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14
05
2010

Das Straßenlaufnachwuchskonzept wurde vom DLV vor 10 Jahren eliminiert

Ist der DLV-Marathontiefpunkt nun schon erreicht – Deutsche Meister 38 + 41 Jahre alt – Ein Kommentar von Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Gerade als in Berlin die Weltrekorde der Männer und Frauen über 25 km durch die Kenianer Sammy Kosgei und Mary Keitany pulverisiert wurden, liefen in Mainz der 38-jährige Dennis Pyka in 2:20:09 und die 41-jährige Bernadette Pichlmaier in 2:40:58 als Deutsche Marathonmeister über die Ziellinie und aus Prag kam die Nachricht, dass sich auch die Erfurterin Melanie Schulz, seit Jahren im DLV-Bundespolizeikader, mit ihrer Leistung von 2:44:41 in den Leistungsbereich der Freizeitläufer eingereiht hatte.

Zum TV–Kommentar von Herbert Steffny, der Dennis Pyka im Ziel zusätzlich mit den Titel „Bester Freizeitläufer“ ehrte und hinzufügte, „der gute Pyka hat getan was er konnte, für die Marathonmisere der Männer aber kann er nichts“, kann man in der Tat hinzufügen, dass sich auch Bernadette Pichlmaier bei der Deutschen Marathonmeisterschaft der Freizeitläufer wiederum gut geschlagen hat und sich zum zweiten Mal die Krone holte. Dem kann man nur noch einen Glückwunsch anfügen.

„Wenn man gewinnt, waren keine Besseren am Start“, sagt ein altes Sprichwort aus Sportlerkreisen. Allerdings kann man schon ins Grübeln kommen, wenn in der Ergebnisliste unter den ersten 20 sowohl bei den Männern, als auch bei den Frauen die 60er- und 70er–Jahrgänge dominieren und nur vereinzelt sich 80er dazwischen geschmuggelt haben!

Die einzige Deutsche Meisterschaft in der die Besten des DLV nicht am Start erscheinen müssen, um sich, wie z.B. in diesem Jahr, für die Europameisterschaft zu empfehlen. Die bisherigen in Mainz erzielten Bestleistungen und auch die Siegerleistungen 2010 sagen uns, dass die Strecke deutlich mehr zulässt, vorausgesetzt man hat das erforderliche Niveau dafür. Die kühlen Temperaturen und das bisschen Regen waren diesmal eher förderlich.

Die Fernsehpräsenz wurde zur Eigenwerbung leider nicht genutzt

Dem SWR und Herbert Steffny muß man für die Stunden Fernseh-Werbung für den Straßenlauf und für das gelungene Bemühen die Deutsche Meisterschaft der „Freizeitläufer und Senioren“ (Steffny) positiv rüberzubringen, dankbar sein. Schade dass der DLV die Chance zur Eigenwerbung und zur Motivation der Besten für mehr ausgelassen hat.

Dafür nutzte der Mannschaftsarzt der Mainz–05–Fußballer die Bühne, Zweifel an der „Sauberkeit“ der vielen tausend Marathonläufer im Breitensport zu äußern und gleichzeitig zu erklären das Fußballer sauber seien, weil Doping da unwirksam sei. Leider blieb das unwidersprochen. Da mangelt es offensichtlich beim Mediziner an Fachkompetenz, weil es nicht erst in der Neuzeit keine Sportart mehr gibt, in der verbotene unterstützende Mittel keine Wirksamkeit hätten und in der Vergangenheit immer wieder auch Fußballer erwischt wurden.

Festakt 2500 Jahre Marathon forderte zur Diskussion heraus

Ein besonderes Lob muß man an dieser Stelle einmal den Machern von German Road Races (GRR) mit Horst Milde und Wilfried Raatz an der Spitze übermitteln, die im Vorfeld der Meisterschaft zusammen mit dem Bereich Breitensport – Lauf im DLV Ehemalige, Trainer, Straßenlauf-Sponsoren, sowie Gäste und Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zum Festakt „2500 Jahre Marathon“ geladen hatten.

Besonders die noch aktiven und ehemaligen Marathonis freuten sich nicht nur über die gelungene Veranstaltung sondern diskutierten auch bis „sehr spät“ über den Niedergang und die derzeitige Krise im Marathon-/Straßenlauf.

 Auch die Sportler sind richtig in Sorge und verstehen nicht, dass im DLV nach nun schon mehreren Jahren deutlichen Abstiegs die Erfahrung noch nicht zu Konsequenzen geführt hat, dass man bei jährlich etwa 200 Marathonläufen mit „260.000 Läufern bei den German-Road-Race-Events“ (www.aktiv-laufen.de) seit vielen Jahren keinen Nachwuchs für den Leistungsportbereich finden und ausbilden konnte. Auch unter den DM–Teilnehmern 2010 hat man keine Sternschnuppen gesehen.

Da muß doch schnellstens ein anderer Weg beschritten werden.

Nicht nur GRR sorgt sich um die Förderung des Laufnachwuchses

Da wurde auch die Frage diskutiert, die schon die GRR in ihrem Sonderheft zum Straßenlauf als elementares Thema unterstrichen hat, wie die Förderung des Laufnachwuchses, speziell des Straßenlauf-Nachwuchses im DLV „läuft“. Systematik, zielgerichtete Ausbildung, Förderung, Nachwuchskader? Der einzige Disziplinbereich in dem keine gezielte Nachwuchsarbeit stattfindet und für Spitze und Nachwuchs, für Frauen und Männer, für weibliche und männliche Jugend keine Bundestrainer (siehe DLV-Liste) benannt sind.

Ein Disziplinbereich der landesweit die meisten Teilnehmer an den Start bringt und „die Symbiose zwischen Spitzen- und Breitensport stärker repräsentiert als überall sonst in der Leichtathletik“ (Theo Rous in seinen Begrüßungsworten beim Festakt“) wird sozusagen unter der „Langstrecke“ versteckt. Da muß man sich schon wundern, dass ein nebenamtlicher Trainer gleichermaßen die Kompetenz für die Langstreckendisziplinen von 5000 m bis zum Marathon bei Männern und Frauen haben soll, wenn im Sprintbereich allein für den Langsprint 400 m/400 m Hürden 4 DLV-Disziplintrainer ausgewiesen sind.

Als ehemaliger Teamleiter Marathon-/Straßenlauf erlaube ich mir an dieser Stelle einmal in Erinnerung zu rufen, das ein mehrjähriger systematischer, auch erfolgreicher Aufbau eines Nachwuchskaders mit D/C-Kadern und C-Kadern Straßenlauf, mit Ausbildungslehrgängen, mit einem Rahmentrainingsplan und einem systematischen Wettkampfaufbau durch die Meisterschaftsdisziplinen 7,5 km in der weiblichen und männlichen B-Jugend und 15 km in der weiblichen und männlichen A-Jugend mit dem Ziel der Hinführung zum Halbmarathon im Anschlusstraining von uns in mehrjähriger Arbeit aufgebaut wurde.

Kurz nach meinem Ausscheiden in den Ruhestand im Jahre 1998 wurde – von wem auch immer – nicht nur der Teamleiter Marathon-/Straßenlauf abgeschafft, sondern auch das Nachwuchskonzept eliminiert. In der ehemaligen DDR ist man bei solchen Entscheidungen mit der Bemerkung „die Genossen werden sich schon etwas dabei gedacht haben“ zur Tagesordnung übergegangen. Aber diese Genossen gibt´s doch schon 20 Jahre nicht mehr bzw. nur noch bei den Linken.

Auch deutsche Läufer wären zu 2:08 bzw. 2:22 in der Lage, wenn …

Ein Vergleich ausgewählter Bestenlisten aus den Jahren 1990 (Männer) und 1997 (Frauen) mit der aktuellen Bestenliste 2010 soll unterstreichen, dass deutsche Läufer schon zu mehr als zu den derzeit gezeigten Leistungen in der Lage waren. Voraussetzung dafür ist, dass die Organisation des Trainings und der Wettkampfleistungen leistungssportlichen Ansprüchen genügt, ein systematischer Aufbau von Langstreckentalenten für 2:08 bei den Männern bzw. 2:22 bei den Frauen erst einmal in die Bereiche der Deutschen Rekorde ein Ziel wäre und der DLV den Läufern die dazu erforderlichen Bedingungen einschließlich des Höhentrainings zur Verfügung stellt.

Eine begleitende Arbeit im Team und die mentale Motivation zu einem entsprechend leistungsorientierten Marathontraining sind im modernen Hochleistungssport Bedingung und sichern die Wirksamkeit des Trainings durch eine optimale Trainingssteuerung.

„In diesem Jahr ist unser Ziel im europäischen Bereich vorne mit dabei zu sein“ (Waldemar Cierpinski im Interview im Sonderheft der GRR zu den von ihm betreuten Läufern Sauter, Beckmann, Cierpinski) – was das auch wohl konkret heißen möge. Nun ist aber dieser Zug wohl schon abgefahren.

Für die Zukunft sollte man ausschließen, dass man sich mit einer mittelmäßigen Leistung im Bereich der Leistungsfähigkeit von Freizeitläufern innerhalb einer Mannschaft für eine EM oder WM qualifizieren kann, weil damit eine wesentliche Leistungsmotivation für mehr, wie wir es gegenwärtig beobachten, sehr leicht auf der Strecke bleibt.

Gerechtigkeit gegenüber allen anderen wäre doch, die Quali so anzusetzen, dass eine Finalplatzierung im Bereich Platz 1–8 (wie über 800 m) ohne Ausnahme gilt. Das würde gleichzeitig zu neuen Überlegungen in der Trainingsarbeit herausfordern. Eine Europameisterschaft vereint Europas Beste und wird doch nicht zum Üben organisiert.

Man würde sich wünschen dass der DLV – vor allem auch nach der Neuaufstellung Ende des vergangenen Jahres – baldmöglichst in seiner Strategie, in den Organisationsformen und in der Gesamtverantwortung alle Disziplinen (auch den Bereich Lauf/Gehen) gleichberechtigt „führt, fördert und fordert“.

Deutsche Marathon–Bestenliste (Vergleiche 1990 – 1997 – 2010)

Deutscher Rekord Männer: 2:08:47 Jörg Peter (Dresden) 1988

Deutscher Rekord Frauen:  2:19:19 Irina Mikitenko (TV Wattenscheid) 2008

BESTENLISTEN DER MÄNNER (1990) UND FRAUEN (1997)
MÄNNER 1990 FRAUEN 1997
2:09:23 Peter (Dresden) 2:25:57 Dörre–Heinig (Leipzig)
2:09:45 Freygang (Cottbus) 2:28:02 Oberem-Krolik (Leverkusen)
2:12:02 Wachenbrunner (Berlin) 2:28:51 Pippig (Berlin)
2:12:30 Grüning (Uerd./Dorm.) 2:30:34 Jerschabek (Ludwigshafen)
2:12:44 Steffny (Freiburg) 2:32:54 Lokar (Wattenscheid)
2:13:47 Dittmann (Potsdam) 2:34:06 Biba (Frankfurt)
2:14:31 Grommisch (Essen) 2:34:35 Veith (Ludwigshafen)
2:14:54 Dold (Freiburg) 2:36:13 Dreher (Leverkusen)
2:14:58 Koch (Potsdam) 2:37:14 Mai (Dortmund)
2:15:51 Eickmann (St.Augustin) 2:39:31 Renz (Berlin)
 
BESTENLISTE 2010 – STAND 10.5.2010 (leichtathletik.de)
MÄNNER FRAUEN
2:17:18 Falk Cierpinski 2:36:00 Melanie Kraus
2:20:09 Dennis Pyka 2:40:58 Bernadette Pichlmaier
2:26:13 Dennis Mehlfeld 2:48:23 Fakja Hofmann
2:27:24 Nils Schallner 2:51:42 Dr. Kirsten Heckmann
2:28:08 Bastian Krantz 2:51:49 Steffi Volke
2:28:27 Magnus Kreth 2:51:54 Daniela Jakobler
2:28:26 Philipp Nawrocki 2:53:07 Kerstin Steg
2:28:42 David Karl 2:53:34 Carina Schipp
2:28:50 André Collett 2:53:56 Kerstin Aleimo
2:29:24 Marcel Groß 2:55:10 Dr. Anke Holljesiefken

 Lothar Pöhlitz

author: GRR

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