4000 Läufer beteiligten sich dieses Jahr am Jungfrau-Marathon. 8000 Beine starteten auf der Höhematte
Jungfrau-Marathon – Die wahren Sieger zeigten sich am Berg – Jonathan Wyatt und Anita Hakenstad Evertsen gewinnen – aus der Jungfrau Zeitung
Am Start und in der Ebene versprach die Spitze noch etwas anderes: Nicht die Favoriten führten sie an. Am Berg zeigte sich aber die Stärke, welche Jonathan Wyatt aus Neuseeland und Anita Hakenstad Evertsen aus Norwegen, versprochen hatten. Das Wetter war ihnen gnädig. Die Sonne strahlte bei angenehmen, nicht zu hohen Temperaturen. Und zu guter Letzt vermochte auch das Rahmenprogramm zu begeistern.
Jonathan Wyatt gewinnt den 15. Jungfrau-Marathon, schafft es aber nicht, seinen Streckenrekord von 2003 zu brechen. Mit einem Vorsprung von fast drei Minuten verwies der Neuseeländer den Südtiroler Hermann Achmüller auf den 2. Platz. Diesem dicht auf den Fersen war ebenfalls ein Südtiroler: Gerd Frick holte den 3. Platz. Dass Wyatt das Podest erklimmen würde, war anzunehmen. Der Zweitplatzierte Achmüller vermochte aber doch noch zu erstaunen. Er zählt zwar klar zu den Favoriten im Langdistanzlauf, doch eher in der Ebene. Der diesjährige Jungfrau-Marathon war sein erster Berglauf.
Die erste Frau am Ziel war Anita Hakenstad Evertsen mit 3:23:05 Stunden. Sie hatte acht Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte Elena Kaledina.
Wendungen am Berg
Beim Start auf der Höhematte, in Wilderswil und Zweilütschinen sah es allerdings noch so aus, als würden der Moldavier Valeriu Vlas und der Russe Serguej Kaledine, Ehemann der Zweitplatzierten Elena Kaledine, das Rennen machen. Hier befanden sich die Läufer aber noch in der Ebene. Das rasante Tempo, welches sie eingeschlagen hatten, mussten sie in den steileren Lagen zügeln. Hier kam Jonathan Wyatt zum Zug, dessen Stärke im Berglauf bekannt ist. Ein einfacher Marathon war es aber auch für ihn nicht. Am Ziel sagt er: «Von einem Marathon darf man nie etwas erwarten. Im Voraus weiss der Läufer nicht wirklich, wie es kommt.» Für Wyatt kam es hart auf hart. Meistens trainierte der Neuseeländer auf 20-Kilometer-Strecken. Bei Kilometer 35 hatte er eine Krise. «Das war unbekanntes Gebiet für mich», erklärt er. Durchgehalten hat der Bergläufer trotzdem und mit Erfolg.
Ähnliche Wendungen bei den Frauen
In der Ebene sah es auch bei den Frauen anfangs noch etwas anders, als in den Bergen uas. Bis Zweilütschinen führte Lizzy Hawker aus Grossbritannien. In Lauterbrunnen war es aber bereits Anita Hakenstad Evertsen aus Norwegen, die den 1. Platz an sich riss und sich bis zum Ziel auf der Kleinen Scheidegg zu behaupten vermochte. Mit dem Ausfall der Gewinnerin des letzten Jungfrau-Marathons Simona Staicu aus Ungarn aufgrund einer Verletzung war eine der Topfavoritinnen nicht zum Rennen angetreten. Den 2. Platz schnappte sich Elena Kaledina aus Russland, auf den 3. Platz lief ihre Landesfrau Jeanna Malkowa.
Und wo blieben die Schweizer und Lokalmatadoren?
Bester Schweizer war Marc Lauener aus Neuenburg. Er trug seinem Ruf als guter OL-Läufer Rechnung. Urs Jenzer aus Frutigen sicherte sich mit dem 10. Platz eine Topten-Rangierung. Die Schweizer Frauen zeigten ebenfalls gute Klassierungen. Claudia Landolt aus St. Gallen belegte den 5., die Weissenburgerin Corinne Zeller den 7. Platz. Die Mikroskosmonauten Martin Ploner aus Habkern und Karin Jaun aus Därlingen klassierten sich beide auf dem hervorragenden 18. Platz. Angesichts der vielen Spitzenläufer aus aller Welt, die am diesjährigen Jungfrau-Marathon dabei waren, sind diese Rangierungen durchaus zu würdigen. Karin Jaun war dieses Jahr, wie auch Martin Ploner, bereits das 9. Mal dabei. Sie freute sich über ihre persönliche Bestzeit von 3:56 und einen Lauf ohne Krämpfe, ohne Krisen mit herrlichem Sonnenschein. Auch Eric Reuteler, Hotelier des Chalet Oberland, war mit seinem 20. Platz zufrieden. «Von den äusseren Bedingungen her war es bisher der schönste Jungfrau-Marathon», sagt er. Und Reuteler muss es wissen. Schliesslich war er schon zum 15. Mal mit dabei, das heisst an jedem der bisher durchgeführten Jungfrau-Marathons.
Die Organisatoren sind mehr als zufrieden
Die Zahlen der Teilnehmer am Jungfrau-Marathon steigen stetig. In diesem Jahr waren ausserdem viele Eliteläufer mit dabei, weil gleichzeitig die Berglaufmeisterschaft ausgerichtet wurde. Der Gewinner erhielt zwar aus den Taschen des der WMRA (World Mountain Running Association) kein Preisgeld, jedoch eine Medaille, die durchaus prestigeträchtig ist. Die Organisatoren des Jungfrau-Marathons vergaben ein Preisgeld. Der und die Erstplatzierte erhielten 10’000 Franken, woran sich auch die Gemeinde Interlaken mit dem Einsatz von eben dieser Summe für das Frauenrennen beteilgte. Der OK-Präsident Christoph Seiler freut sich auch, dass aufgrund der Teilnahme so vieler Nationen, 47 waren es insgesamt, der Jungfrau-Marathon auf dem internationalen Parkett an Wichtigkeit gewinnt. Australien und Mexiko hätten beispielsweise ein Team geschickt. Das war bisher nicht unbedingt üblich. Die Holländer hingegen waren traditionell auch dieses Jahr wieder zahlreich dabei. «Die haben halt keine Berge, so finden sie den Weg jedes Jahr wieder zu uns», erklärt Seiler. Freude gab es auch darüber, dass keine Zwischenfälle zu verzeichnen waren und darüber, dass die Idee mit dem WM-Zelt gut angekommen schien.
Attraktives Rahmenprogramm
Das WM-Zelt, wo es zu den Preisverleihungen kommen sollte, war rappelvoll. Das Publikum bestand vorwiegend aus Finishern, die sich mit den angebotenen Speisen gestärkt auf den Bänken sitzend über die Freuden und Tücken des Marathons unterhielten. Der Zuhörer vernahm fast nur Positives. Lachen, über den ungewöhnlichen Einfall, dass der Nationalrat Adrian Amstutz aus Sigriswil mit dem Fallschirm die Startpistole nach Interlaken brachte, Freude über die traditionelle Einführung durch Fahnenschwinger und Alphornbläser und natürlich Begeisterung für die herrliche Bergwelt auf der Strecke und das ideale Wetter. Kleiner Wermutstropfen war für einige der Stau auf der Moräne, zu dem es bei der Passage des letzten Drittels kam. «Nun ja, da hatte ich wenigstens eine Ausrede, den Marathon gegen Schluss etwas gemütlicher zu nehmen», lacht ein Beteiligter. Vor der Jungfrau-Marathon-Preisverleihung würdigte Heinz Schild, Begründer des Events, gemeinsam mit Marcel Stauffer, Projektverantwortlicher des Post-Cups, die Gewinner der Jungfrau-Meile und des Post-Cups. Diese Preisverleihung und der vorangehende Meilenlauf vermochten sich aber neben dem so glorreichen Jungfrau-Marathon nicht so recht zu behaupten und gingen etwas unter. So auch die Verleihung des Preises der Franziska Rochat-Moser-Stiftung für die schnellste Schweizer Läuferin Claudia Landolt.
Emotionale Preisverleihung
Die Freude der Organisatoren, der Finisher im Zelt und natürlich der Gewinner ballte sich im Zelt zusammen. Die Preisverleihung an die drei besten Frauen und Männer des Jungfrau-Marathons, die Rennleiter Richard Umberg, OK-Präsident Christoph Seiler und Präsident der WMRA Daniel Hughes durchführten, war sehr emotional. Anita Hakenstad Evertsen sang die Nationalhymne ihres Landes den Tränen der Rührung nahe. Bei den Männern bildeten die Laufgruppe der Südtiroler einen Tunnel aus Armen, durch den ihre Landsmänner Achmüller und Frick aufs Podest gelangten. Auch den im Südtirol lebenden Jonathan Wyatt nahmen sie in diese Zeremonie auf, welche die Läufer mit lautem Glockengeläut untermalten. Wyatt erntete liebevolles Grinsen, als er das kleine Treppchen zum Podest mit gebückter Haltung nur langsam erklomm. «Die Bergläufer-Szene ist klein und dadurch sehr familiär», so der Neuseeländer. Diese Nähe war in der Tat zu spüren.
Lokalmatador Martin Ploner aus Habkern lief als 18. und als erster Läufer des Mikrokosmos Jungfrau ins Ziel.
Karin Jaun aus Därligen war die schnellste Frau aus dem Mikrokosmos. Sie klassierte sich an 18. Stelle.
Interview mit OK-Präsident Christoph Seiler
Gabriella Massimi: Herr Seiler, wie lief der Jungfrau-Marathon dieses Jahr?
Christoph Seiler: Natürlich super! Das fing an mit der riesigen Nachfrage aufgrund der Berglauf-WM. Es ging weiter mit dem wunderbaren Wetter, das wir hatten. Es waren ideale Temperaturen zum Laufen. Und ich denke, wenn man die Rangliste anschaut, kann das einem OK-Präsident nur ein Lachen abringen. Ausserdem hat es keine grossen Zwischenfälle gegeben.
Was freut Sie besonders an der Rangliste?
Wir hatten die Europameisterin Anita Hakenstad Evertsen aus Norwegen bei uns, bei den Männern den Streckenrekordhalter dieser Strecke und fünfmaligen Gewinner der Kurzdistanz-Berglauf-WM Jonathan Wyatt aus Neuseeland.
Überraschungen gab es bei den Rangierungen in diesem Fall keine?
Sicher nicht, was die Sieger anbelangt. Ansonsten hat es auf den Podestplätzen schon die eine oder andere Überraschung gegeben. Achmüller lief zum ersten Mal einen Berglauf.
Wie gross war der Mehraufwand aufgrund der offiziellen Weltmeisterschaft?
Es hat einen grossen Mehraufwand gegeben. Ein Grund dafür, ist sicher das WM-Zelt. Auch das Rahmenprogramm haben wir viel aufwändiger gestaltet, als in anderen Jahren. Der andere Aspekt ist die WM selbst. Wir hatten Spitzenteams aus allen Ländern, die wir unterbringen mussten, und das ist ein erheblicher Aufwand, weil es bis zur letzten Minute immer wieder Änderungen gibt.
Das macht den Jungfrau-Marathon noch berühmter?
Ja, das hoffen wir wohl. Vor allem in den Ländern, wo wir bis anhin weniger bekannt waren. Australien hat ein Team geschickt und Mexiko auch. Das ist sicher gut, weil damit bei diesen traditionell stärkeren Berglaufländern auch mehr über den Jungfrau-Marathon berichtet wird.
Jungfrau Zeitung vom 8. September 2007