Crossläufen für jedermann herauszusuchen, denn im November beginnt die Saison – bei uns in Deutschland – zwar etwas halbherzig, in Großbritannien und Südeuropa aber mit größerem Elan, in den USA als angesagter College-Sport und in Afrika als Grundlage für alle Lauferfolge.  

Der Crosslauf stellt vollkommen andere Ansprüche an den Laufstil als der Straßenlauf oder – im Extrem – der Marathonlauf, bei dem man mit flachen Schritten versucht, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. „Das wechselnde Terrain und die anspruchsvollen Bodenverhältnisse mit kleineren Anstiegen und Sprüngen beanspruchen die Beinmuskeln viel mehr und sorgen dafür, dass die Kapillarisierung in den Muskeln verbessert wird“, sagt Wilfried Raatz, der in Darmstadt den größten deutschen Crosslauf veranstaltet.

„Das bedeutet, dass sich beim Crosslaufen in der Beinmuskulatur viele neue Blutgefäße bilden, die den Sauerstofftransport an die Muskeln optimieren und die Ermüdung hinauszögern. Keine Frage, dass dies einem Crossläufer auch später bei Straßen- oder Bahnläufen zugutekommt.“  

30 PROZENT MEHR BELASTUNG

Eine dänische Studie zum Thema verglich anhand der Laktatkonzentration im Blut die Belastung durch einen 6-Kilometer-Crosslauf mit der eines 6-Kilometer-Straßenlaufs und kam zu dem Ergebnis, dass Crossläufe bei gleichem Tempo einen um etwa 30 Prozent höheren Belastungsanspruch an den Läufer stellen als Straßenläufe. „Je höher die Belastung, desto größer der Trainingseffekt“, erklärt Wilfried Raatz, der ähnliche Ergebnisse vom Berglauf her kennt.

Crosslaufen kann man allerdings nicht auf der Straße oder im Stadion trainieren. Dazu muss man, wie beim Trailrunning, sein bekanntes Laufterrain verlassen und sich Strecken suchen, auf denen man – mehr oder weniger – querfeldein laufen kann. Ein ordentlicher Trail, also Naturpfad, ist schon der erste Schritt zum Crosslauf. Besser sind große, leicht wellige Wiesen-, auf denen man zumindest eine Runde von akzeptabler Länge (mindestens 400 Meter) laufen kann.

„Ideal sind Crosslauftrainings als Fahrtspiel“, empfiehlt Raatz, der schon deutsche Crosslauf-Meister trainiert hat. Das heißt, dass der Läufer nach Lust und Laune mit verschiedenen Tempi spielt, dem Gelände und dem Boden angepasst. „Am besten gibt man sich eine Zeitvorgabe, wie lange man mit dem Tempo spielen will“, meint er. „10 Minuten sind für Crosseinsteiger ausreichend, Ambitionierte können bis zu 45 Minuten kreuz und quer durchs Gelände toben.“

Auch wenn man das Crosslaufen nicht nur zur Steigerung der Belastungsfähigkeit nutzen will, sondern auch als Vorbereitung auf Wettbewerbe, ist das Fahrtspiel die schonendste Variante, um an Form zu gewinnen. Schneller ginge es mit knallharten Intervalltrainings, aber Crossläufe finden im Winter statt – für Laufprofis eigentlich die Zeit, um die Grundlagen für Frühjahr, Sommer und Herbst zu legen. Da hat ein echtes Intervalltraining (noch) nichts zu suchen.

Beim Crosslauf stellt das wechselnde Terrain auch wechselnde Ansprüche an Tempo und Laufstil. Das kann man schon beim „normalen“ Dauerlauf üben. Damit sind die Dauerläufe gemeint, die man nicht im Gelände absolviert, sondern auf seinen bekannten (Asphalt-)-Strecken.

Wilfried Raatz gibt Tipps, wie man sich im alltäglichen Training auf die Ansprüche des Crosslaufens vorbereiten kann: „Streuen Sie lockere Steigerungen ins Training ein, also Passagen über 80 bis 100 Meter, bei denen Sie das Tempo sukzessive bis zum Sprint steigern. Oder machen Sie auch mal sogenannte Ins und Outs:kurze, harte Antritte über 30 bis 40 Meter.“

Das Fazit des Laufcoachs: „Das beste Training für einen Crosslauf-Wettbewerb ist die Teilnahme an einem Crosslauf-Wettbewerb. Der erste ist sicher noch ungewohnt, aber der zweite fällt einem schon leichter – und den dritten kann man dann kaum mehr erwarten.“ – Er spricht aus Erfahrung.

Was versteht man unter Crosslaufen?

 

Ein Crosslauf ist nichts anderes als ein Querfeldeinlauf, bei dem man in leicht profiliertem Gelände abseits befestigter Wege unterwegs ist. Crossläufe können auch kleine Hindernisse bieten wie Baumstämme, Strohballen oder Matschlöcher. Wettkämpfe gehen in der Regel über mehrere -Runden von etwa zwei Kilometer Länge, die natürliche

Bodenbeschaffenheit prägt ihren Charakter. Beim klassischen Crosslauf ist – im Gegensatz zu extremen Varianten wie dem Mud Run oder dem Strongman-Run, wo einem schwere Hindernisse den Weg verstellen – ein flüssiges Laufen immer möglich.

5 Top- Crosstrainings

Mit diesen Laufeinheiten können Sie das ganze Jahr über Ihre Belastungsverträglichkeit steigern

1. Suchen Sie sich ein frisch gepflügtes Feld mit möglichst matschigem Untergrund. Laufen Sie sich auf dem Weg dorthin 10 Minuten ein. Pflügen Sie anschließend 8-mal schnellstmöglich je 1 Minute durch den Matsch. Wichtig: Danach das Auslaufen (10 Minuten) nicht vergessen!

2. Laufen Sie barfuß in schnellem -Tempo (90 Prozent der HFmax) 3- bis 5-mal je 5 Minuten lang rund um eine Rasenfläche (ideal sind Fußballfelder). Die Außen-temperatur spielt keine Rolle, denn die Füße bleiben beim Laufen warm. Ein- und Auslaufen (je 10 Minuten) allerdings in Socken und Schuhen!

3. Laufen Sie sich 10 Minuten ein. Suchen Sie sich eine Rundstrecke, auf der Sie über 10 (Freizeitläufer) bis 20 Minuten (ambitionierte Läufer) alle 2 Minuten 10 Liegestütze, 10 Hock-Streck-Sprünge oder 10 Crunches (Bauchmuskelübungen) einfügen.

Beispiel Freizeitläufer: 10 Minuten Einlaufen, 10 Liegestütze, 2 Minuten Laufen, 10 Hock-Streck-Sprünge, 2 Minuten Laufen, 10 Crunches, 2 Minuten Laufen, 10 Liegestütze, 2 Minuten Laufen, 10 Hock-Streck-Sprünge,
2 Minuten Laufen, 10 Crunches, 10 Minuten Auslaufen.

4. Suchen Sie sich einen stetig ansteigenden Hügel von 150 bis 200 Meter Länge. Laufen Sie diese Distanz mehrmals sehr zügig bergauf. Joggen Sie zur Erholung bergab. Freizeitläufer machen 6 bis 8 Wiederholungen, ambitionierte Läufer 10 bis 15.

5. Ein wesentliches Merkmal der läuferischen Überlegenheit der Afrikaner ist ihre Fähigkeit, plötzlich das Tempo anzuziehen. Um das zu üben, machen Sie 10 harte Tempoverschärfungen von je einer Minute quer durch einen Park. Gesamtdauer des Trainings: 30 bis 40 Minuten für Freizeitläufer, 60 für ambitionierte Läufer.

Martin Grüning in RUNNERS WORLD, November 2010

author: GRR

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