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11
04
2012

Irina Mikitenko in Paderborn: „Ich brauche einen gewissen Druck" ©Helmut Winter

Irina Mikitenko: „Ich brauche einen gewissen Druck\“ – Wilfried Raatz

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Beim 10 km-Wettbewerb des Paderborner Osterlaufes sind Sie in einer begeisternden Aufholjagd mit einer starken zweiten Hälfte mit 31:44 Minuten knapp hinter der Kenianerin Esther Chemtai Zweite geworden.

Welches Fazit können Sie zwei Wochen vor dem London-Marathon aus diesem Rennen ziehen?

„Das war ein guter Test. Schade, dass es nicht ganz mehr zum Sieg gereicht hat! Ich bin in Paderborn immer gut gelaufen, deshalb wollte ich auch gerne wieder hier laufen. Obwohl ich erst vor zwei Tagen aus dem Trainingslager in Albuquerque zurück nach Deutschland gekommen bin und ich mir nicht sicher war, wie mein Körper mit der Zeit- und Temperaturumstellung zu recht kommen würde! Da es etwas kalt war, wollte ich kein Risiko eingehen und bin ich nicht von Anfang an voll gelaufen. Die zweite Hälfte war dann natürlich mit 15:30 Minuten stark!"

Wie sieht Ihre weitere Vorbereitung auf den London-Marathon am 22. April aus?

Heute bin ich schon 30 km gelaufen. Und es ging wirklich gut, die Belastung in Paderborn habe ich nicht mehr gespürt. Ich werde noch eine Woche ordentlich trainieren, darunter auch noch zwei längere Läufe machen. Aber natürlich nicht mehr jeden Tag zweimal laufen…. Ich denke, dass ich mit einem guten Gewissen nach London fahren kann.  

Für Sie spielen Trainingslager in der Höhe offensichtlich eine große Rolle. Deshalb sollten wir noch einmal einen Blick zurück auf Ihre Vorbereitungen in Albuquerque werfen. Welche Rahmenbedingungen haben Sie dort vorgefunden?

Für einen Frühjahrsmarathon ist es natürlich schwierig, einen Ort ohne Schnee zu finden. Ich war 2001 auf Einladung von Paula Radcliffe zum ersten Mal in Neu-Mexiko und es hat mir dort sehr gut gefallen. Nach verschiedenen Trainingslagern in Südafrika, Kenia und Kirgisien haben wir uns nun erneut für Albuquerque entschieden. Ich war positiv überrascht, dort so viele Langstreckler und Geher aus aller Welt zu treffen.

Haben Sie dort auch mit anderen Spitzenläuferinnen wie Paula Radcliffe trainiert?

Nein, eher nicht. Klar, man läuft eine Runde mal hier oder dort in einer Gruppe mit. Aber ich hatte mit Fate Tola meine eigene Trainingspartnerin dabei, mit der ich praktisch alles gemeinsam gemacht habe. Da sie beim Wien-Marathon am 15. April läuft, hat die gemeinsame Vorbereitung sehr gut gepasst.

Über viele Jahre hinweg waren Sie es gewohnt, Ihre Trainingseinheiten alleine bzw. in Begleitung Ihres Mannes Alexander zu absolvieren. Seit April des vergangenen Jahres haben Sie nun die Gelegenheit, mit einer leistungsstarken Marathonläuferin wie Fate Tola es mit einer Bestzeit von 2:26:21 nun einmal ist, zu trainieren. Das ist sicherlich auch für Sie eine große Umstellung?

Natürlich ist das Training mit einer Gruppe etwas einfacher. Ich denke, dass das Training mit Fate viel gebracht hat. Ich habe praktisch zwanzig Jahre alleine trainiert und habe nun eine sehr gute Partnerin gefunden. Sie hat zwar viel Respekt vor mir, trainiert aber ohne zu Murren alles mit, was auf dem Programm steht. Ich denke, dass es für sie ebenfalls perfekt ist und hoffe, dass auch für sie alles gut läuft.

Apropos „gut laufen". Mit welchen Erwartungen fliegen Sie zum London-Marathon?

Es wird wie immer ein schnelles Rennen werden, denn die besten Kenianerinnen und Äthiopierinnen laufen um einen Startplatz bei den Olympischen Spielen. Ich habe meinen Plan, bin gesund und werde mit Köpfchen laufen. Mein Problem ist allerdings, dass die Afrikanerinnen oftmals ohne das richtige Tempogefühl laufen. Ein gutes Beispiel ist dabei sicherlich Mary Keitany mit ihrem Rennen in New York. Oder schauen wir auf den Paderborner Osterlauf. Nach fünf Kilometern war ich noch Neunte und habe auf der zweiten Hälfte eine Ostafrikanerin nach der anderen eingeholt.

Es stand zu lesen, dass Sie ohne Druck beim London-Marathon an den Start gehen würden. Wie haben Sie das gemeint?

Das habe ich nie gesagt. Für mich ist jeder Wettkampf wichtig. Vor allem der London-Marathon. Ich bin seit 2008 dort jedes Jahr gestartet, habe zweimal gewonnen – und habe mich auch im Jahr der Olympischen Spiele dafür entschieden. Schließlich starten unter anderem beim London-Marathon die Frauen separat. Damit ist die Situation ähnlich wie bei Olympia. Anders als in gemischten Rennen musst du oftmals eine lange Strecke alleine laufen, 2011 war dies sogar 25 km lang. Das kann dir auch bei den Olympischen Spielen passieren… Ich brauche einen gewissen Druck, ohne diesen geht es nicht. Wenn ich ehrlich bin, war ich beim Wettkampf noch nie 100 %ig zufrieden gewesen.

Ihr Mann Alexander hat mit dem Eindruck des Paderborner 10 km-Laufes eine Prognose für den London-Marathon gegeben, dass Sie beim London-Marathon eine Zeit von 2:22 Stunden laufen könnten. Deckt sich diese Prognose mit Ihrer eigenen Erwartungshaltung?

Ich liebe diese Stadt und habe viele Fans dort. Es wird natürlich nicht einfach werden, denn viele Läuferinnen können 2:22 Stunden laufen. Ich habe gut trainiert, werde mit Gefühl laufen und habe meinen Plan…. Wenn ich wie in Paderborn die zweite Hälfte schneller als die erste Hälfte laufen könnte, dann wird es ein gutes Rennen.

Ihre ersten olympischen Spiele haben Sie 1996 in Atlanta als 5000 m-Läuferin erleben dürfen. In Sydney liefen Sie als Fünfte über 5.000 m knapp an einer Medaille vorbei. In London wird es die Marathonstrecke sein, über die Sie starten werden. Mit ihrer Bestzeit von 2:19:19 Stunden sind Sie die fünftschnellste Läuferin weltweit. Und damit auch eine Medaillenkandidatin für London?

Zum jetzigen Zeitpunkt können viele Läuferinnen schnell laufen, aber in drei Monaten kann ja noch viel passieren. Jeder Sportler träumt von einer Olympiamedaille. Wäre dies nicht auch bei mir der Fall, hätte ich schon längst aufgehört.

 

Wilfried Raatz für leichtathletik.de

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