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02
06
2010

Jacques Rogge: Sport und Gesellschaftliche Entwicklung‘ – Rede des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees am 28. Mai 2010 an der Technischen Universität Darmstadt

By GRR 0

Jacques Rogge bevorzugte die freie Rede. Das kam gut an bei den fast 400 Zuhörern, die ins Audimax der Technischen Universität Darmstadt gekommen waren, um dem Vortrag „Sport und Gesellschaftliche Entwicklung“ des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu lauschen. Grundlage seiner Ausführungen war ein Manuskript, das die DOSB PRESSE im Folgenden dokumentiert.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, mit Ihnen – als künftigen Verantwortungsträgern – die Rolle des Sports als Instrument zur Förderung des sozialen Fortschritts erörtern zu können. Ich danke dem Olympischen Club Starkenburg und insbesondere Karl-Heinz Huba für die Ausrichtung dieser Veranstaltung.

Wenn wir über die Wirkung des Sports sprechen, dürfen wir nicht nur an die wirtschaftliche Dimension denken, wie es vielfach geschieht, sondern wir müssen auch seine soziale Dimension berücksichtigen.
Die Olympische Bewegung wird getragen von Menschen, mit den Athleten im Mittelpunkt – sei es auf Graswurzel- oder auf professioneller Ebene. Auch die Organisation des Sports wird von Men-schen getragen – größtenteils ehrenamtlich. Tatsache ist: Sport ist die größte soziale Bewegung der Welt, und es ist unsere Verantwortung, dieses Netzwerk für gute Zwecke zu nutzen.

Wir alle wissen, dass Sport nicht nur für das körperliche Wohlbefinden gut ist, sondern auch eine wichtige Rolle spielen kann, um der Gesellschaft durch seine erzieherischen Werte und sein weltweites Netzwerk mehr Sicherheit, mehr Wohlstand und mehr Frieden zu bringen. Obwohl die positiven Wirkungen des Sports für die Entwicklung noch nicht voll ausgeschöpft werden, kann er kulturelle und ethnische Gräben überbrücken helfen, Arbeitsplätze und Verdienstmöglich-keiten schaffen, Toleranz und Nichtdiskriminierung lehren, die soziale Integration begünstigen und eine gesunde Lebensweise fördern. Durch die Entwicklung des Sports können wir daher höhere menschliche Entwicklungsziele erreichen.

In seiner Rolle als Führangsorgan der Olympischen Bewegung setzt sich das IOC seit über einem Jahrhundert unermüdlich für die Verbreitung der Olympischen Werte Exzellenz, Freundschaft und Achtung ein und dafür, dass alle Menschen Zugang zum Sport haben. Für uns ist Sport ein Menschenrecht.

Diesem Denken war auch der Gründer unserer Bewegung und Erneuerer der Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, zutiefst verpflichtet. Es ist auch ein grundlegendes Gebot unserer Olympischen Charta, die der Olympischen Bewegung bei allen ihren Aktivitäten als Richtschnur dient. Doch müssen wir stets bedenken, dass Sport kein Allheilmittel ist, und auch dass das,. was das IOC tut, im Sport umgesetzt werden muss. Das ist unser Fachgebiet, hierin liegt unsere vor-nehmste Aufgabe. Alles, was wir für die soziale Entwicklung tun, beruht auf dem Instrument Sport. Doch kommen wir nun von der Theorie zur Praxis:

Wie lassen sich diese Grundsätze in der heutigen Gesellschaft konkret umsetzen?
In der globalen Welt des 21. Jahrhunderts ist die Olympische Bewegung mehr als je zuvor der ganzen Gesellschaft verpflichtet. Wie ich sagte, ist und bleibt das IOC in erster Linie eine Sportorganisation. Sport ist unser Kerngeschäft, und unsere Hauptaufgabe ist die Ausrichtung der Olympischen Spiele und die Förderang der sportlichen Betätigung weltweit, von der Basis bis zum Spitzensport. Das macht unser weitgespanntes Netzwerk von 205 Nationalen Olympischen Komitees auf den fünf Kontinenten möglich.

Milliarden Menschen überall auf der Welt treiben Sport als gesunden Zeitvertreib oder aus Spass, einige auch als Beruf. Millionen Ehrenamtliche stellen einen Teil ihrer Freizeit ohne Entgelt zur Verfügung ; als Trainer, Verwalter und Techniker unterstützen sie die Athleten und machen damit den Sport zur Wirklichkeit in unserem Alltag.

Heute wird die zunehmend wichtige Rolle, die der Sport bei der Verwirklichung der international vereinbarten Entwicklungsziele spielen kann, immer mehr anerkannt.

Nehmen wir die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen als Rahmen für die Tätigkeitsfelder des IOC.
Das IOC hat Entwicklungsziele ausgewählt, von denen es überzeugt ist, durch den Sport und zusammen mit seinen Partnern, allen voran die Mitglieder der Olympischen Familie, also mit den Nationalen Olympischen Komitees, den internationalen Verbänden und den Organisationskomitees der Olympischen Spiele, aber auch mit den Regierungen, den UN-Organisationen und den Nichtregierungsorganisationen, zu deren Umsetzung beitragen zu können.

Diese Ziele, die sich auch mit den meisten der Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen decken, sind:
1.    Beseitigung von extremer Armut und Hunger
2.    Förderung der Gleichheit zwischen Mann und Frau und Ermächtigung der Frauen
3.    Bekämpfung von HIV/AIDS
4.    nachhaltige Umweltverträglichkeit
5.    Förderung von Bildung für alle und der Gesundheit der Kinder
6.    soziale Integration und Identitätsstärkung für Minderheiten, und
7.    Förderung einer globalen Partnerschaft für die Entwicklung

Wir leisten viel auf diesen Gebieten – während der Olympischen Spiele, aber auch darüber hinaus.
1. Beseitigung von extremer Armut und Hunger
Wenn wir die heutige Gesellschaft betrachten, müssen wir feststellen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung, die Schädigung der Umwelt und die zuneh-mende Kluft zwischen den „Besitzenden“ und den „Habenichtsen“ eine gemeinsame Anstren-gung aller Bürger und aller gesellschaftlichen Gruppen erfordern, um zukunftsfähige Lösungen für eine bessere menschliche Entwicklung zu finden.

Seit 1996 arbeitet das IOC mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zusammen und war an den verschiedensten Kampagnen von internationaler Tragweite zur Beseitigung der Armut und zur Umsetzung länderspezifischer Entwicklungsvorhaben von Vertre-tern Nationaler Olympischer Komitees und des UNDP beteiligt.
Wir unterstützen auch das Welternährungsprogramm (WFP), um Sport und Freizeitgestaltung in Schulen zu bringen, die am WFP-Schulspeisungsprogramm beteiligt sind.

In Afrika und Asien haben wir Sportkits für Anfänger verteilt, die vielen tausend Kindern zu Freizeitaktivitäten mit einfachem Sportgerät verholfen haben.
Mit der Internationalen Arbeits-organisation (ILO), dem Nationalen Olympischen Komitee von Mosambik und der einheimischen Entwicklungsbehörde haben wir ein groß angelegtes Programm zur Linderung der Armut und zur wirtschaftlichen Entwicklung für die Ortschaft Boane, die 250 km von der Landeshauptstadt entfernt ist, durchgeführt. Dort bestand unsere Unterstützung in der Übernahme des Schulgelds für Grundschulkinder aus minderbemittelten Familien, denen damit die Fortsetzung des Schulbesuchs ermöglicht wurde.

Gleichzeitig wurden einheimische Frauen im Schneidern von Schuluniformen und in der Herstellung von Lebensmitteln zum Verkauf auf dem lokalen Markt geschult; aus s er dem gründeten sie eine Genossenschaft. Auf deutsch würde man sagen: Hilfe zur Selbsthilfe.

Mit UN-HABITAT sind wir übereingekommen, Projekte zu lancieren, die die soziale Integration junger Menschen vertiefen und auf Sport zur Bekämpfung der Armut setzen. Die Arbeit vor Ort leiten gemeinsam die Büros von UN-HABITAT und unsere 205 Nationalen Olympischen Komitees auf den folgenden drei Gebieten :
1.    das Selbstwertgefühl junger Menschen durch Sport stärken
2.    sportliche Aktivitäten in kleineren Orten aufbauen
3.    Slumbewohner durch Sport mobilisieren.

Diese Zusammenarbeit ist auf die arme Bevölkerung in Ballungszentren ausgerichtet: Millionen Menschen, vor allem Kinder in Slums, denen Sport Hoffnung bringen und neue Möglichkeiten eröffnen kann.
Lassen Sie mich auch kurz auf unser jüngstes Projekt eingehen, das vor zwei Wochen in Lusaka (Sambia) gestartet wurde. Dort konnten wir das erste Olympische Jugendentwicklungs-Zentrum offiziell eröffnen, das Teil unseres Programms Sport für Hoffnung ist.

Dieses Zentrum bietet Athleten, jungen Menschen und Gemeinschaften in Lusaka und in anderen Entwicklungsländern bessere Möglichkeiten Sport zu treiben und sich mit den olympischen Werten durch verschiedene Aktionen vor Ort vertraut zu machen – genau wie ihre Sportkameraden in den Industrieländern.

Der Erfolg dieses Projekts verdankt sich einem einzigartigen Partnerschaftsmodell. Die sambische Regierung schenkte das Gründstück dem Nationalen Olympischen Komitee von Sambia, das IOC war federführend für die Durchführung und erstellte die Gebäude, und die sechs internationalen Verbände für Leichtathletik, Basketball, Boxen, Gewichtheben, Handball und Hockey wirkten an der Gestaltung der Sportanlagen mit und steuerten technische Beratung und finan-zielle Hilfe bei.

Gegenwärtig prüfen wir Möglichkeiten, das Projekt auch auf anderen Kontinenten durchzuführen, denn wir sind der Meinung, dass Sport ein Menschenrecht für alle ist, ohne Ansehen der Rasse, der sozialen Stellung und des Geschlechts.
2. Förderung der Gleichheit zwischen Mann und Frau und Ermächtigung der Frauen

Der Sport gehört allen, also auch denen, die die Hälfte der Menschheit ausmachen: den Frauen. Für das IOC ist die Stärkung der Rolle der Frauen im Sport eine absolute Pflicht. Frauen verdie-nen ihren legitimen Platz in Sport und Gesellschaft.

Der Sport ist auf ihre Mitwirkung angewie-sen, nicht nur, weil die Frauen die Hälfte der Mensch-heit ausmachen, sondern auch, weil sie die besten Vermittlerinnen der Sportbegeisterung an die jungen Menschen sind. Wie wir alle wissen, sind es die Mütter, die bei ihren Kindern das Interes-se am Sport wecken ; deshalb müssen wir sie in die Welt des Sports einbinden.

Das IOC stützt sich auf seine nationalen, regionalen und internationalen Netzwerke und Veranstaltungen, um für die verstärkte Eingliederung von Mädchen und Frauen in den Sport zu wer-ben. Gegenwärtig sind in über 30 Prozent der Nationalen Olympischen Komitees und 29 Prozent  der internationalen Verbände mindestens 20 Prozent der Ämter in allen ihren Entscheidungs-gremien mit Frauen besetzt.

Noch bemerkenswerter ist jedoch die Zunahme der Beteiligung der Frauen an den Olympischen Spielen, die in den letzten zwei Jahrzehnten zu verzeichnen war. Beijing und Vancouver stellten in dieser Hinsicht neue Rekorde auf. In Beijing waren von den 10.947 teilnehmenden Athleten 4.639 Frauen – mehr als 42 Prozent. In Athen zählte man 4.306 Frauen auf insgesamt 10.568 Teilnehmer.

Mit mehr als 40 Prozent Athletinnen wurde auch in Vancouver 2010 für die Olympischen Winterspiele ein neuer Rekordstand erreicht. Unter den insgesamt 2.631 Athleten waren es 1.066 Frauen, die in den olympischen Sportarten ihr Bestes gaben. 2006 in Turin waren sie mit 38 Prozent vertreten.
Wir sind auf dem besten Weg zur Parität, doch muss noch mehr getan werden.

4. Bekämpfung von HIV/AIDS
Heute leben über 33 Millionen Menschen mit HIV; 40 Prozent der 2008 infizierten waren junge Menschen unter 25.
Viele dieser jungen Menschen sind in den Sportbetrieb eingebunden, ob als Zuschauer oder als aktive Ausübende. Mit ihrem weltumspannenden Netzwerk kann die Sportgemeinschaft wesent-lich zur Vorbeugung beitragen durch das öffentliche Eintreten für ein verantwortungsbewussteres Sexual verhalten, sowie zur Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung.

Das IOC hat eine Politik und entsprechende Tätigkeitsprogramme erarbeitet, um sich diesem weltweiten Kampf anzuschliessen. Hauptbestandteil ist die Sensibilisierung für die Gefahr von AIDS und die Vorbeugung von HIV sowie die Bekämpfung der damit zusammenhängenden Diskriminierung zugunsten aller, insbesondere aber der Sportgemeinschaft.
Wir unterhalten Partnerschaften mit Organisationen, die durch ihre Sachkenntnis und ihre bewusste Aufgabenstellung in der Lage sind, im Kampf gegen die Pandemie eine führende Rolle zu spielen.

Zum Beispiel haben das IOC und UNAIDS gemeinsam ein Werk für die Vorbeugung von HTV/AIDS herausgebracht und die Sportvereine in stark betroffenen Ländern als Helfer für die Vorbeugung eingeschaltet. Die Publikation wurde in zehn Sprachen übersetzt und erreichte mehrere tausend junge Männer und Frauen.

Eine weitere wirksame Initiative des IOC ist die Partnerschaft mit dem Nationalen Olympischen Komitee von Uganda und Churches United Against HTV & AIDS in Eastern and Southern Africa (CUAHA) zur Umsetzung der Vorbeugung von HIV und AIDS durch Sportprojekte in dieser Region.

Bereits haben diese Projekte auch in Tansania Fuß gefasst, wo 19.000 Exemplare der Publikation von UNAIDS und IOC zur Vorbeugung von HIV und AIDS durch Sport in Suaheli verteilt werden sollen. Das Projekt wird auch in Äthiopien, Kenia, Uganda und Ruanda nach dem Muster von Tansania durchgeführt werden.

Anlässlich der Olympischen Spiele werden wir auch die Gelegenheit wahrnehmen, unsere Athleten über HIV/AIDS aufzuklären. In Vancouver haben wir wie bei früheren Spielen eine Sensibilisierungskampagne unter dem Motto „Gemeinsam können wir HIV und AIDS Einhalt gebieten“ durchgeführt.

Es ist großartig, sportliche Vorbilder für solche Aufklärungs- und Nichtstigmatisierungs-Kampagnen gewinnen zu können ; sie sind die wirksamsten Gesprächspartner für die junge Generation.

Der Kampf gegen HD//AIDS ist Teil unseres Anliegens, Sport in den Dienst der menschlichen Entwicklung zu stellen. Sicher entspricht er auch dem sozialen Verantwortungsbewusstsein der Olympischen Bewegung.

5. Nachhaltige Umweltverträglichkeit
Der Schutz der Urnwelt gehört zu den wichtigen Aufgaben der Olympischen Bewegung. Neben Sport und Kultur ist die Umwelt die dritte Dimension unserer Aktivitäten. Wir alle wissen, dass sportliche Anlässe und Aktivitäten, die nicht sorgfältig geplant und gelenkt werden, die Umwelt schädigen können. Umgekehrt müssen wir auch dafür sorgen, dass unsere Athleten ihr Training und ihre Wettkämpfe unter tadellos sauberen Umständen absolvieren.

In den letzten fünfzehn Jahren ist das IOC zum führenden Umweltpfleger auch jenseits der Olympischen Spiele geworden. Sport und Umwelt sind zum zwingenden Leitmotiv geworden, das weltweit Initiativen und Projekte ausgelöst hat. Internationale Verbände, Nationale Olympische Komitees, Organisationskomitees der Olympischen Spiele, Athleten und TOP-Partner haben alle praktischen Maßnahmen ergriffen, um die Umwelt zu schützen und künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.

Das IOC legt den größten Wert darauf, dass die Spiele nachhaltigen umweltfreundlichen Nutzen stiften, von dem die gastgebenden Städte und wenn möglich auch die übrige Welt profitieren können. Als optimale Lösung hat sich erwiesen, dass das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) das jeweilige Organisationskomitee der Olympischen Spiele in allen Fragen berät, die für eine nachhaltige Umweltverträglichkeit relevant sind.

In Vancouver arbeiteten die Organisatoren und UNEP schon drei Jahre vor den dortigen Winter-spielen zusammen, um deren Umweltbilanz zu optimieren. Vancouver 2010 setzte völlig neue Maßstäbe in Sachen Umweltschutz und wird als „grünster“ aller bisherigen Schauplätze in Erinnerung bleiben.

Für Vancouver 2010 hat das Organisationskomitee zum ersten Mal die „Nachhaltigkeit“ als wichtige Dimension in sein Leitbild aufgenommen UND dieses Ziel auch erreicht. Unseren kanadischen Freunden ist es gelungen, die Nachhaltigkeit erfolgreich in ihre wirtschaftlichen Überlegungen einzubeziehen.

Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Zu den „grünen“ Massnahmen für die Olympischen Wettkampfstätten gehörten namentlich die breite Verwendung von Regenwasser, energie-effiziente und grasgedeckte Bedachungen sowie getrennte Behälter für kompostierbare Abfälle.

Im September 2009 verkündete der Bürgermeister von Vancouver das Motto „Vancouver : Grüne Hauptstadt“ als offizielles Markenzeichen der Stadt. Unter diesem Motto soll die Nachhaltigkeit in der ganzen Stadt gefördert und der weltweite Ruf der Stadt als grüner, nachhaltiger und lebenswerter Wohnort untermauert werden. Bis 2020 will sie als die „grünste“ Stadt der Welt anerkannt sein. Ein schönes Vermächtnis der Olympischen Spiele an künftige Generationen !

6. Förderung von Bildung für alle und der Gesundheit der Kinder
Wir fördern Sport und nachhaltige Entwicklung nicht nur, um unseren Planeten besser zu schützen, sondern auch um eine bessere Welt für die junge Generation zu schaffen. Sport ist viel mehr als Wettbewerb. Sport ist eines der Instrumente, die den Charakter seiner Anhänger bilden. Sport ist ein erzieherisches Mittel und eine kulturelle Lebensaufgabe.
Oft wird Sport als Schule des Lebens bezeichnet. Sie vermittelt Werte wie Exzellenz, Freundschaft, Solidarität und Fair Play. Sport trägt zum besseren gegenseitigen Verständnis bei und erleichtert den Dialog. Er hält junge Menschen zur Beachtung der Regeln, nicht nur des Sports, sondern auch der Gesellschaft an.

Sport trägt zur Festigung ihrer Identität und zu einer gesunden Lebensweise bei. Um die neue Generation für den Sport zu gewinnen und sie gezielt anzusprechen, hat das IOC eine umfassende Strategie für die junge Generation erarbeitet. Die jungen Menschen sollen zum Sporttreiben ermutigt werden, aber auch zur Verbreitung der Olympischen Werte, die nach unserer Meinung auch im Alltag Geltung haben sollten.

Unsere Strategie beinhaltet auch ein Programm zur Vermittlung der Olympischen Werte (OVEP) sowie das neue IOC-Projekt, die Olympischen Jugendspiele, die erstmals diesen August in Singapur stattfinden werden.

Diese Spiele werden die besten jungen Athleten der Welt versammeln. Neben dem Wettkampfgeschehen sind die schönsten Voraussetzungen gegeben, um zwischen der Jugend der Welt und den Teilnehmern durch gegenseitiges Lernen und gemeinsames Erleben dauernde Brücken zu schlagen. Ein Kultur- und Bildungsprogramm wird ihnen wertvolle Kenntnisse über Themen wie soziale Verantwortung, Umweltbewußtsein und gesunde Lebensführung näherbringen. Mit diesen Spielen wollen wir nicht nur den sportlichen Nachwuchs aus aller Welt zusammenführen, sondern auch junge Menschen in allen Ländern ermutigen, eine sportliche Betätigung aufzunehmen und Spaß daran zu haben.

Angesichts der verbreiteten Fettleibigkeit vieler Kinder, die in den Konsumgesellschaften der Industrieländer aufwachsen, ist dies die beste Art der Bekämpfung der drohenden neuen Pandemie. Wir sind überzeugt, dass der beste Weg zu einer gesunden, aktiven Lebensweise über die körperliche Betätigung und eine ausgewogene Ernährung führt.

7. Soziale Integration und Identitätsstärkung für Minderheiten
Neben der physischen und mentalen Entfaltung ist Sport auch der ideale Weg, um benachteiligte Gruppen in die Gesellschaft zu integrieren. Solche Programme können durch Sport eine Verständigung bewirken, wo bisher nationale Eigenarten, Politik, Religion und Kultur oft Gräben aufrissen. Sie können die gesellschaftliche Eingliederung und die Identitätsstärkung von Minderheiten und Randgruppen wie Strassenkinder, Kindersoldaten, ethnische Gruppen oder Menschen mit HIV/AIDS begünstigen.

Sport kann auch das einheimische Wirtschaftsleben stärken und Arbeitsplätze schaffen, mit denen viele Verdienstmöglichkeiten verbunden sind. So können Behinderte ihr Handicap überwinden und trotz aller Widerstände ein erfülltes Leben führen.

Ich möchte auch kurz auf die Paralympischen Spiele eingehen, die jeweils kurz nach den Olympischen Spielen im gleichen Rahmen stattfinden. Sie stellen die athletische Leistungs-fähigkeit und nicht die Behinderung der Teilnehmer in den Vordergrund. Das haben Beijing und Vancouver schön gezeigt, wo die Athleten mit großartigen Leistungen beeindruckten.

Olympische und Paralympische Spiele geben auch Minderheiten die Möglichkeit, schon im Bewerbungsstadium an deren Organisation mitzuwirken. Von Anbeginn arbeitete Vancouver 2010 mit der eingeborenen Bevölkerung zusammen. So schufen das Organisationskomitee (VANOC) und die Four Host First Nations bleibende soziale, kulturelle und wirtschaftliche Möglichkeiten und Vorteile – vor allem Verbesserung des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Festigung der Gemeinschaften durch Sport, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und kulturelle Einbindung.

Zum Beispiel war das Lizenz- und Verkaufsprogramm für die Urbevölkerung im Rahmen von Vancouver 2010 die erste Partnerschaft eines Olympischen Organisationskomitees mit den Ureinwohnern eines Landes. Zu sehen waren herausragende Proben der künstlerischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Urbevölkerung Kanadas.

Ein Drittel der Erlöse des Verkaufs 2010 kommt dem Jugendfonds der Ureinwohner zugute. Der Fonds unterstützt Bildung, Sport und kulturelle Initiativen zugunsten junger Ureinwohner in ganz Kanada, weit über 2010 hinaus.
Wie man sieht, verbreitet Sport positive Inhalte und beeinflusst die Verhaltensweisen; ausserdem stärkt er das Selbstwertgefühl und die Verbindungsfähigkeit unter Menschen, vor allem jungen Menschen, Frauen und Minderheiten.

8. Globale Partnerschaft
Wenn wir alle unseren ambitiösen Ziele erreichen wollen, ist eine globale Partnerschaft für Entwicklung unbedingt notwendig. Wir arbeiten eng mit Regierungen, zwischenstaatlichen und Nichtregierungsorganisationen, den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen oder mit zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammen, um unsere Belange voranzubringen.

An dieser Stelle möchte ich die Initiativen „Generations for Peace“ (vom IOC anerkannt), gegründet von Seiner Königlichen Hoheit Prinz Faisal al Hussein, Präsident des NOK von Jordanien, und „Peace and Sport“ mit Sitz in Monaco, gegründet von Joel Bouzou unter der Schirmherrschaft von Prinz Albert II. von Monaco, erwähnen.
Die Tegla Loroupe Peace Foundation in Kenia (gegründet vom berühmten kenianischen Athleten Tegla Loroupe) hat die Bevölkerung in Initiativen eingebunden, die die historische Feindschaft zwischen den Menschen in Kenia, Uganda und Sudan gelindert haben.

Erwähnen möchte ich auch einen anderen Athleten, der dank Sport das Los Tausender Kinder in seinem Land verbessern will: den doppelten Olympiasieger Kip Keino, der Schulen, Waisen-häuser und ein Trainingszentrum für Spitzensportler hat bauen lassen. Seit seiner Verabschiedung vom aktiven Sport hat Kip Keino seinem Land geholfen, indem er die wichtigsten Einrichtungen überhaupt finanziert hat – nämlich Schulen, damit die Kinder zu selbständigen Wesen heranwachsen können. Jedes Kind kann eine gute Bildung für eine positive Zukunft erwerben. Heute leben und lernen mehr als 300 Waisen und Kinder aus Eldoret in den (Grund- und Mittelschulen) von Kip Keino. Ein großartiges Beispiel, das jede Nachahmung und Unterstützung verdient.

Liebe Freunde,
Auf unserem jüngsten Olympischen Krongress letzten Oktober in Kopenhagen äußerte sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Zusammenarbeit IOC-UN wie folgt: „Unsere Partnerschaft beschränkt sich nicht nur auf Sitzungssäle in New York. Sie ist weltweit, von den Hauptstädten bis zu den Kriegs gebieten. Groß ist die Zahl der Projekte zugunsten von Flüchtlingen, Kindererziehung und Umweltschutz. Diesen Bemühungen liegen gemeinsame Prinzipien zugrunde : Nichtdiskriminierung, Nachhaltigkeit, Allgemeingültigkeit und Solidarität. Die Olympischen Grundsätze sind auch die der Vereinten Nationen.“

Wenige Wochen später wurde dem IOC der UN-Beobachter Status zuerkannt und damit die Macht des Sports als Katalysator des gesellschaftlichen Wandels anerkannt. In dieser Eigen-schaft kann das IOC die Belange des Sports auf höherer Ebene wahrnehmen und an allen Tagungen der UN-Generalversammlung teilnehmen, zum Beispiel am bevorstehenden UN-Gipfel über die Millenniums-Entwicklungsziele im September 2010.

Das IOC setzt Sport als wirksame Kraft für den sozialen Wandel ein ; wir dürfen aber nicht vergessen, dass das IOC eine Sportorganisation ist. Wir sind auf den Sachverstand und den Einfluss der UN, ihrer Sonderorganisationen, der Regierungen und anderer sachkundiger Organisationen angewiesen, um von ihnen zu hören, wie wir die gemeinsamen Ziele am besten durch Sport erreichen können.

Wie ich schon oft gesagt habe, kann Sport sicher nicht alle Übel der Gesellschaft beseitigen. Das IOC und die Weltgemeinschaft der Sportler können nicht allein die sozioökonomischen Probleme, die immer wieder den Weltfrieden bedrohen, aus der Welt schaffen. Man darf vom Sport nicht erwarten, dort zu reüssieren, wo die sozialen und politischen Kräfte versagt haben. Wo immer der Sport aber wirklich helfen kann, wird man auf ihn zählen können.

Wir können zwischenstaatliche Organisationen, Regierungen oder Fachorganisationen zur Lösung der sozioökonomischen Probleme der Menschheit nie ersetzen. Sie verfügen über Mittel, die uns nicht zu Gebote stehen. Aber wir können dank unseres weltweiten Sportnetzwerks andere Möglichkeiten nutzen.

Wir wollen beweisen, dass durch vertiefte Partnerschaften aller nationalen Entwicklungskräfte und der Sportgemeinschaft die Sportförderung dazu beitragen kann, viele gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen und die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen.

Quelle: DOSB

author: GRR

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